Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Bayerns Grüne als Trendsette­r

Am Samstag wählt die Öko-partei in Augsburg einen neuen Landeschef. Der aus dem Amt scheidende Eike Hallitzky kann nach sechseinha­lb Jahren eine außergewöh­nliche Bilanz ziehen

- VON ULI BACHMEIER

München Es gab in Bayern schon Landesvors­itzende einer Partei, die mit größerem Ruhm und geringerem Erfolg abgetreten sind. Eike Hallitzky, 62, war sechseinha­lb Jahre lang Chef der Grünen in Bayern. Eine größere Bekannthei­t hat er über den Kreis der politisch Interessie­rten hinaus zwar nicht erlangt. Aber die Bilanz seiner Amtszeit ist außergewöh­nlich. Wenn er diesen Samstag beim Landespart­eitag in Augsburg den Vorsitz abgibt, kann er darauf verweisen, dass sich unter seiner Führung die Zahl der Grünen-mitglieder in Bayern (aktuell: 17700) ebenso verdoppelt hat wie der Stimmenant­eil seiner Partei bei der Landtagswa­hl.

Hallitzky gibt sich zurückhalt­end. „Das ist alles Teamarbeit gewesen“, sagt er. Die Erklärung für den Erfolg der Grünen in den vergangene­n Jahren sieht er nicht in erster Linie bei sich, sondern bei einem recht grundsätzl­ichen Stimmungsw­andel. 2013, als die Ökopartei bei den Landtagswa­hlen „kein wirklich gutes Ergebnis“erzielte, so sagt er, „da hatte die Partei noch den alten Habitus, der immer noch vom Protest lebte“. Diese Haltung habe sich geändert, sei von „Gestaltung­swillen und Zukunftsop­timismus“abgelöst worden.

„Das hat eingeschla­gen in der Partei. Dadurch wurden wir attraktiv für neue Wählerinne­n und Wähler.“Als Kandidaten hätten die jungen Fraktionsv­orsitzende­n im Landtag, Katharina Schulze und Ludwig Hartmann, perfekt dazugepass­t. Und damit, so fügt Hallitzky hinzu, seien die bayerische­n Grünen auch „zum Trendsette­r für die Grünen in ganz Deutschlan­d geworden“, ohne dass sich die politische Grundricht­ung geändert habe. „Wir sind nicht in die Mitte gerückt. Wir sind keine Volksparte­i geworden. Wir brennen nach wie vor für unsere Themen.“

Auf dieses Stimmungsb­ild trifft man vor dem Parteitag, bei dem Hallitzkys Nachfolger und die Kandidatin­nen und Kandidaten für die Bundestags­wahl gewählt werden, überall bei den bayerische­n Grünen. Auch die Co-landesvors­itzende Eva Lettenbaue­r, 28, und die frühere Parteichef­in, Bundestags­vizepräsid­entin Claudia Roth, 65, sehen die Partei in neue Dimensione­n vordringen. „Ich blicke mit Freude darauf, dass wir für die Bundestags­wahl eine Rekordlist­e aufstellen“, sagt Lettenbaue­r. Jung und Alt, Frauen und Männer aus allen Teilen der Gesellscha­ft sollen sich um die Bundestags­mandate bewerben. Bisher sitzen elf Grüne aus Bayern im Bundestag. „Jetzt haben wir alle Chancen, uns zu verdreifac­hen“, sagt Roth. „29 bis 33“, so schätzt sie, könnten es werden. Sie spricht von einer „nie da gewesenen Geschlosse­nheit“und kündigt sogar an: „Wir werden erstmals auch um Direktmand­ate kämpfen, und zwar nicht nur in München.“

Die langjährig­e Bundesvors­itzende Roth (Wahlkreis Augsburgst­adt), die mit einer kurzen Unterbrech­ung seit 1998 dem Bundestag angehört, wird sich erneut um Platz 1 der Landeslist­e bewerben. Für Platz 2 tritt wie zuletzt der Chef der Bundestags­fraktion Toni Hofreiter, 51, an. Bis Platz 40 auf der Liste soll einzeln über die Kandidatin­nen und Kandidaten abgestimmt werden.

Mit Spannung wird am Samstag die Rede von Parteichef Robert Habeck erwartet. Es ist vermutlich sein letzter öffentlich­er Auftritt, bevor die Grünen am Montag bekannt geben, wer ihr Kanzlerkan­didat wird – Habeck oder die Co-vorsitzend­e Annalena Baerbock.

Für die Nachfolge von Hallitzky als Landesvors­itzenden liegen bisher zwei Bewerbunge­n vor: Der Ebersberge­r Thomas von Sarnowski, 33, und der in Perlesreut (Landkreis Freyung-grafenau) lebende Hans Jürgen Hödl, 39, wollen künftig den Landesverb­and anführen. Der ehemalige Miesbacher Landrat Wolfgang Rzehak hatte seine Bewerbung dagegen schon vor einiger Zeit wieder zurückgezo­gen.

Wegen der Corona-pandemie findet der zweitägige Parteitag als hybride Veranstalt­ung statt, die Delegierte­n sind ausschließ­lich per Internet zugeschalt­et, einzig die Bewerber können ihre Vorstellun­gsreden auf der Bühne in der Augsburger Kongressha­lle halten. Im Anschluss an die Online-abstimmung werden die Wahlergebn­isse dann nochmals per Briefwahl bestätigt.

 ?? Archivfoto: Andreas Gebert, dpa ?? Innerhalb von gut sechs Jahren hat sich die Mitglieder­zahl der bayerische­n Grünen verdoppelt – ein Erfolg, den der als Landesvors­itzender abtretende Eike Hallitzky (rechts) auch auf einen Sinneswand­el innerhalb der Partei zurückführ­t.
Archivfoto: Andreas Gebert, dpa Innerhalb von gut sechs Jahren hat sich die Mitglieder­zahl der bayerische­n Grünen verdoppelt – ein Erfolg, den der als Landesvors­itzender abtretende Eike Hallitzky (rechts) auch auf einen Sinneswand­el innerhalb der Partei zurückführ­t.

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