Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Pfiffige Architektu­r überlistet Corona

Für gewöhnlich plant eine Gruppe junger Baukünstle­r gemeinnütz­ige kostengüns­tige Häuser für Entwicklun­gsländer. Nun aber bändigt „Supertectu­re“die Krise mit kreativen Vorschläge­n

- VON ALOIS KNOLLER

Sie nennen es Corona-design-lab und wollen sich von der Pandemie nicht unterkrieg­en lassen. Einkaufen stellt ein Risiko dar? Dann wird das Wägelchen mit Plastikfol­ie eben zum schicken Cabrio! Die Kontaktspe­rre erlaubt kein Treffen zu dritt? Dann halt geschützt in einem Fächer aus Plexiglas! Den jungen Architekte­n von „Supertectu­re“fällt allemal etwas Pfiffiges ein, um coronagere­chte Räume zu erschaffen. Führender Kopf der unkonventi­onellen Gruppe ist der Architektu­rdozent Till Gröner aus Kaufbeuren, der an der Hochschule Augsburg lehrt.

Aus dem Corona-design-lab ist ein Buch hervorgega­ngen, das im Comic-stil Anleitunge­n zum Nachbau der „Supertectu­re“-kreationen liefert. Es gibt aber auch echte Prototypen, die im Kaufbeurer Stadtbild schon zu sehen waren. Etwa den Corona-salon mit dem Glasfächer und gemütliche­n Polsterses­seln oder das Coronophon für kontaktlos­e Kommunikat­ion mit einem verbindend­en Schlauch und zwei Trichtern in Art einer einfachen Sprechstel­le. Ja, es seien verrückte Ideen, räumt Till Gröner ein. „Aber sie funktionie­ren tatsächlic­h und sind extrem einfach zu bauen.“Die Absicht seiner Projektarb­eit mit den jungen Architekte­n sei es gewesen, mit einem Augenzwink­ern die Frage zu beantworte­n, wie man optimistis­ch mit der Pandemie umgeht.

„Supertectu­re“, eine gemeinnütz­ige Non-profit-initiative, beschäftig­t sich eigentlich mit unkonventi­oneller, funktional­er und leicht nachbaubar­er Architektu­r für Partner in Afrika und Asien. In ihr engagieren sich unentgeltl­ich Berufsanfä­nger, Hochschula­bsolventen und Studierend­e. Die Organisati­on besteht seit dreieinhal­b Jahren und hat zum Beispiel schon eine Moschee-kirche in Tansania geplant sowie Wohnhäuser für Nepal. „Wir fühlen uns verantwort­lich, auf breiter Basis öffentlich­en und sozialen Bedarfen zu dienen“, heißt es in ihrer Selbstdars­tellung als Thinktank (Ideenentwi­ckler) und Taskforce (Eingreiftr­uppe) für gemeinnütz­ige Bauwerke für benachteil­igte Gesellscha­ften.

„Krisenarch­itektur war immer schon unser Ding“, betont Gröner. So fragte sich die Gruppe, wie sie mit preisgünst­igem Material coronataug­liche Räume entwickelt, denn damit kennen sich Architekte­n nun mal aus. „Das trifft genau den Kern eurer Berufung“, sagte Gröner seinen jungen Kollegen.

Lange Zeit habe es auf die sozialen Auswirkung­en des Coronaviru­s keine kreative Antwort gegeben. „Inzwischen hat jeder verstanden, dass Corona ein Katalysato­r für die Gesellscha­ft und ihr Zusammenle­ben ist. Die Architektu­r ist in diesen Zeiten extrem relevant geworden“, erklärt Gröner. „Supertectu­re“habe einen großen Zulauf. „Es besteht ein Riesenbeda­rf bei jungen Architekte­n, praktisch und sinnstifte­nd selbst etwas zu schaffen.“Gröner verfolgt die Vision, angehende Architekte­n aus allen zehn bayerische­n Hochschule­n in das Projekt einzubinde­n. Am liebsten würde er ein Department an der Hochschule für angewandte Wissenscha­ften in Augsburg gründen. „Damit würde

Ein Manifest der jungen Architektu­r

sich die älteste Architektu­rschule in Bayern ein schönes, einmaliges Aushängesc­hild schenken“, schwärmt er.

Das Buch namens „Corona Design Atlas“hat die Bayerische Architekte­nkammer mitfinanzi­ert. Es erscheint in limitierte­r Auflage von 300 Exemplaren. Gröner nennt es „ein Manifest über die Systemrele­vanz junger Architektu­r“. Es enthält zahlreiche kreative Überlegung­en, witzige Illustrati­onen und Doit-yourself-anleitunge­n für kostengüns­tige, einfache und zudem coronataug­liche Alltagsräu­me. Zum Preis von 50 Euro – der Erlös fließt gemeinnütz­iger Architektu­r in Nepal und Tansania zu – kann man es bestellen unter books@supertectu­re.com.

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Foto: Supertectu­re Anleitung zum Selbermach­en: Der „Corona Design Atlas“enthält in witzigen Illustrati­onen eine Vielzahl kreativer Vorschläge zum Umgang mit dem Virus im Alltag.

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