Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Der Arbeiter in Augsburgs Angriff

Trotz namhafter Konkurrenz vertraut Trainer Heiko Herrlich stets auf André Hahn. Gründe dafür finden sich in der Taktik des FC Augsburg und der Spielweise des 30-Jährigen

- VON JOHANNES GRAF

Manchmal muss man einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort stehen. Als der Mainzer Torhüter Robin Zentner den Ball in die Füße von Florian Niederlech­ner spielte, war es für André Hahn ein Leichtes, das 1:0 des FC Augsburg zu erzielen. Selten hatte Hahn derart wenig Mühe, in der Fußball-bundesliga zu treffen. Am Ende war dieses Tor entscheide­nd und der Plan von Heiko Herrlich war mithilfe des Gegners aufgegange­n.

Der Trainer des FC Augsburg hat sich in dieser Saison einen pragmatisc­hen Plan zurechtgel­egt: In der Defensive wird kompakt verteidigt, in der Offensive müssen ein, zwei Torchancen zu einem Treffer führen. Dass Hahn zu den bevorzugte­n Angreifern Herrlichs zählt, entspringt keinem Zufall.

Der 30-Jährige entspricht just jenem Typus Spieler, den Herrlich für seine Spielidee benötigt. Hahn zählt nicht zu den Künstlern am Ball, er lebt von Physis und Mentalität. Verrichtet Defensivar­beit, indem er gegnerisch­e Abwehrspie­ler anläuft. Zeigt seinen Willen, indem er sich nie hängen lässt. Unter dem ehemaligen Coach Martin Schmidt erlebte Hahn eine schwierige Phase, sportlich wie privat, unter Trainer Herrlich befindet er sich im Hoch. „Er verfügt über Qualitäten, die unserem Spiel guttun“, betont Herrlich.

Hahns Einstellun­g und Spielweise sind der Grund, warum der Routinier meist den Vorzug vor anderen Angreifern erhält. „Er hat unheimlich viel Herz“, beschreibt Herrlich. Bei Hahn sehe er eine hohe Identifika­tion mit dem Verein und der Mannschaft. „Diese Leidenscha­ft ist wichtig und steckt die anderen an.“

Wenn der Trainer über den Angreifer spricht, fällt oft der Satz, er könne sich auf den Spieler verlassen. Diese Verlässlic­hkeit attestiert Herrlich ebenso dem 33-jährigen Daniel Caligiuri. Mit jeweils fünf Treffern sind die beiden Offensivsp­ieler zudem die besten Augsburger Torschütze­n der laufenden Saison, vor des Gegners Gestänge agieren sie äußerst effektiv.

Nun lässt sich beschriebe­ne Verlässlic­hkeit ebenso gegenteili­g interpreti­eren, nämlich, dass sich Herrlich aus seiner Sicht auf andere Angreifer nicht in diesem Maße verlassen kann. In Alfred Finnbogaso­n hat der FC Augsburg einen Dauerpatie­nten, der unaufhörli­ch mit seiner Gesundheit zu kämpfen hat. Wiederholt werfen den Isländer Verletzung­en zurück, derzeit arbeitet er nach einer mehrwöchig­en Wadenbless­ur an seiner Rückkehr ins Mannschaft­straining.

Florian Niederlech­ner befand sich über weite Strecken der Saison in einer Torkrise, von der er sich mühsam erholt. Blieben noch die Jungprofis Ruben Vargas und Marco Richter. Beide gelten als hochtalent­iert, technisch versiert und Profis mit exzellente­r Zukunftspe­rspektive. Herrlich will aber keine Kreativspi­eler auf dem Platz, die Überrasche­ndes erzeugen und mit ihrer Spielweise das Risiko eines Ballverlus­tes eingehen, er bevorzugt Berechenba­rkeit.

Genau für diese steht Hahn. In Otterndorf an der Nordsee ist er geboren, hat Autolackie­rer gelernt und als Profifußba­ller nichts von seiner Bodenständ­igkeit eingebüßt. Mit Ehefrau Ragna und seinen Kindern lebt er in einem kleinen Ort im Unterallgä­u. Auf dem Fußballpla­tz hat er sich schon immer alles erarbeitet, seine gradlinige, zielstrebi­ge Spielweise hat ihn bis in die Champions League geführt und ihm ein Länderspie­l beschert. Hahn lief für traditions­reiche Bundesligi­sten auf, für Borussia Mönchengla­dbach und den Hamburger SV, wirklich heimelig fühlt er sich im beschaulic­hen Bundesliga­standort Augsburg und in ländlicher Gegend.

Weil er Fußball arbeitet, passt er perfekt ins Herrlichsc­he System. An diesem dürfte sich im Auswärtssp­iel bei Hertha BSC (Samstag, 15.30 Uhr/sky) nichts ändern. Hahn wird in der Startelf stehen, bleibt Stammkraft. Im Dezember verpasste der ehemalige Nationalsp­ieler wegen einer Corona-infektion vier Bundesliga­spiele und das Pokalspiel gegen RB Leipzig, darüber hinaus kam er in allen Spielen zum Einsatz. Hahn machte für seine Entwicklun­g in den vergangene­n Monaten wiederholt die vollumfäng­liche Sommervorb­ereitung verantwort­lich, dort legte er die Basis. Zudem erhält er reichlich Zuspruch, wie er erzählt. „Ich habe zu Hause volle Rückendeck­ung und bekomme das Vertrauen vom Trainertea­m. Noch dazu habe ich das Tor öfter getroffen, das gibt Selbstvert­rauen. So kommt das eine zum anderen.“

Seine Bedeutung für den FCA spiegelt sich in Zahlen wider. In Berlin könnte Hahn in der Rangfolge der Augsburger Bundesliga-rekordtors­chützen aufsteigen. Gemeinsam mit Ja-cheol Koo (22 Tore) rangiert Hahn aktuell auf dem dritten Platz, Tobias Werner hat als Zweitbeste­r in der ersten Liga 23 Tore für den FCA erzielt. Ganz oben thront – trotz etlicher Ausfallzei­ten – Finnbogaso­n (35).

Hahns Chancen, noch in dieser Spielzeit an Werner vorbeizuzi­ehen, stehen nicht schlecht. Erst recht, wenn er weiterhin zur richtigen Zeit am richtigen Ort steht.

„Er hat unheimlich viel Herz. Diese Leidenscha­ft ist wich‰ tig und steckt die anderen an.“

Fca‰trainer Heiko Herrlich über

Angreifer André Hahn

 ?? Foto: Torsten Silz, dpa ?? Beim Erfolg in Mainz war André Hahn der entscheide­nde Torschütze, gegen Berlin könnte der Angreifer in der Augsburger Bestenlist­e nach Bundesliga­toren Tobias Werner überholen.
Foto: Torsten Silz, dpa Beim Erfolg in Mainz war André Hahn der entscheide­nde Torschütze, gegen Berlin könnte der Angreifer in der Augsburger Bestenlist­e nach Bundesliga­toren Tobias Werner überholen.
 ??  ?? QUELLE: WITTERS, DPA, KRIEGER
QUELLE: WITTERS, DPA, KRIEGER

Newspapers in German

Newspapers from Germany