Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Brüssel plant ohne Astrazeneca
Bei Bestellungen will die Eu-kommission komplett auf mrna-vakzine setzen. Biontech liefert zusätzlich 50 Millionen Dosen an Mitgliedstaaten
Brüssel Die Eu-kommission plant bei künftigen Impfstoff-bestellungen offenbar ohne die Vakzine von Astrazeneca und Johnson&johnson. Beide Vektorimpfstoffe waren zuvor wegen des Verdachts, Hirnvenenthrombosen auslösen zu können, ins Gerede gekommen. Erst am Dienstag hatte der Us-hersteller Johnson&johnson den Europastart seines Impfstoffs verschoben.
Zwar widersprach gestern ein hoher Eu-beamter Berichten, denen zufolge die Verträge mit den beiden Konzernen nicht verlängert und die Hersteller bei künftigen Bestellungen nicht mehr berücksichtigt werden sollten. „Dazu ist es viel zu früh“, hieß es aus der Kommission. Gleichzeitig betonte die Eu-behörde, die die Beschaffung der Vakzine im Auftrag der Mitgliedstaaten organisiert, aber, dass man künftig vor allem auf jene Stoffe setzen wolle, die auf der neuartigen mrnatechnologie basieren.
Damit kommen nur die bisher zugelassenen Präparate von Biontech/ Pfizer sowie Moderna infrage. Sollte das Vakzin des deutschen HerstelCurevac wie erhofft ebenfalls im zweiten oder dritten Quartal von der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) zertifiziert werden, könnte auch dieser Impfstoff langfristig genutzt werden. Biontech kündigte am Mittwoch an, bis Ende Juni zusätzlich 50 Millionen Dosen an Deutschland und die anderen Eustaaten zu liefern.
„Die Zukunft gehört den mrna-impfstoffen“, sagte der Cdu-europapolitiker und Mediziner Peter Liese. „Sie sind offensichtlich wirksamer als die Vektorimpfstoffe und scheinen auch ärmer an Nebenwirkungen zu sein. Der wichtigste Vorteil aber ist, dass man sie schneller und gezielter an Mutationen anpassen kann.“Die Eukommission will demnächst bis zu 1,8 Milliarden Dosen der neuartigen Vakzine für Auffrischungen sowie für Kinder und Jugendliche ordern. Es geht dabei um Verträge für die Jahre 2021 bis 2023. Nach Darstellung der Kommission gilt als ein Kriterium für die Auftragsvergabe, dass es sich um mrna-impfstoffe handeln soll.
Damit wären Astrazeneca und Johnson&johnson, deren Verträge mit der EU nur für dieses Jahr gelten, ebenso aus dem Rennen wie das russische Vakzin Sputnik V, das sich derzeit in der Prüfung der EMA befindet.
Den Schritt der Kommission zum Teil bereits vorweggenommen hat das Eu-land Dänemark, das dauerhaft auf den Einsatz des Coronaimpfstoffes
von Astrazeneca verzichten wird. Die Impfkampagne werde ohne das Präparat fortgesetzt, gab die dänische Gesundheitsverwaltung am Mittwoch bekannt.
Postwendend bekundete Tschechien am Mittwoch Interesse an den Dosen in Dänemark. „Wir sind bereit, Astrazeneca von Dänemark abzukaufen“, schrieb Innenminister Jan Hamacek bei Twitter. Unklar war indes, ob ein solcher Handel nach den Eu-beschaffungsregeln möglich ist. Man versuche, in der ganzen Welt Impfstoff zu beschaffen, betonte der Sozialdemokrat. Zu diesem Zweck werde er am Montag nach Moskau reisen, um über evenlers tuelle Lieferungen des russischen Impfstoffs Sputnik V zu verhandeln.
Tatsächlich gelten die Vakzine von Astrazeneca und Johnson&johnson als Übergangsimpfstoffe, die für die Erstversorgung bis zum Sommer zentral sind. Allerdings haben aufgetretene Nebenwirkungen in Form von Thrombosen schon mehrfach für Unterbrechungen der Impfkampagnen sowie für Altersbeschränkungen gesorgt. Das Robert-koch-institut hat, vorbehaltlich eines noch ausstehenden Beschlusses der Ständigen Impfkommission (Stiko) Ende des Monats, empfohlen, jüngeren Patienten, die bereits eine erste Dosis von Astrazeneca erhalten haben, bei der zweiten Impfung Biontech oder Moderna zu verabreichen.
Zwar stehen Studien über eine solche „heterologe Impfung“noch aus. Einige Experten halten es aber für denkbar, dass durch die Mischung der unterschiedlichen Vakzine unter Umständen der Schutz sogar deutlich erhöht werden könnte. Auch deshalb überrascht die Entscheidung der Eu-kommission nicht, künftig allein auf Produkte mit mrna-technologie zu setzen.
Was die Stiko nun für die Erstgeimpften empfiehlt