Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Koalition der leeren Kassen
Grüne und Schwarze hoffen, dass die Wirtschaft wieder anspringt. Klimaschutz erst mal keine Geldfrage
Stuttgart Unter dem Eindruck klammer Kassen haben Grüne und CDU im Südwesten die Verhandlungen für eine Neuauflage ihrer Koalition aufgenommen. Zum Auftakt zurrten die Verhandler den Zeitplan für die Gespräche fest und befassten sich mit der schwierigen Finanzlage im „Ländle“. Man sei weitergekommen damit, die Zusammenarbeit aufzugleisen, bilanzierte Grünenparteivorsitzende Sandra Detzer die dreistündigen Gespräche. Die beiden Parteien wollen nun in den kommenden vier Wochen ein Regierungsprogramm erarbeiten.
Beim ersten Treffen stand die finanzielle Lage des Landes im Fokus. Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) trug vor, wie viel – oder genau genommen – wie wenig Geld nach einem Jahr der Pandemie noch in den Kassen ist. Cdu-landeschef Thomas Strobl nannte das im Anschluss ein „Rendezvous mit der Realität“. Baden-württemberg steht wegen der Corona-pandemie vor einem riesigen Schuldenberg. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) wollte allerdings von einem Kassensturz nichts wissen: „Wir kommen nicht neu an die Regierung. Wir müssen keine Kassen umleeren – wir wissen, was drin ist.“Er schätze die Defizite im Haushalt in der Tat als „sehr dramatisch“ein.
Grün-schwarz hat wegen der Corona-krise im Doppelhaushalt 2020/2021 neue Schulden in Höhe von 13,5 Milliarden Euro aufgenommen. Hinzu kommt, dass die Steuerquellen nicht mehr sprudeln. Im Jahr 2022 fehlen dem Land 3,6 Milliarden Euro, 2023 etwa 3,7 Milliarden
Euro und 2024 fast 4,1 Milliarden. Dazu kommt noch: Die neue Regierung muss auch an den Altschuldenberg ran, der auf 58,5 Milliarden Euro gewachsen ist. Die Koalitionäre in spe setzen darauf, dass die Wirtschaft nach der Krise wieder anspringt. Der Klimaschutz kann aus Sicht von Kretschmann auch mit klammen Kassen vorangebracht werden.
„Es ist nicht in erster Linie eine Geldfrage“, sagte er. Es gehe eher darum, die Dinge anzupacken. Kretschmann führte den Ausbau der Windkraft im Land an. Windanlagen würden von Privatinvestoren gebaut, nicht vom Staat. „Insofern kosten uns Windräder erst mal kein Geld.“Das Land müsse für kürzere
Verfahren sorgen und dafür, dass Flächen für den Bau von Windkraftanlagen zur Verfügung stünden.
Die Spitzen von Grünen und CDU im Südwesten hatten sich am Karsamstag auf ein siebenseitiges Papier verständigt – als Grundlage für die Koalitionsverhandlungen. Darin heißt es unter anderem, dass Grüne und CDU an der Schuldenbremse festhalten wollen. Die von der Union angestrebte Senkung der Grunderwerbssteuer soll demnach nicht kommen.
Am 8. Mai sollen CDU und Grüne das Regierungsprogramm auf ihren Landesparteitagen beschließen. Am 12. Mai will sich der 72-jährige Kretschmann zum dritten Mal zum Regierungschef wählen lassen.