Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Stadt gibt Haus Marie an Eigentümer zurück
Das einstige Pflegeheim diente als Reserveunterkunft für den Fall eines Corona-ausbruchs. Es wäre auch eine andere Nutzung vorstellbar gewesen. Worüber sich die ehemaligen Gesellschafter noch immer streiten
Die Tage des ehemaligen Altenpflegeheims „Haus Marie“in der Jakobervorstadt als „Corona-reserve“sind gezählt. Nachdem die Stadt das Haus nach seiner Schließung im vergangenen Jahr angemietet hatte, gibt sie es jetzt an den neuen Eigentümer zurück. Das Gebäude soll abgerissen und durch Wohnbebauung ersetzt werden. Dass die Stadt das Haus das ganze Jahr über leer stehen ließ, stößt nicht überall auf Zustimmung.
Im Januar 2020 war die Pflegeeinrichtung für schwerst pflegebedürftige Menschen geschlossen worden. Über 20 Jahre lang hatte es als Heim für Senioren mit fortgeschrittener Demenz gedient. Differenzen zwischen den beiden Gesellschaftern der Betreiber-gmbh hatten zum Aus für das Haus Marie geführt. Ein Investor erwarb die Immobilie, um auf dem Grundstück Wohnungen zu bauen. Damit das Haus bis zu seinem Abriss nicht ungenutzt leer steht, mietete es die Stadt Anfang April 2020 für ein Jahr an, um es in der Corona-pandemie in der Hinterhand zu haben, wie es aus dem Sozialreferat heißt.
Das Haus kam in der Coronakrise nicht zum Einsatz, wie Sozialreferent Martin Schenkelberg bestätigt. „Dies ist der Tatsache geschuldet, dass wir als Stadt ebenso wie andere Träger an keiner Stelle ein Infektionsgeschehen hatten, das die Auslagerung ganzer sozialer Einrichtungen in eine externe Immobilie nötig gemacht hätte“, so der Referent. Dennoch sei festzuhalten, dass insbesondere in den Wintermonaten die Corona-situation so angespannt gewesen sei, dass man froh war, im Rahmen der Pandemievorsorge eine solche Immobilie für den Notfall in der „Hinterhand“gehabt zu haben.
Wie viel Geld die Stadt in dem Jahr für das Haus Marie bezahlt hat, will man im Sozialreferat nicht sagen. „Es wurde ein moderater Mietpreis für das Gebäude vereinbart. Einzelheiten zu dem privatwirtschaftlich geschlossenen Mietvertrag können nicht genannt werden“, heißt es von der Stadt.
Während des ersten und zweiten Lockdowns gab es durchaus Interesse an einer Nutzung des ehemaligen Pflegeheims. Die Drogenhilfe war zu Beginn der Pandemie mit dem damaligen Sozialreferenten Stefan Kiefer im Gespräch, ob dort nicht obdachlose Augsburger kurzfristig untergebracht werden könnten. Auch ein Umzug der Notschlafstelle in die Räume stand zur Debatte. Nach dem Referentenwechsel entschied die Stadt dann aber anders. Aus der Drogenhilfe
zu hören, dass durchaus großer Bedarf an dem Haus bestanden hätte – auch für ein Jahr hätten die Räume viel Druck bei den Obdachlosen herausnehmen können.
Dagegen sagt der Geschäftsführer der Drogenhilfe, Uwe Schmidt, man sei auch ohne das Haus Marie gut zurechtgekommen. „Das Haus als stille Reserve im Hintergrund zu wissen, hat aber gutgetan“, so Schmidt. Aus seiner Sicht sprach zu viel gegen einen kurzfristigen Umzug der Notschlafstelle in das Haus. Wer die Diskussionen um den „Betreff“-stützpunkt für Süchtige in Oberhausen erlebt habe, wisse, welche Unruhe eine solche Einrichtung in der Nachbarschaft ausgelöst hätte. „Aber wenn wir die Einrichtung benötigt hätten, wäre sie zur Verfügung gestanden“, ist Schmidt überzeugt.
Die Möbel aus dem ehemaligen Pflegeheim stehen laut Sozialreferat nach Beendigung des Mietvertrags der Stadt Augsburg zur Verfügung und würden eingelagert, um sie sukzessive im Rahmen der Obdachlosenfürsorge einsetzen zu können. Allerdings scheinen die Lagerkapazitäten der Stadt begrenzt zu sein. Wie Arbeiter der Stadt vor Ort berichten, wandert ein großer Teil der Möbel auf den Sperrmüll. Vor dem Haus stapeln sich Stühle und zerlegte Nachtkästchen.
Auch der Streit zwischen den ehemaligen Gesellschaftern des Hauses Marie scheint noch nicht beigelegt zu sein. Ein Streitpunkt ist ein kleiner Grundstücksstreifen, den offenbar die Ehefrau des einen Gesellschafters aus dem Grundstück des Hauses Marie herausgekauft hat. Der nur wenige Meter breite Streifen verläuft am Rand des Areals unter anderem genau vor der Zufahrt auf das Grundstück. Er ist durch Zeichnungen am Boden, Flatterband und stellenweise einen Metallzaun markiert und verhindert ein Betreten des Areals über den ursprünglichen Weg. Der neue Eigentümer musste deshalb einen Seitenzugang schaffen, um auf das Grundstück zu gelangen. Auch für Sperrmüllfahrzeuge und andere Lieferanten ist der Zugang offenbar schwierig. Zu dem Grundstücksgeist schäft wollte sich die mutmaßliche Käuferin des Streifens auf Anfrage nicht äußern.
Der Mitgesellschafter hat die Justiz eingeschaltet, wie der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Oberstaatsanwalt Matthias Nickolai auf Anfrage bestätigt. Es gehe bei den Ermittlungen um die Insolvenzstraftat des Bankrotts, so Nickolai. Die Staatsanwaltschaft habe das Verfahren Ende letzten Jahres eingestellt, wogegen aber der Anwalt des Antragstellers Beschwerde eingelegt habe. Über die Beschwerde muss der Generalstaatsanwalt entscheiden, sagt Nickolai. Die Beschwerde sei bislang noch nicht begründet, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft.