Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
So ist die Lage auf den Intensivstationen
Die Auslastung der Betten steigt wieder, das Personal steht unter Druck. Und in den kommenden Wochen dürfte die Zahl der Corona-patienten noch einmal nach oben gehen
Augsburg Im Moment, sagt Hubert Mayer, da sei die Lage eigentlich entspannt. Zumindest vergleichsweise. Mayer ist Geschäftsführer der Kliniken an der Paar im Landkreis Aichach-friedberg, er ist also einer von jenen Menschen, die ganz nah dran sind an dem, was Virologen und Politiker „Infektionsgeschehen“nennen. Mayer erinnert sich an ganz andere Zeiten in den vergangenen Monaten. An Zeiten, in denen jeder zweite Patient auf seiner Intensivstation ein Corona-patient war. „Das war die Hochphase“, sagt der Mediziner.
Dagegen muten die aktuellen Zahlen deutlich harmloser an: Im Moment hat jeder Zehnte auf Mayers Intensivstation eine Covid19-erkrankung. In anderen Häusern in der Region sieht es ähnlich aus. Das Intensivregister der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin,
Etwas angespannter ist die Situation im Oberallgäu
kurz DIVI, zeigt, wie viele Betten in Deutschland verfügbar sind. So sind aktuell in Augsburg 117 von 154 Intensivbetten belegt – 20 davon mit Covid-patienten.
Etwas angespannter ist die Lage im Landkreis Oberallgäu, wo nur noch eines von 20 Betten frei ist. Allerdings werden auch dort die meisten Patienten wegen anderer Leiden behandelt, nur sechs von ihnen sind an Covid-19 erkrankt. Grundsätzlich lässt sich sagen: Die Situation auf den Intensivstationen in Schwaben ist entspannter als in den meisten anderen bayerischen Regierungsbezirken. In vielen schwäbischen Landkreisen ist aktuell noch mehr als die Hälfte aller Betten frei und die Zahl der Covid-patienten eher niedrig.
Doch diese Quote steigt mittlerweile wieder, sagt Klinik-geschäftsführer Hubert Mayer – und mit ihr auch seine Sorge vor einer dritten Corona-welle. Dass es diese Entwicklung gibt, lässt sich nicht nur an den Infektionszahlen, sondern auch noch an anderen Werten der DIVI ablesen. Die Kliniken in Deutschland melden der Vereinigung nicht nur die Zahlen zu belegten und verfügbaren Betten auf den Intensivstationen, sondern geben auch eine zusätzliche, eher qualitative Einschätzung der Lage am jeweiligen Krankenhaus ab. Diese Einschätzung richtet sich an die Kollegen von anderen Häusern und soll signalisieren, ob Patienten in einem Notfall an das eigene Krankenhaus verlegt werden können – ob also ausreichend Betten vorhanden sind sowie genug Personal.
Blickt man auf diese Angaben, dann zeigt sich die Wellenbewegung der vergangenen Monate: Rund um den Jahreswechsel gaben besonders viele Krankenhäuser an, sie könnten keine zusätzlichen Patienten mehr aufnehmen. Im Januar und Februar entspannte sich die Situation etwas. Doch seit Ende Februar sinkt die Zahl jener Häuser, die zusätzliche Covid-patienten aufnehmen können, wieder. Deutschlandweit spitzt sich die Lage also wieder zu.
Auch Klinik-geschäftsführer Mayer hat diese Kurven im Blick. Sollten aktuelle Prognosen und
Hochrechnungen der DIVI zutreffen, dann stehe man wieder vor einer „relativ bedrohlichen“Situation für die Intensivstationen, sagt der Experte.
Intensivmediziner warnen schon seit Wochen vor Engpässen in den Kliniken. Davor, dass die Krankenhäuser und ihre Mitarbeiter an ihre Grenzen gelangen könnten. Hört man Hubert Mayer zu, wie er am Telefon über die vergangenen Wochen und Monate spricht, dann klingt es, als sei das vielfach schon geschehen. Die Belastung des Personals auf den Stationen sei durchgehend hoch gewesen – auch wenn die Corona-fälle zwischenzeitlich gesunken sind, erläutert der Klinikgeschäftsführer. Das liege daran, dass man aufgeschobene Operationen nachgeholt habe, als die Zahl der Corona-patienten nach unten ging. So hätten sich Ärzte und Pfleger nie richtig entspannen können, sagt Mayer, um dann noch hinterherzuschieben: „Ich hoffe, dass das Personal das durchsteht, ich bin mir aber nicht sicher.“
Eine Pressesprecherin des Universitätsklinikums Augsburg sieht die Lage ähnlich: „Die Arbeitsbelastung insbesondere für ärztliches und pflegendes Personal ist sehr hoch, und das seit vielen Monaten.“Gleichzeitig sei das Engagement der Mitarbeiter so groß, „dass uns das jeden Tag Respekt und Dankbarkeit abverlangt“.
Ärzte des Klinikverbunds Allgäu schätzen die Situation ein wenig entspannter ein – obwohl im Allgäu zum Teil deutlich mehr Intensivbetten belegt sind als in anderen Teilen
Schwabens: „Die Belastung des Personals ist aktuell normal hoch“, schreibt der Klinikverbund in einer Stellungnahme. Bereits in den kommenden Tagen rechnen die zuständigen Mediziner allerdings mit einem deutlichen Anstieg der Zahl der Corona-patienten, die intensivmedizinisch behandelt werden müssen. Nach und nach, heißt es vom Klinikverbund, werde dann auch Personal aus anderen Bereichen auf die Covid-stationen abgezogen.
Das bedeutet auch: Sollte sich die Lage wieder zuspitzen, müssen – wie im vergangenen Jahr – planbare Operationen verschoben und bei niedrigeren Corona-zahlen nachgeholt werden. Für das Personal auf den Intensivstationen heißt das: Normal wird ihr Alltag auf lange Sicht erst einmal nicht.