Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Wie Betriebe ihre Mitarbeiter auf Corona testen
Um Infektionen zu verhindern, sind Kontrollen in vielen Betrieben Praxis geworden. In der Politik wird über eine Pflicht diskutiert. Was aber, wenn Tests fehlen oder sich Mitarbeiter weigern?
Augsburg Wattestäbchen in die Nase stecken, 15 Sekunden reiben, in das andere Nasenloch wechseln, Stäbchen in eine Flüssigkeit tunken, dann einige Tropfen auf einen Teststreifen geben. Nach einer kurzen Wartezeit – häufig 15 Minuten – kann man ablesen, ob man sich mit Corona infiziert hat oder gesund ist. Corona-tests sind recht einfach geworden und gelten als wichtiger Weg zur Bekämpfung der Epidemie. Viele Unternehmen in Schwaben bieten inzwischen ihren Mitarbeitern Tests an. Doch es gibt auch Schwierigkeiten. Ein Überblick über die wichtigsten Fragen rund um das Testen in Unternehmen.
Sind die Unternehmen verpflichtet, zu testen?
Bisher gibt es keine Pflicht für Unternehmen, ihren Mitarbeitern Tests anzubieten. Es gibt nur eine Selbstverpflichtung der deutschen Wirtschaft vom 9. März, an der sich der Industrieverband BDI, der Arbeitgeberverband BDA, der Zentralverband des Handwerks und der Industrie- und Handelskammertag beteiligt haben. Die Verbände stehen für mehr als 90 Prozent der 30 Millionen Beschäftigten im privaten Sektor. Die Verbände versprechen eine „substanzielle Ausweitung der Testung“, ohne eine Zahl zu nennen. „Wir werden alles Erdenkliche dafür tun, dass die Unternehmen diesem Aufruf folgen“, heißt es in der Erklärung. Die Bundesregierung kündigte an, dies genau zu verfolgen und drohte eine mögliche Testpflicht an. Kanzlerin Angela
Merkel, CDU, hatte einmal ins Spiel gebracht, dass sich rund 90 Prozent der Firmen beteiligen müssten.
Wie viele Betriebe testen ihre Mitarbeiter?
Bundesweit bieten einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages zufolge inzwischen 87 Prozent der Unternehmen ihren Mitarbeitern Corona-tests an oder stehen kurz davor. Eigene Zahlen für Schwaben gibt es nicht, die Studie ist aber repräsentativ und dürfte auch für unsere Region gelten, sagt Ercin Özlü, Sprecher der IHK Schwaben. „Die Testbereitschaft der Unternehmen ist sehr hoch“, sagt er. Eine Studie der Bundesregierung kommt zu etwas niedrigeren Zahlen: Die am Donnerstag präsentierte Umfrage unter Beschäftigten ergab, dass aktuell 61 Prozent einen Arbeitgeber haben, der Corona-tests anbietet. Befragt man die Firmen, geben rund 70 Prozent an, mindestens einen Test pro Woche anzubieten oder dies in Kürze zu machen.
Welche Branchen sind bei den Corona-tests führend?
Geläufig sind Tests bereits in der Industrie, sagt Patrick Augustin, Experte für Arbeitssicherheit bei der IHK Schwaben – „überall dort, wo Produktion stattfindet und Mitarbeiter vor Ort präsent sein müssen“. In großen Betrieben seien die Tests schon länger üblich.
Welche Tests gibt es?
Derzeit werden drei Arten von Tests verwendet: Selbsttests, Schnelltests und der PCR-TEST. Selbsttests können von Laien ohne Hilfe ausgeführt werden, nach rund einer Viertelstunde hat man das Ergebnis. Bei Schnelltests ist medizinisch geschultes Personal in Schutzkleidung nötig, hier werden die Wattestäbchen tiefer in den Nasen-rachen-raum eingeführt. Das Ergebnis liegt ähnlich schnell vor. Beide Tests haben den Nachteil, dass sie nur in der ansteckenden Phase zuverlässige Ergebnisse liefern. Dann also, wenn die Virenlast hoch ist. Zuverlässiger sind Pcr-tests, die in Testzentren zum Einsatz kommen. Hier wird die Probe in ein Labor eingeschickt, die Viren werden vervielfältigt. Es dauert meist ein bis zwei Tage, bis das Ergebnis vorliegt, dafür ist es aussagekräftiger.
Wie lange bieten Tests Sicherheit?
Selbst- und Schnelltests bieten nur rund 24 Stunden Sicherheit, sagt
Ihk-experte Augustin. „Die Empfehlung ist deshalb, die Tests zwei Mal in der Woche durchzuführen, im Idealfall sogar drei Mal. Dies ist für die Betriebe aber organisatorisch schwierig und finanziell eine Belastung.“Pcr-tests sind länger aussagekräftig, aber aufwendig.
