Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Ein Heft für Ganghofer
Die ausgefallene Tagung für den Dichter gibt es nun in gedruckter Form
Eine Corona-spätfolge ist zu vermelden, eine freilich, der man durchweg gute Seiten abgewinnen wird. Vergangenen Sommer, im Jahr der 100. Wiederkehr des Todestages von Ludwig Ganghofer, hätte in Erinnerung an den einstigen Erfolgsschriftsteller eine Tagung in Tegernsee stattfinden sollen, die jedoch der Pandemie wegen abgesagt werden musste. Jetzt ist unter dem Dach der Zeitschrift Literatur in Bayern ein Sonderheft erschienen, welches die Tagungsbeiträge in gedruckter Form doch noch der Öffentlichkeit zugänglich macht (Allitera Verlag, 82 S., 7,50 ¤).
Die Tagung war ein Augsburger Projekt, Ulrich Hohoff, Direktor der Universitätsbibliothek, und Klaus Wolf, Lehrstuhlinhaber für deutsche Literatur, die treibenden Kräfte. Im Heft weisen sie einleitend darauf hin, dass nach dem kurzfristig erweckten Interesse an Ganghofer zu dessen 150. Geburtstag im Jahr 2005 die Lust an der Beschäftigung mit dem früheren Bestsellerautor weitgehend wieder erloschen sei – obwohl die Rezeption des Werks doch nach wie vor „reichlich Material“bereitstelle.
So geht Ulrich Hohoff in seinem Beitrag der Frage nach, wie Ganghofer
sein großes Publikum zu gewinnen vermochte. Das ausgehende 19. Jahrhundert, in dem Ganghofers Erfolgskurve zu steigen begann, war die Zeit des einsetzenden Alpentourismus, womit auch eine (populär-) künstlerische Auseinandersetzung mit der Welt der Berge, in der Literatur wie in diversen Genres der bildenden Kunst, einherging. In diesem Rahmen lieferte Ganghofer mit seinen „Hochland“-romanen einem erholungsbedürftigen städtischen Publikum die Kulissen einer scheinbar ursprünglich gebliebenen Natur- und Lebenswelt.
Wie aber gelang es dem Schriftsteller mit seinen Alpen-geschichten, in denen er vom lokalen Dialekt durchaus Gebrauch machte, von einer Leserschaft auch nördlich des Mains verstanden zu werden? Ganghofer, der als gebürtiger Kaufbeurer und aufgewachsen in Welden bei Augsburg sprachlich durch das Alemannisch-schwäbische geprägt war, schuf sich, wie Klaus Wolf darlegt, sein eigenes „Kunstbaierisch“, eine abgemilderte und damit im gesamten deutschen Sprachraum verständliche phonetische Umschrift des faktischen Alpendialekts.
Es gibt weitere interessante Beiträge. Peter Czoik untersucht Ganghofers Sicht auf das Judentum und kommt zu dem Ergebnis, dass nicht nur der Autor selbst weit entfernt vom seinerzeit weithin gängigen Antisemitismus war, sondern Ganghofer jüdische Figuren, die in seinen Romanen auftreten, alles andere als herabsetzend, vielmehr mit Empathie zeichnet. Waldemar Fromm wiederum zeigt in seinem Artikel am Beispiel Ganghofers, Hofmannsthals und Hermann Bahrs, dass sich Alpenliteratur und literarische Moderne privat keineswegs aus dem Weg gingen, auch wenn sie ästhetisch verschiedene Richtungen einschlugen. In der Summe ist das Heft ein aufschlussreicher Nachtrag zum Ganghofer-jubiläum, obendrein ansprechend bebildert.