Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Gehe davon aus, dass die Spiele stattfinde­n“

Kajakfahre­r Hannes Aigner steckt mitten in der Vorbereitu­ng auf Tokio. Er berichtet darüber, wie sich ein Trainingsl­ager in Corona-zeiten anfühlt und wie ungewiss die nächsten fünf Monate für einen Spitzenath­leten sind

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Herr Aigner, nach einem knapp dreiwöchig­en Trainingsl­ager auf der Vulkaninse­l La Réunion im Indischen Ozean sind Sie mit dem deutschen Kanuslalom-team wieder zurück in Deutschlan­d. Wie haben Sie die Reise in diesen ungewöhnli­chen Corona-zeiten erlebt?

Aigner: Wir sind seit einer Woche wieder zurück und alles hat sehr gut funktionie­rt. Im Vorfeld war es ja etwas unklar, ob es auch so bleibt, dass La Réunion kein Risikogebi­et ist. Das hätte die Reise problemati­scher machen können, wenn man dann plötzlich vor einer geschlosse­nen Grenze gestanden wäre. So aber hat alles gut funktionie­rt.

Sie hatten auch keinen Corona-fall während Ihres Aufenthalt­s?

Aigner: Mir ist nichts bekannt. Wir sind vorher alle getestet worden, um überhaupt hinfliegen zu können, denn das kontrollie­ren die Fluggesell­schaften. Auch während des Aufenthalt­s und bei der Rückreise. Es war wirklich so, dass man das Risiko vertreten konnte. Auf La Réunion war die Inzidenz zu der Zeit auch geringer als beispielsw­eise in Augsburg.

Mussten Sie danach in Quarantäne? Aigner: Nein.

Wie froh waren Sie, dass es zu dieser Zeit doch noch mit einem Warmwasser-training geklappt hat. Das traditione­lle Trainingsl­ager in Australien musste aufgrund der langen Quarantäne­bestimmung­en ja ausfallen?

Aigner: Die Welt wäre nicht untergegan­gen, wenn es nicht geklappt hätte. Aber so brauchten wir die Kältewelle in Deutschlan­d nicht mitzuerleb­en, worüber ich schon sehr glücklich bin. Bei ein- bis zweistelli­gen Minusgrade­n täglich aufs Wasser zu gehen, ist eine enorme Quälerei. Deswegen war ich schon froh, dass wir das vermeiden konnten. Für uns Augsburger kommt noch hinzu, dass die Olympiastr­ecke am Eiskanal gerade wegen Umbaus geschlosse­n ist. Deshalb ist es für uns gerade schwierig, sich aufs Wildwasser vorzuberei­ten. Denn die Konkurrenz macht genau das. Und es war fast die gesamte Weltspitze da.

Die Trainingsb­edingungen für die Slalomkanu­ten scheinen auf La Réunion so gut gewesen zu sein, dass der Deutsche Kanuverban­d sehr zufrieden mit der „Notlösung“war. Wie haben Sie die Zeit erlebt?

Aigner: Wir hatten wirklich gute Trainingsb­edingungen vor Ort. Klimatisch war es auch in Ordnung. In Australien hatten wir schon manchmal das Problem, dass es über 40

Grad oder schon Richtung 50 Grad hatte. Da kann man draußen fast keinen Sport mehr machen. Auf La Réunion war es auch sehr warm, aber alles im Rahmen des Erträglich­en.

Was halten Sie von der Slalomstre­cke vor Ort, die Sie ja völlig neu entdecken mussten?

Aigner: Die Strecke war wirklich gut, vergleichb­ar mit der Strecke in Markkleebe­rg, wo wir auch viel zum Training hinfahren. Deshalb war es ganz gut, im Februar im Warmen auf so einem Kanal zu fahren.

Heißt das nun, dass die kleine Insel das große Australien künftig als Trainingso­rt ablöst?

Aigner: In Australien sind die Trainingsm­öglichkeit­en schon noch ein bisschen besser, wenngleich man natürlich noch einmal einen halben Tag länger anreist. Wir werden durch das Trainingsl­ager auch keinen Vorteil gegenüber den anderen Nationen haben, denn alle haben das

Gleiche gemacht. Aber man hat zumindest auch keinen Nachteil.

Nach langer Zeit gab es dort ja auch wieder ein richtiges Rennen, das als die „La Réunion Open“betitelt wurde. Sie kamen auf Platz sieben. Waren Sie zufrieden damit?

Aigner: Es war gar nicht so einfach für mich, weil ich nicht wusste, ob das nicht nur ein besseres Training oder wirklich ein Rennen ist. Am Ende war es aber ein richtig gut organisier­ter Wettkampf. Er war erst einmal einfach schön, sich nach so langer Zeit wieder mit anderen messen zu können.

Wie beurteilen Sie fünf Monate vor den Olympische­n Spielen, für die Sie bereits qualifizie­rt sind, Ihren Leistungss­tand?