Gibt es ausreichend Tests?
Aktuell bestehen gerade bei Selbsttests noch Lieferengpässe, warnt der Deutsche Industrie- und Handelskammertag. Einige Firmen würden deshalb ersatzweise Schnelltests anbieten, berichtet Ihk-experte Augustin. „Damit das Handwerk im Freistaat großflächig testen kann, müssen die erforderlichen Tests auch vorhanden sein“, fordert die Handwerkskammer für Schwaben.
Wie sieht das Testverfahren in den Betrieben aus?
Selbsttests können prinzipiell am Arbeitsplatz durchgeführt werden. „Viele Betriebe sind aber dazu übergegangen, den Mitarbeitern die Selbsttests mit nach Hause zu geben, damit ein infizierter Mitarbeiter im Zweifelsfall gar nicht erst in den Betrieb kommt“, berichtet Anita Christl, Rechtsexpertin der IHK. Bei den Schnelltests ist Fachpersonal nötig, Schutzkleidung, ein separater Raum und ein Einbahnstraßensystem. Kleinere Unternehmen kooperieren zum Beispiel mit Apotheken, die den Dienst anbieten.
Was passiert, wenn der Test positiv ist?
Ein positiver Selbst- oder Schnelltest muss durch einen PCR-TEST bestätigt werden, sagt Ihk-expertin
Christl. Die Mitarbeiter werden dann mit ihrem Vorgesetzten oder der Personalabteilung das weitere Vorgehen besprechen.
Sind die Tests für Mitarbeiter eine Pflicht?
Der Test ist laut IHK ein Eingriff in das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Es gibt zwei Möglichkeiten, berichtet Rechtsexpertin Christl. Erste Lösung: Unternehmen stellen die Tests auf freiwilliger Basis bereit. Das ist der häufigste Fall. Die Mitarbeiter können das Testangebot dann wahrnehmen oder nicht. Bei einer freiwilligen Lösung zählt der Test nicht als Arbeitszeit, sagt Christl. Die zweite Lösung: In begründeten Fällen können Firmen die Tests verpflichtend vorschreiben, etwa wenn der Gesundheitsschutz der Mitarbeiter nicht anderweitig gewährleistet werden kann. Der Test zählt dann zur Arbeitszeit.
Was passiert, wenn ich mich nicht testen lasse?
Bietet ein Unternehmen die Tests freiwillig an, hat dies keine rechtlichen Folgen, sagt Rechtsexpertin Christl. Schwieriger ist es, wenn ein Unternehmen die Tests zur Pflicht macht. „Wer medizinisch gute Gründe hat, sich nicht testen zu lassen, hat dann sicher keine Folgen zu befürchten“, sagt sie. Beispielsweise könnte es aber nötig sein, die Person in eigenen Büroräumen zu separieren. Firmen und Betroffene müssten gemeinsame Lösungen finden.
Kommt noch eine Testpflicht für Unternehmen?
Das dürfte ein Punkt in den anstehenden politischen Beratungen zur Corona-politik sein. Wirtschaftsminister Peter Altmaier, CDU, sieht bei Corona-tests zwar Nachholbedarf – will aber auf Freiwilligkeit statt gesetzlicher Auflagen setzen. Eine Steigerung der Testangebote um mindestens ein Drittel sei machbar, sagte er am Freitag. Er wünsche sich, dass dies mit einer freiwilligen Lösung erreicht werden kann. Aus dem Arbeitsministerium hieß es dagegen, es sei nicht zufriedenstellend, dass rund 40 Prozent der Beschäftigten kein Testangebot bekommen. Die Wirtschaft stemmt sich gegen eine Testpflicht. „Was für die Politik eine weitere Ankündigung ist, bedeutet für die regionale Wirtschaft wöchentliche Mehrkosten von rund 10,5 Millionen Euro“, warnt Ihkpräsident Andreas Kopton „Mehr Tests in eigener Verantwortung sind sinnvoll. Eine bürokratische Testpflicht ist dagegen ein Irrweg.“
Was kosten die Tests?
Die IHK gibt die Kosten eines Selbsttests mit 5 bis 9 Euro an, ein Schnelltest kostet im Schnitt rund 20 Euro, wenn man die Arbeitszeit und den Aufwand einrechnet. Die Unternehmen dürfen die Kosten ihren Mitarbeitern nicht in Rechnung stellen, sagt Ihk-expertin Christl.
Wie lange werden Tests nötig sein?
Sobald das Ansteckungsrisiko dank einer ausreichenden Zahl geimpfter Menschen nicht mehr hoch ist, könnten die Tests wohl entfallen, sagt Christl. Nach den Impfzentren und den Hausärzten würden deshalb auch die Betriebsärzte gerne zeitnah mit dem Impfen starten.