Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
30 Jahre mit Umberto Eco
Umberto Eco ist auch heute noch, fünf Jahre nach seinem Tod, als großer Romancier und gern gelesener Autor bekannt. Er war aber weit mehr als das. Er war Historiker, Philosoph und kannte sich in seinem Spezialgebiet, der Semiotik, insbesondere mit verschiedenen Zeichensystemen, aus. Wie seine unterschiedlichen wissenschaftlichen Kenntnisse in das schriftstellerische Werk von Eco einflossen und rezipiert wurden, steht seit vielen Jahren im zentralen Forschungsinteresse des Literaturwissenschaftlers PD Dr. Thomas Stauder. Er lernte Eco zu dessen Lebzeiten mehrere Male bereits persönlich kennen. Über seinen Austausch mit ihm erschien im November 2019 eine Neuauflage des Sammelbandes „Gespräche mit Umberto Eco aus drei Jahrzehnten“. „Umberto Eco war bereits ein einflussreicher Intellektueller, bevor er Romanschriftsteller wurde“, berichtet Stauder. Je erfolgreicher der Romanautor wurde, desto mehr Beachtung fanden auch seine wissenschaftlichen Werke, die nach dem Erfolg des Romans „Der Namen der Rose“in nahezu alle Sprachen übersetzt wurden. Zum Dialog zwischen literarischen Werken Stauder fasziniert vor allem, dass „dessen Romane auf zahlreichen Ebenen gelesen werden können“. Er erklärt, dass es in Ecos Werken zahlreiche literarische Anspielungen auf Romane oder historische Werke gibt. Deshalb untersucht er die Intertextualität. Diese befasst sich mit der bewussten Verwendung von Zitaten und Anspielungen in Romanen. „Durch die Intertextualität bekommt ein Roman eine neue Bedeutung“, erklärt Stauder. Wichtig dafür sei eine gewisse literarische Vorbildung, um diese Verweise auch in einem Werk zu erkennen. Als Beispiel nennt Stauder eine Anspielung in
Ecos Roman „Der Name der Rose“auf Alessandro Manzonis Roman „I promessi sposi“(dt. „Die Brautleute“), der in Italien als literarisches Nationaldenkmal gilt.
Bei Manzoni geht es um die Bezüge zwischen dem 17. Jahrhundert und seiner Gegenwart, dem 19. Jahrhundert. Bei Eco um den Bezug zwischen dem Mittelalter, in dem sein Roman spielt und seiner eigenen Gegenwart. Durch die Anspielung auf Manzonis Roman und der damit verbundenen Struktur gibt Eco seinem Roman eine neue Bedeutung. Solche Phänomene sind für Stauder ein interessanter Forschungsaspekt der Intertextualität, da das Zitat oder die Anspielung umfunktionalisiert wird und eine weitere Bedeutung erfährt. Erinnerungen an Umberto Eco
Er erinnert sich noch gut an seine erste Begegnung mit dem Autor. „Eco war bereits zum damaligen Zeitpunkt nach seinem ersten Roman eine berühmte Persönlichkeit. Ich war sehr beeindruckt von seinem lockeren Umgang und dem angenehmen Gespräch über seinen Roman ,Das Foucaultsche Pendel‘. Er hat sich wirklich Zeit genommen“, erzählt Stauder. Er wird sich weiterhin mit Umberto Eco in seiner Forschung beschäftigen und bei jeder Wiederlektüre seiner Werke auf etwas Neues und Interessantes stoßen. Neben seinen Werken wird ihm der Mensch Umberto Eco als eine beeindruckende Person mit enzyklopädischem Wissen und einem humorvollen Charakter immer in Erinnerung bleiben.
Nachdem 2007 bereits eine japanische Ausgabe von Stauders Eco-gesprächen erschienen war, ist für Herbst 2021 nun eine italienische Buchausgabe dieser Gespräche angekündigt, passenderweise in dem von Umberto Eco kurz vor seinem Tod gegründeten Mailänder Verlag „La nave di Teseo“. bb
Inklusion ist ein Menschenrecht – jeder soll dazugehören. Dass Menschen mit Behinderung Menschen wie alle anderen sind und entsprechende Rechte haben, ist eine Auffassung, die in der europäischen Gegenwart keineswegs selbstverständlich ist, vor allem wenn in die Geschichte des 20. Jahrhunderts geblickt wird, in dessen dunkelsten Kapiteln Menschen mit Behinderung oder besonderen Bedürfnissen eingesperrt, gar ermordet wurden. In einem Projektseminar widmeten sich 26 Studierende der Universitäten Augsburg, Cernivci (Ukraine) und der Hochschule Kempten der Gegenwart und Geschichte des gesellschaftlichen Umgangs mit Behinderung. In internationalen Kleingruppen recherchierten sie, was Inklusion in Ukraine und Deutschland heutzutage heißt, wie sie gelebt wird und welche länderspezifischen Unterschiede es gibt. Sie untersuchten Inklusion in Schule und Gesellschaft, Inklusion von älteren Menschen und von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen. Inklusion beziehungsweise der Umgang mit Behinderung wurde auch aus geschichtswissenschaftlichem Blickwinkel und als Folge des Krieges betrachtet. Wie die aktuelle Covid-19-pandemie das Leben von Menschen mit Behinderungen beeinflusst, ist ein weiteres Thema des Projekts. Die Studierenden interviewten Betroffene, Forschende, Angehörige und Personen des öffentlichen Lebens, arbeiteten aber auch mit archivarischem Material.
Ergebnis des Projekts ist die umfangreiche Website „Inklusion – Inklusija“, die den
Beginn eines weitergehenden Austauschs und Forschungsprogramms werden soll. Besucherinnen und Besucher können online einen vertieften Einblick rund um das Thema Inklusion und den Umgang mit Behinderung gewinnen: durch informative Texte, Gesprächsausschnitte mit Betroffenen oder wissenschaftliche Interviews, die als Video zur Verfügung stehen.
Die Projektleitung liegt bei Prof. Dr. Maren Röger, die mit dem Bukowina-institut an der Universität Augsburg, einem vom Bezirk Schwaben maßgeblich finanzierten Forschungsinstitut, enge Beziehungen in Forschung und gesellschaftlicher Arbeit in die Ukraine unterhält. ch »