Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Wir erschaffen völlig neue Dinge“

Im Freistaat haben sich Forscher zusammenge­schlossen, um die Quantentec­hnologie noch stärker voranzutre­iben. Aber was sind eigentlich Quanten? Fest steht: Sie können die Zukunft revolution­ieren

- VON MARIA HEINRICH

München Das Silicon Valley in Kalifornie­n gilt als wichtigste­r Standort für neue Technologi­en und Innovation auf der Welt. Es ist die Heimat zahlreiche­r Start-up-firmen und It-unternehme­n, zu den prominente­sten Vertretern gehören etwa Apple, Facebook und Google. Doch wenn es nach bayerische­n Wissenscha­ftlern geht, soll der amerikanis­che Standort ab sofort ernst zu nehmende Konkurrenz bekommen. Und zwar aus München. Dort haben sich Universitä­ten und Forschungs­einrichtun­gen zu einer Initiative zusammenge­schlossen, die sich Munich Quantum Valley (MQV) nennt. Ihr Ziel: einen eigenen Quantencom­puter entwickeln und ein weltweit führendes Quantentec­hnologie-zentrum in Bayern aufbauen.

Die Mqv-initiative gegründet haben die Bayerische Akademie der Wissenscha­ften, die Fraunhofer-gesellscha­ft, die Ludwig-maximilian­s-universitä­t München, die Maxplanck-gesellscha­ft und die Technische Universitä­t München. Der bayerische Wissenscha­ftsministe­r Bernd Sibler (CSU) spricht auch von den „Big Five der Quantensze­ne“, sozusagen den fünf größten Akteuren, die sich zusammenge­tan haben, um Quantenwis­senschafte­n weiter auszubauen. Doch wozu ist das alles gut? Was hat man überhaupt davon? Und was sind eigentlich Quanten?

Antworten auf diese Fragen kann Professor Immanuel Bloch geben. Er ist Direktor des Max-planck-instituts für Quantenopt­ik in Garching: „Einfach erklärt wollen wir versuchen, diese verrückte Welt der Quantenmec­hanik auszunutze­n, um damit ganz neue Dinge zu erschaffen, die vorher in der klassische­n Welt nicht existiert haben.“Allem zugrunde liegt das sogenannte Quant – „die kleinste diskrete Einheit für Materie, Energie oder Licht“, erklärt Bloch. Auf dieser Einheit baut die sogenannte Quantenphy­sik auf – eine Theorie, auf der, wie der Münchner Forscher erläutert, alle Vorgänge unserer Welt beruhen und in der Wissenscha­ftler besondere Eigenschaf­ten erkennen können. „Wir Quantenfor­scher wollen herausfind­en, wo und wie wir die Prinzipien dieser Theorie einsetzen und damit neue technische Möglichkei­ten schaffen können.“

Der Physiker zählt eine Reihe an Bereichen und Beispielen für solche Innovation­en auf: „Man denke zum Beispiel an Quantencom­puter, die ganz neue Rechenoper­ationen möglich machen könnten. Oder die Quantenkom­munikation, die eine absolut sichere, abhörfreie Kommunikat­ionsmethod­e erlauben könnte.“Dann gebe es außerdem die Quantenmet­rologie, sagt Bloch. Das ist ein Bereich, der neue Sensoren entwickelt, die zum Beispiel mikroskopi­sche Proben messen, Spurengase in der Luft ermitteln können oder genaueste Zeitmessun­gen erlauben. Und auch in der Materialwi­ssenschaft verspreche­n sich Wissenscha­ftler viel von der Quantentec­hnologie: Sie erforschen, wie Materialie­n verändert werden können, damit sie bestimmte Eigenschaf­ten erhalten, oder wie gänzlich neue Moleküle designt werden können. „Das klingt manchmal verrückt, aber man kann damit wirklich tolle Sachen machen“, sagt Bloch.

Bei allem Enthusiasm­us ist es allerdings noch ein langer Weg, bis solche Produkte tatsächlic­h existieren. „Im Bereich Grundlagen­forschung passiert schon ziemlich viel“, sagt der Physiker. „Aber das Ziel der Munich-quantum-valleyinit­iative ist es jetzt, den Fokus noch viel stärker auf die Anwendung zu richten und Kräfte aus Industrie und Forschung zu bündeln.“Doch nicht nur Produkte und Technologi­en wollen die Wissenscha­ftler entwickeln. Sie erhoffen sich darüber hinaus, sich mit ihrer Initiative gegenüber der internatio­nalen Konkurrenz abzuheben. „Von China bis Amerika sind Top-leute am Werk, aber wir brauchen uns in Bayern wirklich nicht zu verstecken.“

Das kommt insbesonde­re bei der Bayerische­n Staatsregi­erung gut an, etwa bei Wissenscha­ftsministe­r Bernd Sibler. „Für mich ist die Quantentec­hnik ebenso wie die Künstliche Intelligen­z eine der zentralen Schlüsselt­echnologie­n“, sagt er. „Sie ist von größter Bedeutung für den Wissenscha­fts- und Wirtschaft­sstandort Bayern. Deshalb müssen wir die Nase vorne haben.“Der Rückhalt der Staatsregi­erung ist so groß, dass der Freistaat das Quantum Valley mit einer großen Summe fördern wird. Er stellt voraussich­tlich insgesamt 300 Millionen Euro zur Verfügung, davon 120 Millionen Euro bereits in den Jahren 2021 und 2022.

Die Förderung soll jedoch nicht nur nach München fließen, sondern nach ganz Bayern, so Immanuel Bloch. „Es steht zwar München im Namen vorne drin, aber es ist bewusst eine bayerisch gedachte Initiative mit vielen weiteren Standorten in Bayern, die genauso wichtig sind.“Darunter zum Beispiel Erlangen und Nürnberg, Würzburg, Augsburg und Regensburg. „Im Namen der Initiative steckt überhaupt viel drin“, so Bloch weiter. „Er bringt einfach zum Ausdruck, dass hier eine hohe Konzentrat­ion von Experten, Firmen und Startups zusammenar­beitet, die die Quantentec­hnologie massiv nach vorne bringen will. Ganz so wie im Silicon Valley in Kalifornie­n.“

 ?? Foto: Sebastian Blatt, MPQ ?? Das Bild zeigt einen optischen Resonator, in dem Wissenscha­ftler einzelne Atome fangen und kontrollie­ren können. Sie bilden das Herzstück eines Quantensim­ulators – eine spezielle Art des Quantencom­puters.
Foto: Sebastian Blatt, MPQ Das Bild zeigt einen optischen Resonator, in dem Wissenscha­ftler einzelne Atome fangen und kontrollie­ren können. Sie bilden das Herzstück eines Quantensim­ulators – eine spezielle Art des Quantencom­puters.
 ??  ?? Immanuel Bloch
Immanuel Bloch

Newspapers in German

Newspapers from Germany