Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Wenn der Roboter zum fürsorglichen Mitbewohner wird
Wie Forschende herausfinden, welches Verhalten Maschinen an den Tag legen sollten
Roboter, die in unserem Zuhause für uns da sind und uns unterstützen – diese Vision liegt gar nicht so weit in der Zukunft. Denkt man hier wohl zuerst an eine unterstützende Hand bei der Hausarbeit, geht die Idee des Vivaroboters, an dessen Entwicklung Informatikerinnen und Informatiker der Universität Augsburg beteiligt sind, in eine andere Richtung.
Er soll – wie ein aufmerksamer, empathischer Mitbewohner – den Gemütszustand des Gegenübers wahrnehmen und einfühlsam darauf mit einfachen Dialogen reagieren. Durch gezieltes Nachfragen geht er auf die Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer ein, um so das Wohlbefinden zu steigern. Außerdem lernt der Roboter das Sozialgefüge des Menschen mit der Zeit und ermutigt ihn dazu, dieses zu pflegen.
Wie soll sich der Roboter verhalten?
„VIVA kann in Single-haushalten oder in Altenheimen eingesetzt werden, damit Menschen nicht vereinsamen“, erklärt der Augsburger Informatiker Björn Petrak. „Ziel ist nicht, dass man hauptsächlich mit dem Roboter
agiert, sondern auch mehr mit anderen Menschen.“Ein Beispiel: Sie kommen nach Hause und wirken traurig. VIVA kommt auf Sie zu und fragt, warum Sie traurig sind. Ihre Antwort wäre, weil Ihr Bruder gerade krank ist. Der Roboter wird dann regelmäßig nach dem Befinden Ihres Bruders fragen und Sie dazu motivieren, diesen anzurufen und sich nach dessen Zustand zu erkundigen.
VIVA besitzt keine Arme oder Greifwerkzeuge. Er bewegt sich auf Rollen vorwärts, hat einen Kopf, den er drehen kann, und auf einem Display Augen, die einen direkt anschauen und Blickkontakt herstellen können. Am Augsburger Lehrstuhl für Menschzentrierte Künstliche Intelligenz wird erforscht, welches Verhalten des Roboters für Menschen angemessen ist: Soll er sich bei Emotionen wie Trauer oder Wut annähern und Kontakt aufnehmen oder eher zurückhaltend reagieren? „Erste Studien haben gezeigt, dass ein Näherkommen des Roboters immer besser bewertet wird – egal bei welcher gezeigten Emotion. Sprich: Wenn er dem Menschen Aufmerksamkeit schenkt“, sagt Petrak.
VIVA soll außerdem den persönlichen Raum von anderen respektieren und einen angemessenen Abstand einhalten. Doch was, wenn er diese Regeln brechen muss? „Um diese Frage zu erforschen war ursprünglich ein reales Experiment geplant. Nun haben wir es aufgrund der Pandemie als Onlinestudie umgesetzt“, erklärt Gundula Sopper, die im Rahmen ihrer Bachelorarbeit ebenfalls am Projekt mitarbeitet.
An die menschlichen Bedürfnisse angepasst
Die Befragten haben verschiedene Verhaltensweisen des Roboters bewertet, wenn dieser zwischen zwei miteinander sprechenden Menschen hindurchfahren muss, weil kein Weg daran vorbei möglich ist. Die Ergebnisse sollen helfen, Roboter wie VIVA den Bedürfnissen von Menschen anzupassen. „Die Befragten erwarten vom Roboter, dass er sich wie ein Mensch verhält, nicht wie zum Beispiel ein Tier oder eine Maschine“, sagt Sopper. Das bedeutet: Langsame Annäherung, abbremsen, Augenkontakt herstellen, fragen, ob er passieren darf und bei positiver Antwort weiterfahren oder eben warten. Wie technikaffin die Umfrageteilnehmenden waren, hat diese Bewertung kaum beeinflusst.
Insgesamt seien aber noch viele technische Entwicklungen nötig, damit Roboter beispielsweise ihre Umgebung genau wahrnehmen können, meint Petrak. Zusätzlich sei für eine gelungene Zusammenarbeit und Akzeptanz außerdem wichtig, dass der Mensch immer die Kontrolle habe. Am dritten Aspekt, dass die räumliche Interaktion des Roboters angemessen sein muss, arbeiten die Augsburger Forschenden. mh