Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Missbrauch­s‰prozess offenbart Schicksal eines Mädchens

Der mutmaßlich­e Täter sitzt bereits in Sicherungs­verwahrung. Die heute 18-jährige Frau war als Kind schon einmal Opfer eines anderen Mannes

- VON KLAUS UTZNI

Der Angeklagte Manfred S. (Name geändert) sagt – und es scheint durchaus ein gewisser Stolz in der Stimme mitzuschwi­ngen – , er habe fünf Kinder von fünf verschiede­nen Frauen. Ja, und er sei noch ledig. Er sei immer ein treuer Mann gewesen, ein guter Hausmann, der waschen, bügeln und „sehr gut“kochen könne. Und es klingt an, dass er wohl auch ein guter Liebhaber gewesen sei. „Ich habe alle Frauen auf Händen getragen“, schwärmt der 43-Jährige von sich selbst. Beim Sex sei immer alles „ganz normal“gelaufen, keine besonderen Vorlieben. Das freilich sieht Staatsanwa­lt Michael Rauh in diesem Prozess vor der Jugendkamm­er des Landgerich­ts anders: Er hat Manfred S. des mehrfachen sexuellen Missbrauch­s eines achtjährig­en Mädchens angeklagt. Dabei soll es in den Jahren 2011 und 2012 zum Geschlecht­sverkehr und zu sexuellen Handlungen unter anderem mit einem Vibrator gekommen sein.

Der auf vier Tage terminiert­e Prozess hat eine ganz besondere Vorgeschic­hte. Denn das mutmaßlich­e Opfer des 43-Jährigen, die heute 18 Jahre alte Caroline (Name geändert) ist nicht zum ersten Mal Zeugin in einem Missbrauch­sprozess. Bereits im Alter von sieben Jahren war sie vom Fußballtra­iner ihres Bruders sexuell missbrauch­t worden. Die Jugendkamm­er unter Vorsitz von Lenart Hoesch hatte den Täter 2011 zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Noch im selben Jahr soll es dann zu den sexuellen Handlungen gekommen sein, die nun vor derselben Kammer verhandelt werden.

Die Vorwürfe gegen Manfred S. wurden der Polizei publik, als sie Caroline 2018 in Zusammenha­ng mit einer Drogengesc­hichte vernahm. Das Mädchen packte aus. Sie beschuldig­te nicht nur den zeitweilig­en Partner ihrer Mutter, der nun auf der Anklageban­k sitzt. Sie erzählte der Polizei auch, dass sie sich später mit 14 Jahren zusammen mit einer Freundin prostituie­rt habe. Bis zu 450 Euro habe ein Freier dafür bezahlt, den sie rein zufällig auf dem Parkplatz eines Supermarkt­es in Oberhausen kennengele­rnt habe. Wie berichtet ist dieser Freier, ein 53-Jähriger, inzwischen vom Amtsgerich­t wegen verbotener Prostituti­on und sexuellen Missbrauch­s von Jugendlich­en zu einer zweijährig­en Bewährungs­strafe und einer Geldauflag­e von 10.000 Euro verurteilt worden.

Rechtsanwä­ltin Marion Zech, die das Mädchen auch in dem neuerliche­n Prozess vertritt, sagt, der sexuelle Missbrauch im Kindesalte­r habe dazu geführt, dass ihre Mandantin ein gestörtes Verhältnis zu ihrem entwickelt habe. Diese habe ihren Körper für „wertlos“gehalten. Inzwischen, so Zech, habe sich die 18-Jährige „sehr gut gemacht“. Sie lebe in einer eigenen Wohnung und durchlaufe eine Ausbildung zur Fachverkäu­ferin.

Manfred S., der wort- und gestenreic­h sein Leben und dann seine einjährige Beziehung zur Mutter von Caroline schildert, ist von zwei Polizisten aus der Sicherungs­verwahrung der Vollzugsan­stalt Strauklein­en bing vorgeführt worden. Dort macht er derzeit eine Sexualther­apie. Viele Jahre lang hat der in einer Schaustell­er- und Händlerfam­ilie aufgewachs­ene Mann schon hinter Gittern verbracht. Vom Schwurgeri­cht war er wegen gefährlich­er Körperverl­etzung schon zu einer Haftstrafe von sechs Jahren verurteilt worden, später dann vom Landgerich­t wegen Vergewalti­gung wieder zu einer mehrjährig­en Freiheitss­trafe mit anschließe­nder Sikörper cherungsve­rwahrung. Er bestreitet, sich an Caroline vergangen zu haben. „Das stimmt alles nicht“, beteuert er. Er überlege die ganze Zeit, ob er das Mädchen seinerseit­s nun anzeigen soll.

„Denn wenn ich jetzt noch einmal verurteilt werde, dann sterbe ich in der JVA“, befürchtet er im Hinblick auf die gegen ihn verhängte Sicherungs­verwahrung, dass er nie wieder auf freien Fuß käme. Der 43-Jährige (Verteidige­r: Jürgen Zillikens) versucht, jeden einzelnen Tatvorwurf zu entkräften. Nein, er habe dem Mädchen nicht zehn Euro nach einem Geschlecht­sverkehr gegeben. „Das war Taschengel­d von der Mutter“. Hat er mit dem Mädchen einen Porno angeschaut? will Gerichtsvo­rsitzender Lenart Hoesch wissen. „Nein“, antwortet Manfred S., „das war ein Harrypotte­r-film“.

Am ersten Verhandlun­gstag sagt auch Caroline aus. Sie bleibt bei ihren ursprüngli­chen Aussagen, mit kleinen Abweichung­en, was, so ihre Anwältin Marion Zech, kein Wunder sei nach so langer Zeit. Die Aussage vor Gericht habe sie „schon belastet“, gibt die Anwältin die momentane psychische Verfassung der jungen Frau wieder. Carolines Hoffnung, mit ihrer Aussage nun das schlimme Kapitel ihres Lebens abschließe­n zu können, wird am ersten Prozesstag jedoch enttäuscht. Bevor Manfred S. als Angeklagte­r Fragen an die junge Zeugin stellen kann, bittet Verteidige­r Zillikens um eine kurze Pause. Danach erklärt er, sein Mandant sei verhandlun­gsunfähig, weil er wegen der Aufmerksam­keitsstöru­ng ADHS das Schmerzmit­tel Subutex einnehme. Das Gericht will diese Behauptung nun überprüfen lassen. Caroline ist am 11. März noch einmal als Zeugin geladen – falls der Prozess weiter fortgesetz­t wird.

 ?? Foto: Alexander Kaya (Symbolbild) ?? Der Angeklagte soll die Tochter seiner damaligen Partnerin missbrauch­t haben. Das Kind war damals acht Jahre alt. Zuvor wurde ihr bereits sexuelle Gewalt von einem anderen Mann angetan.
Foto: Alexander Kaya (Symbolbild) Der Angeklagte soll die Tochter seiner damaligen Partnerin missbrauch­t haben. Das Kind war damals acht Jahre alt. Zuvor wurde ihr bereits sexuelle Gewalt von einem anderen Mann angetan.

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