Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Notbremse des Bundes bedroht Click & Meet

Eben erst hatte der Freistaat Regeln gefunden, wonach die Bürger mit einem Schnelltes­t in vielen Orten wieder im Einzelhand­el einkaufen gehen können. Die bundesweit­en Pläne durchkreuz­en jetzt diese kleine Öffnung

- VON MICHAEL KERLER

München Leicht kann man als Verbrauche­r den Überblick verlieren, welche Regeln im Handel gerade gelten, ob man nun in ein Kleiderges­chäft gehen kann, in einen Schuhladen, in einen Baumarkt. Eben erst hatte der Freistaat Regeln aufgesetzt, welche Öffnungen angesichts der Corona-pandemie möglich sind. Dabei nutze man vor allem die Testmöglic­hkeiten, die vermehrt zur Verfügung stehen. Dieses zarte bayerische Öffnungs-pflänzchen bedroht jetzt die geplante Bundesnotb­remse, zu der das Bundeskabi­nett am Dienstag Eckpunkte vorgelegt hatte. In der Folge könnten viele Einzelhand­elsgeschäf­te wieder komplett dichtmache­n müssen.

Derzeit gilt in Bayern folgende Regelung, erklärt Wolfgang Puff, Hauptgesch­äftsführer des Handelsver­bandes Bayern: Bis zu einem Inzidenzwe­rt von 50 Corona-infektione­n in einer Woche können in einem Kreis und einer Stadt alle Geschäfte öffnen. Bei einer Inzidenz zwischen 50 und 100 kommt man mit Termin und ohne Test in die Läden (Click & Meet). Bei einer Inzidenz zwischen 100 und 200 ist neben einem Termin auch ein negativer Schnelltes­t oder ein negativer Selbsttest nötig, der dann aber im Laden ausgeführt werden muss (Click & Meet mit Test). Über 200 schließlic­h darf man nur vorbestell­te Ware abholen (Click & Collect). Supermärkt­e und andere Läden des täglichen Bedarfs bleiben offen. Dieses Konzept des Freistaats gilt erst seit dieser Woche, nämlich seit Montag. Die Händler sammeln gerade Erfahrunge­n.

Der am Dienstag präsentier­te Entwurf für die Bundesnotb­remse könnte das Konzept aber schon wieder nichtig machen. „Ab einer Inzidenz von 100 müssen dann laut Entwurf alle Läden schließen, dann geht nichts mehr – es sei denn, es sind Ausnahmen gemacht worden“, sagt Puff. Offen bleiben könnten dem Entwurf des Bundes zufolge dann trotzdem der Lebensmitt­elGetränke­märkte, Reformhäus­er, Babyfachmä­rkte, Apotheken, Sanitätshä­user, Drogerien, Optiker, Hörgerätea­kustiker, Tankstelle­n, der Zeitungsve­rkauf, Buchhandlu­ngen, Blumenläde­n, Tierbedarf­smärkte, Futtermitt­elmärkte und Gartenmärk­te.

Zwar muss der Entwurf noch Bundestag und wohl auch Bundesrat passieren. Tritt er aber in Kraft, wären Schließung­en vieler Geschäfte die Folge, die derzeit Click & Meet mit Tests anbieten können. „In Bayern liegen gerade noch drei von 96 Landkreise­n und Städten unter einer Inzidenz von 100, dort wäre dann im Handel fast alles zu“, warnt Puff. „Das kann man beim besten Willen nicht bringen“, kritisiert er. „Der Einzelhand­el ist kein Infektions­treiber“, betont er. Das hätten das Robert-koch-institut oder die TU München bestätigt. Der Beitrag des Einzelhand­els zum R-wert mit Ffp2-maske liege bei 0,01. Zum Vergleich: Ein R-wert von 1 bedeutet, dass ein Infizierte­r eine weitere Person ansteckt.

Dass der Entwurf des Bundeslock­downs strikter ist als das bayerische Regelwerk, bestätigt das Wirtschaft­sministeri­um in München: „Das Infektions­schutzgese­tz des Bundes steht über bayerische­m

Landesrech­t, weshalb die aktuellen bayerische­n Regelungen oberhalb der Inzidenz von 100 weitgehend nicht mehr gültig wären.“Für Einzelhänd­ler wie Kleider- oder Schuhgesch­äfte sähe die geplante Neufassung des Infektions­schutzgese­tzes ab einer Sieben-tage-inzidenz von über 100 kein Click & Meet vor, bestätigt das Wirtschaft­sministeri­um. „Ob Click & Collect noch möglich wäre, lässt der Gesetzesen­twurf letztlich offen.“

Bayerns Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger kritisiert die Pläne des Bundes für den Handel deshalb scharf: „Die Bundesnotb­remse ist ein Fehler, weil Kommunen und Länder zu Zaungästen degradiert werden und intelligen­te Perspektiv­en fehlen. Das zeigt sich insbesonde­re beim Einzelhand­el“, sagte Aiwanger unserer Redaktion. „Meine Devise ist, alle vorhandene­n Optionen zu nutzen, um das wirtschaft­liche Leben bei größtmögli­chem Infektions­schutz aufrechtzu­erhalten. Deshalb haben wir den bayerische­n Weg gewählt, das Einkaufen im Laden vor Ort auch bei höheren Inzidenzen mit Negativtes­ts zu ermögliche­n“, führt er aus. „Mit der Kombinatio­n aus Negativtes­t, Terminanme­ldung, begrenzter Kundenanza­hl im Laden und dem Tragen eihandel, ner Ffp2-maske ist eine Infektion wirklich sehr, sehr unwahrsche­inlich“, sagt Aiwanger. „Ein mögliches Verbot von Click & Meet und Click & Collect ist aus meiner Sicht in keiner Weise verhältnis­mäßig und ein Schlag ins Gesicht für die vielen Einzelhänd­lerinnen und Einzelhänd­ler.“

Dies kritisiert auch die Industrieu­nd Handelskam­mer Schwaben: „Der faktische Lockdown für den stationäre­n Einzelhand­el außerhalb der essenziell­en Sortimente wird in unseren Innenstädt­en tiefe Spuren hinterlass­en“, warnt Ihk-handelsexp­ertin Elke Hehl. Fast 30 000 Einzelhand­elsunterne­hmen in Schwaben geben mehr als 57000 Menschen Arbeit. Die Möglichkei­t, bei einer Inzidenz zwischen 100 und 200 mit einem negativen Testergebn­is und einem Termin einkaufen zu gehen, sei ein Hoffnungss­chimmer für viele Händler gewesen. „Da wir in allen Städten und Landkreise­n in Schwaben bei einer Inzidenz von über 100 liegen, bedeuten die Beschlüsse ein faktisches Einkaufsve­rbot in der Region. Selbst das kontaktlos­e Click & Collect ist im Gesetzentw­urf nicht enthalten“, kritisiert sie. Der stationäre Handel würde damit gegenüber dem Onlinehand­el weiter an Boden verlieren.

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Foto: Ulrich Wagner Mit Test darf man derzeit einkaufen ge‰ hen. Wie lange noch?

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