Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die „Bierbrauer­ei zum hohen Meer“

Geschichte Das heute sanierungs­bedürftige Haus wurde erstmals anno 1532 als „Zapfenwirt“erwähnt. Der Brauerei-gasthof florierte jahrhunder­telang unter wechselnde­n Besitzern. Leopold Mozart wurde 1719 im Nachbarhau­s geboren

- VON FRANZ HÄUSSLER

„Wird das Hohe Meer zum Mozarthote­l?“So lautete im August 2008 eine Zeitungsüb­erschrift. Aus der leer stehenden einstigen Gaststätte „Hohes Meer“, Frauentors­traße 32, solle ein Hotel mit 24 Zimmern werden, kündigte damals ein Investor an. Daraus wurde bislang nichts. Inzwischen hat das markante Gebäude mehrmals den Besitzer gewechselt.

An der Fassade stand zeitweise ein Baugerüst. Es schien sich an und in dem Gebäude etwas zu tun. Eines Tages war das vergoldete Relief mit der Darstellun­g des „Wunderbarl­ichen Guts von Heilig Kreuz“verschwund­en. Über den Verbleib ist bislang nichts bekannt. Die an einen Bienenkorb erinnernde große Plastik prägte die Fassade am „Hohen Meer“.

Schon vor fast 500 Jahren ist der ungewöhnli­che Name nachweisba­r. 2008 wurde ein neuer Name vorgeschla­gen: „Mozart-hotel“solle das „Hohe Meer“nach dem Umbau heißen. Die Idee dafür lieferte das Nachbargeb­äude. Darin wurde Leopold Mozart geboren: Es ist das „Leopold-mozart-haus“, Augsburgs Mozart-gedenkstät­te. Corona-bedingt ist es derzeit nur digital zu besuchen.

Seit 1858 erinnert an dem Haus eine Tafel daran, dass darin am 14. November 1719 Leopold Mozart, der Vater von Wolfgang Amadeus Mozart, zur Welt kam. Bei Leopolds Geburt gab es die benachbart­e „Wirtschaft zum hohen Meer“schon rund 200 Jahre. Anno 1532 ist sie unter den „Zapfenwirt­en“erwähnt. So wurden Gasthäuser bezeichnet, die nicht selbst brauten, sondern von einer Brauerei mit Fassbier beliefert wurden.

1591 kaufte ein Hans Gunggeler die Wirtschaft. Dessen Sohn wollte die Wirtschaft in eine Brauerei umwandeln. Doch dafür erteilte die Reichsstad­t zum Schutz der vielen bereits bestehende­n Bierbrauer­eien keine Gewerbeliz­enz. Es gab jedoch eine legale Möglichkei­t zur Neugründun­g einer Brauerei: die Übertragun­g einer „Braugerech­tigkeit“. Der Jungbrauer kaufte also 1606 eine Brauerei an der Georgenstr­aße, legte sie still und übertrug das Braurecht auf den „Gasthof zum hohen Meer“.

Der Brauerei-gasthof florierte jahrhunder­telang unter wechselnde­n Besitzern. Er verfügte über Gästezimme­r und über Ställe für die Kutschenpf­erde von Reisenden. Im Jahr 1887 übernahm die „Aktienbrau­erei Augsburg vormals J. M. Vogtherr“Gasthof und Brauerei. Eine Modernisie­rung folgte. 1903 heißt es dazu: „Diese alte Brauerei ist nun fast ganz in einen modernen Bierpalast umgewandel­t. Neben einer hübschen vergoldete­n Darstellun­g des Wunderbarl­ichen Gutes von Hl. Kreuz zierte sie auch noch bis vor ihrer gänzlichen Modernisie­rung ein sehr hübsches Schild mit einem Schiff auf stürmische­m Meer.“Eine anno 1900 versandte Bildpostka­rte dokumentie­rt die neue Bierhalle.

1924 wurde die Aktienbrau­erei Augsburg ein Opfer des grassieren­den Brauereien-sterbens. Sie hatte neben dem „Hohen Meer“weitere acht kleinere Brauereien „geschluckt“, als diese in der Wirtschaft­skrise 1924 mit der Hasenbräu AG fusioniere­n musste. Das hieß: Sämtliche Immobilien gingen in Hasen-bräu-besitz über. Dazu zählte die „Brauerei zum hohen Meer“. Hasen-bräu legte sie still.

In der hohen Bierhalle wurde nach dem Zweiten Weltkrieg eine Zwischende­cke eingezogen. Aus der Halle wurden zwei Gaststuben. Darin trugen in den 1970er-jahren sonderlich­e Dekoration­en dem „Hohen Meer“Rechnung: Von der Decke hingen Netze, ein Anker und ein Steuerrad. Ein an die Wand gemalter Großsegler sollte einen weiteren Bezug zum ungewöhnli­chen Gaststätte­n-namen herstellen.

Leopold Mozarts bescheiden­em Geburtshau­s neben dem „Hohen

Meer“war ein erfreulich­eres Schicksal beschieden als dem Brauerei-gasthof. Die Aktienbrau­erei hatte um 1920 das „Mozarthaus“erworben. Bei der Fusion mit Hasenbräu 1924 ging es zusammen mit dem „Hohen Meer“im Immobilien­bestand von Hasen-bräu auf. Augsburgs größte Brau-ag betrieb Kulturspon­soring: Am 26. Juni 1937 konnte im „Mozarthaus“ein Gedenkraum eröffnet werden. 1939 schenkte Hasen-bräu das historisch­e Gebäude anlässlich des 350-jährigen Brauereiju­biläums der Stadt Augsburg.

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Fotos: Sammlung Häußler Das Hohe Meer an der Frauentors­traße um 1930. Das Mozarthaus rechts, mit Flacherker, schmiegt sich scheinbar an den mächtigen Bau.
 ??  ?? Werbung für die Bierhalle zum hohen Meer im Adressbuch für 1902.
Werbung für die Bierhalle zum hohen Meer im Adressbuch für 1902.
 ??  ?? So sah die Bierhalle zum hohen Meer auf einer im Jahr 1900 versandten Postkarte aus.
So sah die Bierhalle zum hohen Meer auf einer im Jahr 1900 versandten Postkarte aus.
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Dieses vergoldete Relief ist von der Fas‰ sade des Hohen Meers verschwund­en.

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