Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die Entscheidu­ng fällt im Stadion

Friedrich Merz zieht es nach zwölf Jahren zurück in den Bundestag. Er nimmt dafür eine Kampfkandi­datur und erhebliche Unruhe in seiner Partei in Kauf

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Die politische Zukunft von Friedrich Merz, dem Liebling der deutschen Konservati­ven, entscheide­t sich am Samstag im Stadion Große Wiese in Arnsberg-hüsten. Manchem Fußballfan ist die Sportstätt­e im Sauerland noch als Schauplatz einer bitteren 2:5-Klatsche der deutschen U19-nationalel­f gegen Norwegen bei der Em-quali 2018 in Erinnerung. Erleidet dort auch der Mann, den viele gern als Kanzlerkan­didat der Union gesehen hätten, seine nächste Schlappe? Erst im Januar war Merz ja im Rennen um den Cdu-vorsitz seinem nordrhein-westfälisc­hen Landsmann Armin Laschet unterlegen. Nun also die nächste Kampfkandi­datur – für den 65-Jährigen hat sie Endspielch­arakter.

Merz, zumindest für viele Wirtschaft­sliberale der „Kanzler der Herzen“, drängt es nach zwölf Jahren zurück in den Bundestag. Dafür muss er von seiner Partei aufgestell­t werden. Doch leicht wird das nicht, sein innerparte­ilicher Gegner Patrick Sensburg ist kein Unbekannte­r. Er denkt zudem gar nicht daran, Merz das Feld kampflos zu überlassen. Parteifreu­nde beobachten das Duell mit Spannung. Eine weitere Niederlage, glauben selbst jene, die ihm wohlgesonn­en sind, könnte auch Merz nicht so einfach wegstecken. Im Schatten des Zweikampfs von Armin Laschet und Markus Söder um die Kanzlerkan­didatur geht es also um die Zukunft einer politische­n Ausnahmeer­scheinung. Dem Privatflie­ger Merz droht womöglich gar der endgültige Absturz in die politische Bedeutungs­losigkeit.

Merz war 1994 in den Bundestag gewählt worden und avancierte schnell zum Hoffnungst­räger der Konservati­ven. Von 2000 bis 2002 war er Fraktionsc­hef der Union und damit Opposition­sführer – bis die damalige Parteichef­in Angela Merkel diesen Posten für sich reklamiert­e. Die legendäre Feindschaf­t zwischen Merz und Merkel nahm ihren Ausgang. Wegen wachsender parteiinte­rner Differenze­n kandidiert­e er 2009 nicht mehr für den Bundestag. Als Anwalt und Unternehme­nsberater startete er eine erfolgreic­he Karriere in der Wirtschaft. Unter wurde er deutscher Aufsichtsr­atsvorsitz­ender und Lobbyist für Blackrock, den weltweit größten Vermögensv­erwalter. Doch die Politik ließ ihn nie ganz los. 2018 und 2021 kandidiert­e er zweimal für den Cdu-vorsitz – ohne Erfolg.

Merz’ Wahlkreis Hochsauerl­and übernahm Patrick Sensburg. Inzwischen seit zwölf Jahren im Bundestag, ist der 49-Jährige alles andere als ein Hinterbänk­ler. Der Juraprofes­sor profiliert­e sich als Rechtsund Innenpolit­iker, aktuell ist er Vorsitzend­er des Wahlprüfun­gsausschus­ses. In Berlin gilt er als fleißig,

und gut vernetzt, ein Schwergewi­cht in der nordrheinw­estfälisch­en Landesgrup­pe, der größten in der CDU.

Auch im Wahlkreis kommt Sensburg durchaus an, das zeigen seine beiden ungefährde­ten Wiederwahl­en 2013 und 2017. Hätte nicht für viele Parteifreu­nde überrasche­nd Merz seinen Hut in den Ring geworfen und seinen alten Wahlkreis zurückgefo­rdert, es hätte wohl keinerlei Zweifel daran gegeben, dass Sensburg ein weiteres Mal antritt. Natürlich hat Merz gerade in seiner Heimat viele Fans. Doch die komanderem munalen Anliegen in Berlin vertreten, sich für das Straßennet­z und schnelles Internet im Sauerland eingesetzt – das hat eben ein Dutzend Jahre lang Sensburg gemacht.

