Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Der Kanzlerkandidatencheck
Wer wäre der bessere Spitzenmann für den Unions-wahlkampf und das Kanzleramt? Armin Laschet und Markus Söder unterscheiden sich stark in der Persönlichkeit. Aber wie sieht ihre politische Bilanz in der Praxis aus?
● Popularität Die Umfragen sind Markus Söders mächtigster Trumpf im Kandidatenpoker: Bei einer Direktwahl des Kanzlers erhielte Söder laut der neuesten Forsa-umfrage mit 39 Prozent doppelt so viele Stimmen wie die Kandidaten von SPD und Grünen. Armin Laschet läge dagegen mit 16 Prozent klar hinter den Grünen Annalena Baerbock oder Robert Habeck und nur knapp vor Spd-kanzlerkandidat Olaf Scholz mit 14 Prozent. Selbst in Laschets Heimatland Nordrheinwestfalen käme die CDU laut Forsa gegenwärtig nur auf 26 Prozent, nur ein Punkt mehr als die Grünen. In Bayern erhielte die CSU derzeit immerhin 39 Prozent. Söder halten 57 Prozent der Bundesbürger für führungsstark, Laschet nur vier Prozent. Vertrauenswürdig halten den CSU-CHEF 27 Prozent, Laschet nur zwölf Prozent.
● Krisenmanagement Beim Coronakrisenmanagement unterscheiden sich der abwägende Laschet und der um Konsequenz bemühte Söder öffentlich am stärksten. Doch wie sieht ihre Bilanz unter dem Strich aus? Beide Bundesländer habe ungünstige Ausgangsbedingungen: Bayern zählt die längste Außengrenze Deutschlands, Nordrhein-westfalen sehr viele Großstädte – die Bevölkerungsdichte ist hier fast drei Mal so hoch. Dennoch lag die Sieben-tage-inzidenz in NRW in der ersten, zweiten und dritten Welle immer leicht unter den Werten in Bayern. Die Zahl der Corona-toten pro 100000 Einwohner liegt in NRW mit 82 deutlich hinter Bayern mit 104. Auch in der zweiten Welle starben gemessen an der Bevölkerungszahl im Freistaat mehr Menschen als im Westen.
● Regierungsführung Die Parallelen liegen auf der Hand: Laschet und Söder regieren als Ministerpräsidenten äußerst bedeutende Bundesländer, beide führen Koalitionen an. Laschet wird attestiert, als ausgesprochener „Teamplayer“in NRW „geräuschlos“mit der FDP zusammenzuarbeiten. Söder hingegen wirkt oft so, als gelinge es ihm nur unter Aufbietung aller Kräfte, Soloaktionen des Chefs der Freien Wähler, Hubert Aiwanger, zu ertragen. Folgende Prognose sei riskiert: Wer auch immer als Koalitionspartner in eine Regierung mit einem Kanzler aus der Union eintreten sollte, hätte es – rein atmosphärisch – leichter mit dem Aachener Laschet als mit dem Franken Söder.
● Kommunikation Hier geht der Punkt an Söder. Zwar hat Laschet ein gutes Gespür für die Stimmung in der Bevölkerung und ist den Menschen zugewandt. Immer wieder aber stolpert er über unglückliche öffentliche Äußerungen. Wie vor ein paar Tagen, als er sagte, alle hätten doch gehofft, dass die Corona-infektionszahlen mit steigenden Temperaturen dann wieder sinken würden – und mit dieser These bei Wissenschaftlern Kopfschütteln auslöste. Söder hat als Redakteur beim Bayerischen Rundfunk gearbeitet, er liebt die große Bühne und ist schlagfertig. Auch seine Coronapolitik hat er den Bürgern oft besser erklärt als andere Ministerpräsidenten oder die Kanzlerin.
● Reformfähigkeit Markus Söder regiert Bayern seit 2018 als Ministerpräsident. Nachdem er als Finanzminister lange Bayerns Verschuldung abtragen konnte, musste er in der Corona-krise mehr Schulden machen als seine Vorgänger in diesem Jahrhundert. Söders Wohnbauoffensive blieb hinter den Ankündigungen zurück. Bei der Digitalisierung schob die bayerische ebenso wie Laschets Regierung in NRW viele Projekte an, die oft aber noch wenig greifbar sind. Söders milliardenschwere Hightech-reform der Hochschulen wird erst noch auf den Weg gebracht. Laschets Bilanz sieht durchwachsen aus. Entgegen seiner Versprechen gelang ihm vor der Corona-krise kein Abbau der hohen Verschuldung. Punkten konnte seine Regierung mit der versprochenen Entschärfung des Streits in der Schulpolitik mit der Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium.
