Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Steigende Holzpreise lassen Bauherren zittern
Der Rohstoff aus dem Wald ist so gefragt wie lange nicht mehr. Dessen Preissteigerung hat allerdings ganz unterschiedliche Auswirkungen – nicht nur auf Bauvorhaben, sondern auch für die älteste Sozialsiedlung der Welt
Bei der städtischen Wohnbaugruppe (WBG) schaut man mit Sorge auf ein neues Bauvorhaben. Das Unternehmen plant in Pfersee zum ersten Mal eine Wohnanlage in Holzbauweise. Nun gibt es ein Problem. Seit Jahresanfang sind die Holzpreise ungewöhnlich stark gestiegen. Damit könnte das Projekt teurer werden als geplant, befürchtet Wbg-geschäftsführer Mark Dominik Hoppe. Glaubt man Fachleuten, müssen sich wohl auch andere Bauherren in der Region auf spürbar höhere Kosten gefasst machen. Bei manchen könnte sogar der Nachschub an Baumaterial knapp werden. Das hat einen ungewöhnlichen Grund.
In Deutschland boomt die Baubranche seit Jahren. Doch seit Neuestem ist auch in den USA Bauholz aus Deutschland und insbesondere aus Bayern extrem stark nachgefragt, wie Medien berichten. Hintergrund ist, dass der Borkenkäfer Kanadas Kiefernwälder in gigantischen Ausmaßen zerstört hat. Damit ist für den Nachbarn USA der wichtigste Importmarkt eingebrochen. Deshalb wird jetzt in großem Stil Bauholz aus Europa nach Amerika verschifft. In der Folge sind die Holzpreise schnell stark angestiegen, auch in der Region. Der Leiter der städtischen Forstverwaltung, Jürgen Kircher, nennt ein Beispiel: Klassisches Fichtenstammholz sei von vier Monaten um rund 20 Prozent teuer geworden.
Diese ungewöhnliche Entwicklung auf dem Holzmarkt droht Bauherren in Bedrängnis zu bringen. Wbg-geschäftsführer Hoppe sagt, „richtig schwerwiegend könnte uns die Preiserhöhung auf dem Gelände der ehemaligen Spicherer Schule treffen“. Dort plant das städtische Unternehmen ein Vorzeigeprojekt in Holzbauweise – die neue Anlage „Michaelipark“mit 74 Wohneinheiten. Bislang waren die Baukosten mit 23,2 Millionen Euro veranschlagt. Aktuell läuft die Ausschreibung. Mitte Mai werde man konkret sehen, ob sich die gestiegenen Holzpreise entsprechend abbilden, sagt Hoppe nicht ohne Sorge. Die WBG hatte für den nachhaltigen und besonders energieeffizienten Holzbau ohnehin schon mit 15 Prozent höheren Kosten gerechnet als für konventionelle Bauten. „Mit noch höheren Baupreisen kann diese Variante vor dem Hintergrund, dass wir bezahlbaren Wohnraum schaffen sollen, kaum noch zum Zug kommen“, sagt der Geschäftsführer.
Auch der Augsburger Architekt Frank Lattke, der mit seinem Büro auf Holzbau spezialisiert ist, sieht Folgen für private und institutionelle Bauherren. Nach seinen Beobachtungen werden auf dem Baumarkt allgemein die Preise spürbar steigen. Denn Bauholz wird für die allermeisten Projekte benötigt. Einige Holzmaterialien für den Bau oder die Möbelherstellung seien sogar ein knappes Gut geworden, sagt er. „Im vergangenen Jahr hat man Spanplatten vom Großhändler in Augsburg noch abholen können, heute gibt es Lieferzeiten von mehreren Wochen.“Nach Einschätzung des Architekten gibt es derzeit aber nicht nur bei Holz Nachschubprobleme, sondern auch bei anderen Materialien wie Dämmstoffen oder teilweise auch Stahl. Aus diesem Grund könne sich bei aktuellen Vorhaben die Bauzeit möglicherweise etwas verlängern.
Während Bauherren aktuell wegen der steigenden Holzpreise zittern, können andere endlich wieder aufatmen. Die Stadt Augsburg zählt zu den größten kommunalen Waldbesitzern in Deutschland. Wie Forstchef Kircher erinnert, gab es zuletzt mehrere schwierige Jahre. Wegen Borkenkäferbefall und Stürmen sei viel Schadholz auf dem Markt und der Preis entsprechend niedrig gewesen. „2020 war für uns ein grottenschlechtes Wirtschaftsjahr mit einem Defizit in der städtischen Forstwirtschaft“, sagt er. Nun sieht Kircher wieder Licht am Ende des Tunnels. Bei steigenden Holzpreisen sei in diesem Jahr zumindest eine „schwarze Null“angestrebt, wenn es gut laufe, sogar ein Gewinn. Um von dem neuen Trend zu profitieren, habe die Stadt einen Teil des zulässigen Einschlags in den Wäldern vorgezogen.
Kircher erklärt auch, wie wichtig Einnahmen aus den städtischen Forsten sind. Von steigenden Erträgen profitieren die ehemals Wald besitzenden Stiftungen in Augsburg, die sich in Bereichen wie Altenhilfe, Soziales oder Kultur engagieren.
Für die älteste bestehende Sozialsiedlung der Welt, die Augsburger Fuggerei, sind Erträge aus der Forstwirtschaft ebenfalls enorm wichtig. Die beiden vergangenen Jahre seien wegen der niedrigen Holzpreise wirtschaftlich fast exisinnerhalb tenziell schlecht gewesen, sagt der Administrator der Fuggerschen Stiftungen, Wolf-dietrich Graf von Hundt. 2020 habe es einen Tiefpunkt gegeben – mit einer Halbierung des Durchschnittspreises und etwa einer Million Euro weniger Umsatzerlösen im Vergleich zu guten Jahren. Doch auch er kann jetzt wieder tief durchatmen. In den ersten drei Monaten dieses Jahres habe es bereits 200.000 Euro mehr Umsatzerlöse gegeben als im Vergleich zum Vorjahr, freut er sich. Das kommt vor allem auch der Fuggerei zugute.
Dort machte zuletzt nicht nur die schlechte Lage beim Holzverkauf Probleme. Auch im Tourismus brachen die Einnahmen weg. Wegen der Corona-beschränkungen musste die Sozialsiedlung, die zu den beliebtesten Sehenswürdigkeiten in Augsburg zählt, für Besucher geschlossen werden. Die Folgen waren nach Angaben des Administrators erheblich. Geplante teure Sanierungen mussten verschoben werden. Einige andere Projekte innerhalb der Fuggerschen Stiftungen mussten über Kredite finanziert werden. Mit den steigenden Holzpreisen kann man bei den Stiftungen rechtzeitig zum 500. Jubiläum der Fuggerei wieder etwas durchatmen. Wolf-dietrich Graf von Hundt formuliert es so: „Das Tal der Tränen im Forst ist durchschritten.“