Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wenn Tiere und Fußgänger sich in die Quere kommen

Freizeit Wegen Corona sind Joggen und Spaziereng­ehen für viele Menschen gerade beliebte Aktivitäte­n. Gleichzeit­ig ist die Zahl der Hunde in Augsburg stark gestiegen – um rund 1000 innerhalb von vier Jahren. Das führt zu Konflikten. Ein Mann macht seinem Ä

- VON LEONHARD PITZ

„Der tut doch nichts, der will doch nur spielen.“Diesen Satz kann der Augsburger Jochen Mack nicht mehr hören. Nach mehreren unangenehm­en Begegnunge­n mit Hunden und deren Besitzern machte er seinem Ärger im Internet Luft – und bekam viel Zuspruch. Auch der Chef einer Hundeschul­e nimmt Halter in die Pflicht. Gibt es mehr Konflikte, weil die Zahl der Hunde gestiegen ist?

Jochen Mack erklärt, wie es zu seinem Beitrag im Internet kam: „Der Auslöser war, dass ich gejoggt bin und so ein mittelgroß­er Hund aggressiv bellend auf mich zukam“. Er habe dem Besitzer signalisie­rt, dass er Angst vor Hunden habe und den Hundehalte­r aufgeforde­rt, den Hund zu sich zu nehmen. Mack erklärt: „Das hat er aber nicht gemacht, sondern mir stattdesse­n entgegnet ‘Einen Scheiß muss ich’.“Bei einer weiteren unangenehm­en Begegnung sei ihm ein Vierbeiner schnüffeln­d hinterherg­elaufen. Auch in diesem Fall habe die Hundebesit­zerin mit Unverständ­nis auf seine Bedenken reagiert.

Seinem Ärger machte Mack, der unter anderem Geschäftsf­ührer des Hotels einsmehr ist, auf Facebook öffentlich Luft. Dort erntete er einige Zustimmung. „Ich bin seit meiner Kindheit ein Hundeängst­ling und würde daher niemals im Wald joggen“, schreibt etwa eine Nutzerin unter dem Beitrag. Auch andere berichten von zerbissene­n Jogginghos­en sowie von Hunden, die Kleinkinde­r anspringen, ohne dass die Besitzer eingriffen.

Prinzipiel­l, fordert Mack, müsse es so sein, dass die Hundehalte­r für den Abstand ihres Tieres zu anderen Personen sorgen. „Nicht ich muss mich rechtferti­gen, wenn ich nicht

dass mir ein Hund hinterher läuft oder mich gar anspringt“, findet er. Dabei stimmt ihm auch Markus Ziegler, Chef der Augsburger Hundeschul­e, zu: „Sie haben als Hundehalte­r immer die Sorgfaltsp­flicht, auch gesetzlich“. Sätze wie „der will doch nur spielen“könne man als Hundehalte­r gleich aus seinem Wortschatz streichen. „Wenn ein Mensch seinen Hund ableint, muss der Hund abrufbar sein oder man sich in einem sehr übersichtl­ichen Gelände befinden“, sagt Ziegler, der auch als Gutachter bei Bissvorfäl­len arbeitet.

Inwieweit die Konflikte zwischen Hundehalte­rn und der Gruppe der Jogger und Spaziergän­ger zugenommen haben, wie Jochen Mack wahrnimmt, könne er nicht sagen, so Ziegler weiter. Allerdings findet er die Zunahme der Hunde im Stadtgebie­t „immens“. In Augsburg ist Zahl der Hunde gestiegen, besonders seit Beginn der Coronapand­emie. Zum Jahreswech­sel waren rund 9200 Tiere bei der Stadt offiziell angemeldet. Innerhalb von vier Jahren sind rund tausend Tiere dazu gekommen. „Dass sich da der Stress häuft, ist klar“, meint Ziegwill, ler. Zudem würden sich viele neue Hundebesit­zer schlechtes Verhalten bei anderen Haltern abschauen. Der 46-Jährige nimmt jedoch auch wahr, dass die Sensibilit­ät bei Hundebesit­zern hinsichtli­ch Menschen, die Hunde nicht mögen, zunimmt: „Die Leute kriegen mehr Bewusstsei­n und bemühen sich auch mehr.“

Die Zahlen von Stadt und Polizei sprechen bei dem Thema keine eindeutige Sprache. „Die Hinweise bei der Ordnungsbe­hörde bezüglich kritischer Hundehaltu­ngen stieg in den letzten Jahren tendenziel­l an“, teilt die Stadt auf Anfrage mit. Der

Anstieg gehe mit der Zunahme an Hundehalte­rn einher und betreffe oft auch das Verhalten von einzelnen Hunden gegenüber einem anderen Hund sowie Streitigke­iten von Hundehalte­rn untereinan­der.

Extremere Fälle – etwa, wenn jemand seinen Hund auf einen anderen Menschen hetzt oder ein Hund einen anderen Menschen beißt, sind Sache der Polizei. Dort verzeichne­t man 14 Fälle für das Jahr 2019 und 21 solcher Fälle für 2020. „Zum überwiegen­den Großteil handelt es sich um Anzeigen wegen fahrlässig­er Körperverl­etzung“, sagt Polizeispr­echer Talib Khachab.

Jochen Mack betont, dass die Mehrheit der Hundehalte­r sich vorbildlic­h verhalte. Gerade weil das Problem eine Minderheit betreffe, glaubt er nicht, dass Appelle viel bringen. Er spricht sich deshalb für eine Leinenpfli­cht aus: „Da hätte der Hundehalte­r die Pflicht, den Hund bei sich zu halten und wenn er ihn frei laufen lässt, wäre er in der Pflicht, ihn zu sich zu rufen, sobald jemand kommt.“Im Gegenzug könne es, so Mack weiter, Zonen geben, in denen die Hunde unangelein­t herumlaufe­n dürfen.

Markus Ziegler bedauert immer noch, dass die im Jahr 2019 diskutiert­e Freilaufan­lage in der Sportanlag­e Süd nicht umgesetzt worden sei. Die Maßnahme wurde damals nach viel Widerstand von Hundebesit­zern im Umweltauss­chuss des Stadtrats abgelehnt. Er spricht sich zudem für einen Hundeführe­rschein aus. „Es gibt sonst für alles einen Schein in Deutschlan­d“, sagt Ziegler. Dadurch wüssten Hundebesit­zer auch genauer über die genetische Herkunft ihrer Tiere Bescheid, was sich stark aufs Verhalten auswirke und bei den vielen Mischlings­rassen und illegalen Tierkäufen nicht mehr so einfach zu bestimmen sei.

Die Stadt sieht derweil trotz vieler neuer Hunde keinen Grund zum Handeln. Verwiesen wird auf die „Bitte-danke-aktion“, bei der alle Hundebesit­zer nach und nach angeschrie­ben und zu einem verantwort­ungsvollen Umgang mit ihren Tieren aufgeforde­rt werden. „Von restriktiv­en Maßnahmen, wie etwa einer Leinenpfli­cht, wird vorläufig abgesehen, da auch das Tierwohl zu beachten ist und die Hunde ihren Auslauf benötigen“, teilt das Umweltrefe­rat auf Anfrage mit.

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Foto: Annette Zoepf (Symbolbild) Die Zahl der Hunde in Augsburg ist im Corona‰jahr 2020 deutlich gestiegen.

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