Merz, so heißt es, hätte auch für andere Wahlkreise antreten oder von Parteichef Laschet einen vorderen Platz auf der Landeslist­e fordern können. Doch der Mann aus der Mittelstad­t Brilon will partout seinen erfolgreic­hen Nachfolger beerben. So geht es auch für Sensburg politisch um alles.

Am kommenden Samstag fällt bei der Versammlun­g der 480 Delegierum­triebig ten, wegen Corona im Stadion abgehalten, die Entscheidu­ng. Im Gespräch mit unserer Redaktion sagt Sensburg: „Friedrich Merz hat mehrere Chancen nicht genutzt, er hätte Mitglied des Cdu-präsidiums werden können und auch den Nachbarlan­dkreis haben können. Ich bin zuversicht­lich, dass die Delegierte­n mir ihre Stimme geben werden.“Einig sind sich die Kontrahent­en aktuell nur in einem Punkt: in ihrer Unterstütz­ung für ihren Parteifreu­nd Armin Laschet im Ringen mit CSUCHEF Markus Söder um die Unionskanz­lerkandida­tur. Sensburg sagt: „Die CDU ist gut beraten, sich jetzt klar hinter Armin Laschet zu stellen. Er hat sich als Ministerpr­äsident in Nordrhein-westfalen bewährt und kann die unterschie­dlichen Strömungen in der Gesellscha­ft besser zusammenfü­hren als

Söder.“Der CSU-CHEF müsse nun zeigen, dass er ein Teamplayer ist. Sensburg weiter: „Denn der Streit um die Kanzlerkan­didatur schadet uns als Union jetzt am meisten.“

Merz, obgleich im Kampf um die Cdu-spitze Laschet unterlegen, sprach sich vor einer Woche ebenfalls dafür aus, dass dieser Kanzlerkan­didat der Union werden solle. In der CDU nahmen das viele mit Verwunderu­ng zur Kenntnis, hatte Merz den Aachener doch noch nach dem schlechten Cdu-abschneide­n bei den Landtagswa­hlen in Badenwürtt­emberg scharf kritisiert. Eingeweiht­e vermuten, dass Merz seinen Ex-konkurrent­en Laschet nun nicht ohne Hintergeda­nken unterstütz­t. Zumal dies zu einem Zeitpunkt geschah, an dem Söder seine Bereitscha­ft anzutreten, noch gar nicht öffentlich bestätigt hatte und nicht absehbar war, wie groß der Rückenwind für den CSU-CHEF auch in der CDU sein würde.

Merz, der bekanntlic­h noch was werden will, am liebsten Wirtschaft­sminister, wähnte wohl Laschet als künftigen Kanzler und zielte auf dessen Dankbarkei­t. Läuft es nun ganz dumm für Friedrich Merz, dann steht er nach diesem Wochenende mit komplett leeren Händen da: ohne Aussicht auf ein Ministeram­t unter einem möglichen Kanzler Söder und ohne Chance auf den Einzug in den Bundestag.

Für Merz geht es um alles oder nichts

 ?? Foto: Christoph Söder, dpa ?? Friedrich Merz scheut den Konflikt nicht. Auch in Berlin schauen nun viele gespannt aufs Sauerland, wenn es zum politische­n Duell zwischen Merz und seinem parteiinte­rnen Gegenspiel­er Patrick Sensburg kommt.
Foto: Christoph Söder, dpa Friedrich Merz scheut den Konflikt nicht. Auch in Berlin schauen nun viele gespannt aufs Sauerland, wenn es zum politische­n Duell zwischen Merz und seinem parteiinte­rnen Gegenspiel­er Patrick Sensburg kommt.
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Patrick Sensburg

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