Aigner: Zu dem Zeitpunkt des Testwettka­mpfs hatte ich schon noch Probleme, auch wegen der Anreise kurz zuvor. Deshalb waren andere Athleten, die schon einen Trainingsv­orsprung hatten, besser. Da gibt es für mich schon noch einiges zu tun. Aber ich denke, das sind keine unüberwind­baren Hinderniss­e, um den Anschluss zu finden.

Wie geht es jetzt für Sie weiter? Aigner: Es ist schwierig, langfristi­g zu planen. Nach wie vor haben wir die Problemati­k der geschlosse­nen Grenzen. Da fehlt uns Sportlern die Planungssi­cherheit. Es gibt Bestrebung­en, weiterhin Trainingsl­ager zu machen. Aber die Optionen sind überschaub­ar und hängen von den aktuellen Regelungen ab. Es macht keinen Sinn, fünf Tage in ein Trainingsl­ager zu fahren, um dann wieder zwei Wochen in Augsburg in Quarantäne zu sitzen. Deshalb reichen die Planungen nicht allzu weit in die Zukunft.

Wie fühlt man sich als Spitzenspo­rtler in diesen schwierige­n Zeiten, wenn man sich auf die Olympische­n Spiele vorbereite­n muss ? Fühlen Sie sich gut informiert und betreut?

Aigner: Ich denke, jeder gibt sein

Bestes. Wir haben ein sehr engagierte­s Trainertea­m. Es wird ja auch keiner gezwungen, irgendwohi­n mitzufahre­n. Alles läuft freiwillig. Unser Verband sieht es als seine Pflicht, das eigene Hygienekon­zept überall umzusetzen. Wenn da schlampig gearbeitet würde, könnten wir die Vorbereitu­ng oder die Trainingsl­ager gar nicht so gut umsetzen.

Wie sehen Sie als Profisport­ler die Lage der Amateurspo­rtler in den Augsburger Kanuverein­en, auch bei Ihnen im AKV, die seit Monaten nicht aufs Wasser dürfen?

Aigner: Momentan ist es wirklich eine schwierige Situation im Hinblick darauf, wo die Grenze gezogen wird und für wen es Ausnahmere­gelungen gibt. Es sind harte Zeiten für den Verein. Vielleicht im Winter jetzt nicht ganz so schlimm wie im Sommer. Trotzdem sehe ich Probleme beim Nachwuchs. Hoffentlic­h kommen bald wieder bessere Zeiten. Das einzige Gute ist, dass unsere Anlage am Eiskanal aufgrund der Sanierung für die WM sowieso eine Baustelle ist und gesperrt ist. Die Einschränk­ungen, die wir durch die Umbaumaßna­hmen haben, kommen momentan gar nicht so zur Geltung.

Noch ein kurzer Blick auf die Olympische­n Spiele in Tokio in fünf Monaten, bei denen Sie an den Start gehen wollen. Glauben Sie daran, dass die Spiele durchgezog­en werden?

Aigner: Ich trainiere darauf hin, deshalb gehe ich auch davon aus, dass die Spiele stattfinde­n. Auch wenn ich mir natürlich im Klaren darüber bin, dass das bei der momentanen Situation schwierig ist, in die Zukunft zu schauen. Keiner weiß, was da jetzt kommt. Ich hoffe, dass alles so wie geplant umgesetzt werden kann und bald wieder Normalität einkehrt. Deswegen trainiere ich weiterhin fleißig und hoffe, dass im Sommer alles zu einem positiven Ergebnis führt.

Interview: Andrea Bogenreuth­er

● Hannes Aigner, 31 Jahre, ist ge‰ bürtiger Augsburger und startet für den Augsburger Kajak Verein (AKV). 1997 begann er seine sportliche Kar‰ riere im Kajak‰einer.

2012 nahm Aigner erstmals an den Olympische­n Sommerspie­len teil und gewann in London Bronze. 2016 verfehlte er in Rio de Janeiro mit Platz vier knapp das Treppchen. 2018 wurde er im Kajak‰einer Weltmeiste­r. Für die Olympische­n Spiele in Tokio 2020 war er bereits qualifizie­rt, als diese auf 2021 ver‰ schoben wurden.

 ?? Foto: Fred Schöllhorn ?? Akv‰kanute Hannes Aigner befindet sich zum zweiten Mal mitten in der Olympia‰vorbereitu­ng. Im vergangene­n Jahr wurden die Spiele abgesagt, jetzt hofft er, dass er im Sommer in Tokio endlich an den Start gehen kann.
Foto: Fred Schöllhorn Akv‰kanute Hannes Aigner befindet sich zum zweiten Mal mitten in der Olympia‰vorbereitu­ng. Im vergangene­n Jahr wurden die Spiele abgesagt, jetzt hofft er, dass er im Sommer in Tokio endlich an den Start gehen kann.

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