● Durchsetzungskraft Über Markus Söder wurde oft gesagt, er werfe sich nur dann in eine Schlacht, wenn er ganz sicher ist, dass er sie gewinnt. Als Beleg galt das Ende der Ära Horst Seehofer. Söder ging erst spät ins Risiko. Dann aber schob er die halbherzigen Ambitionen der Konkurrenten mit Wucht zur Seite. Ins Duell mit Armin Laschet geht er nun entschlossener – obwohl er es auch verlieren könnte. Laschet nahm es in Nordrhein-westfalen mit der scheinbar unschlagbaren Ministerpräsidentin Hannelore Kraft auf – und gewann. Den Kampf um die Nachfolge von Angela Merkel scheute er zunächst und überließ Annegret Kramp-karrenbauer das Feld. Im zweiten Anlauf setzte er sich dann aber energisch gegen den vor Selbstbewusstsein strotzenden Friedrich Merz durch und wurde CDU-CHEF.
● Klima und Umwelt Mit der Übernahme des Bienen-volksbegehrens mutierte Söder zum Insektenschützer. Bayern will spätestens 2050 das erste Co2-neutrale Bundesland werden. Bei Photovoltaik und Biomasse ist der Freistaat stark, für das Klimaschutzgesetz hagelte es aber Kritik: Die Ziele seien zu unkonkret. Söder umarme Bäume, rede grün und handele schwarz, heißt der Vorwurf. Im Windkraft-ausbau herrscht Flaute im Freistaat. In Ländervergleichen zur Klimapolitik landet Bayern dennoch meist im oberen Drittel. Laschets Landesregierung hat ähnliche CO -Ziele, beim Ausbau der Windenergie kam das Bundesland 2020 auf Platz eins. Der starke Rückgang der Co2-emissionen seit 1990 liegt aber eher am Abschalten der Kohlekraftwerke in NRW als an Laschets Umweltpolitik. Söder hat also leicht die Nase vorne.
● Innenpolitik Die innere Sicherheit ist für die CSU seit jeher eine wichtige Domäne. Die Polizei im Freistaat gehört zu den am besten ausgestatteten in ganz Deutschland. Söder hat mit Innenminister Joachim Herrmann einen Schwarzen Sheriff im Kabinett, der nicht um klare Kante verlegen ist. Die gleiche Rolle spielt Innenminister Herbert Reul für Armin Laschet. Der Nrw-ministerpräsident hat den kriminellen Clans an Rhein und Ruhr den Kampf angesagt und damit ein klassisches Feld konservativer Politik glaubhaft neu besetzt. Denn Reul tritt genauso kernig auf wie Herrmann in Bayern.
● Wirtschaft Bis zum tiefen Konjunktureinbruch wegen der Coronapandemie lagen sowohl hinter Bayern als auch Nordrhein-westfalen wirtschaftlich gute Jahre. In beiden Ländern lief die Konjunktur ordentlich mit ähnlichen Wachstumsraten, die Arbeitslosigkeit sank. Während in Bayern seit Jahren Vollbeschäftigung herrschte, galt das nicht für NRW. Dennoch ging die Arbeitslosigkeit zwischen der Amtsübernahme Laschets 2017 von 7,4 auf 6,5 Prozent in 2019 zurück. Im Freistaat lag sie 2019 unter die Marke von drei Prozent. Weder Laschet noch Söder übertrumpfen einander bei ökonomischen Weichenstellungen. Generell ist Bayern inzwischen ein wohlhabenderes Land als Nordrhein-westfalen. Dieser Wohlstand hat sich aber über Jahrzehnte aufgebaut und kann nicht dem Wirken Söders zugeschrieben werden.
● Außenpolitik Die Aussage war mit Bedacht gewählt: „Man erwartet von einem Kanzler, dass er außenund europapolitisch erfahren ist“, sagte Laschet Ende Januar. Er wähnt sich auf diesem Parkett Söder überlegen. Tatsächlich: Laschet spricht neben Englisch auch ausgezeichnet Französisch, von 1999 bis 2005 war er Abgeordneter im Euparlament. Söder hat sich selten als Politiker mit außenpolitischen Ambitionen profiliert. Genannt wird häufig seine Videokonferenz mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron Anfang Februar. Er kann sich aber damit trösten, dass der Bundestagswahlkampf kaum von außenpolitischen Themen dominiert werden dürfte.