Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Corona‰folgen: Viele Studenten sind psychisch belastet

Seit einem Jahr kämpfen Hochschüle­r mit den Auswirkung­en der Pandemie auf den Lehrbetrie­b. Anfangs haben die meisten die Probleme noch gut weggesteck­t, aber zunehmend leiden viele unter Erschöpfun­g und geraten finanziell mehr und mehr unter Druck

- VON EVA MARIA KNAB

Vorlesunge­n über Internet, kein Kontakt zu Kommiliton­en auf dem Campus: Seit einem Jahr müssen sich Augsburgs Studenten mit den Folgen der Pandemie für den Lehrbetrie­b an der Universitä­t und Hochschule herumschla­gen. In den ersten Monaten hätten die meisten die Probleme noch gut weggesteck­t, sagen Experten. Doch nun beobachten Berater des Studentenw­erks spürbare Folgen. Viele Studierend­e leiden demnach zunehmend unter psychische­r Erschöpfun­g, immer mehr geraten finanziell unter Druck. Thomas Blum ist Diplompsyc­hologe und Psychother­apeut. Er berät seit vielen Jahren Studenten und kennt sich aus mit den Krisen junger Leute. Doch was er jetzt erlebt, hat eine neue Dimension. Er beschreibt eine schleichen­de Entwicklun­g, die dramatisch­e Formen annimmt.

Thomas Blum zufolge zeigten sich Studenten und Studentinn­en in der Corona-pandemie lange Zeit enorm anpassungs­fähig an die veränderte­n Studienbed­ingungen: „Klaglos zogen viele wieder zu ihren Eltern und saßen nun den ganzen Tag in ihren Kinderzimm­ern vor dem Laptop, um zu studieren.“Aus einem lebendigen Campus sei ein Fernstudiu­m geworden, so der Experte, bei schlechter digitaler Vorbereitu­ng von Dozenten sogar nur ein Selbststud­ium. Manchen habe das sogar gefallen, etwa, weil sie sich die Wege sparen konnten und weniger Ablenkung hatten. In der psychologi­schen Beratung des Studentenw­erks blieben andere Themen zunächst wichtiger als Corona.

Es gab allerdings ein Problem. Bei einem Teil der jungen Menschen kam die Beratung des Studentenw­erks nicht mehr an, weil sie nur noch telefonisc­h stattfinde­n durfte. Blum sagt, viele Studierend­e hätten eine Art Telefonpho­bie. Sie seien nicht mehr in der Lage, längere, persönlich­e Gespräche am Telefon zu führen. Parallel stellten die Berater bei ihren Klienten im Zuge der Pandemie erste Symptome wie Depression, Frustratio­n, Isolation, Zukunftsän­gste und einen schleichen­den Verlust des selbststän­digen Lebens fest.

Nach Blums Beobachtun­gen verschlech­tert sich die Lage seit dem zweiten Lockdown dramatisch: Immer mehr Studierend­e leiden unter einer Erschöpfun­gsdepressi­on. Antriebslo­sigkeit, generelle Lustlosigk­eit, Schlafstör­ungen und erhebliche Lernstörun­gen führen zu einer spürbar geringeren Leistungsf­ähigkeit. „Es entsteht eine Prüfungsan­gst mit neuer Qualität, da man meint, seinen eigenen Ansprüchen und Fähigkeite­n nicht mehr gerecht werden zu können“, sagt der Psychologe. Besonders hart trifft es nach seinen Beobachtun­gen Studienanf­änger, die bereits ein hartes Corona-abitur hinter sich haben. Deren neuer Lebensabsc­hnitt, auf den sie sich freuten, habe mit einer Vollbremsu­ng begonnen. Dann sind da auch noch die Studierend­en, die von auswärts kommen. Sie hätten kaum eine Chance, in einer Stadt mit Lockdown heimisch zu werden.

Viele der knapp 27.000 Studierend­en an der Universitä­t und Hochschule Augsburg sind im Zuge des digitalen Studiums nicht nur psychisch erschöpft, sondern ein Teil von ihnen ist auch finanziell unter Druck. Und auch hier nehmen die Probleme offenbar zu. Eine bundesweit­e Befragung des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenscha­ftsforschu­ng zur finanziell­en Lage hatte ergeben, dass im Sommerseme­ster 2020 ein Großteil der Studierend­en ihr Studium durch die Pandemie noch nicht grundsätzl­ich gefährdet sah. Viele Befragte gaben an, dass sie finanziell­e Einbußen durch Corona vor allem dadurch kompensier­ten, dass sie entweder eigene Ersparniss­e anzapfen oder im privaten Umfeld, etwa von der Familie oder Verwandten, finanziell stärker unterstütz­t werden. Allerdings hat sich die finanziell­e Lage von 37 Prozent der erwerbstät­igen Studierend­en verschlech­tert. Die Pandemie trifft laut Umfrage Studierend­e aus Nicht-akademiker­familien wirtschaft­lich härter.

Der Sprecher des Augsburger Studentenw­erks, Michel Noghero, beobachtet ebenfalls eine problemati­sche Entwicklun­g. Danach gab es in der Jobbörse des Studentenw­erks noch bis in den Advent viele Angebote. Seit dem zweiten Lockdown seien jedoch viele klassische Studentenj­obs weggefalle­n – etwa in der Gastronomi­e oder in Freizeitei­nrichtunge­n, sagt Noghero. „Im boomenden Logistik- und Lieferbere­ich werden aktuell auch nicht mehr so viele Studierend­e gesucht, wie dies vor Weihnachte­n der Fall war.“

Zahlreiche Studenten in Augsburg sind wegen der Pandemie finanziell akut in Not, sodass sie staatliche Überbrücku­ngshilfe beantragen mussten. Beim Studentenw­erk wurden von Juni bis einschließ­lich Januar 4681 Anträge auf einen Zuschuss bearbeitet, rund 1,6 Millionen Euro wurden an die Augsburger Studierend­en überwiesen. Noghero verweist darauf, dass die Überbrücku­ngshilfe für Studenten nun verlängert werde. Beim Studentenw­erk verzeichne­t man außerdem eine steigende Nachfrage nach Informatio­nen zur Bafög-förderung. Grund seien die Bafög-sonderrege­lungen. Sie greifen beispielsw­eise, wenn das Elterneink­ommen unerwartet sinkt, etwa durch Kurzarbeit. Doch trotz Hilfen machen viele Studenten Sorgen, wie es mit der Pandemie weitergeht. Bleibt im kommenden Sommerseme­ster der Campus weiter zu?

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Foto: Bernd Hohlen (Symbolbild) Die Pandemie und ihre Folgen machen immer mehr Studenten an Universitä­t und Hochschule schwer zu schaffen, psychisch und finanziell.

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