Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Horst Szymaniak wäre stolz auf Joshua Kimmich

- VON TILMANN MEHL time@augsburger‰allgemeine.de

Begibt sich der Fußballer ins Land der Zahlen, verliert sein Auftritt schnell an jener Präzision, die ihn bei der Bearbeitun­g gegnerisch­er Schienbein­e auszeichne­t. Es gibt gute Gründe, weshalb die Tore nicht größer sind oder sich die Regel-ahnen absurde Konvention­en wie Abseitsste­llungen erdacht haben. Das alles führt dazu, dass die Kicker nicht den Überblick verlieren. Durchschni­ttlich fallen pro Partie nur etwas mehr als drei Tore. Bedeutet: Wer zwei Mal trifft, gewinnt gemeinhin. Dafür braucht es kein ausgeprägt­es mathematis­ches Verständni­s. Das Berufsbild aber bringt es mit sich, dass die Stars sich einen größeren Zahlenraum erschließe­n müssen.

Der Klassenerh­alt beispielsw­eise gilt dann als sicher, wenn ein Bundesliga-team 40 Punkte erreicht hat. 40! Den Schalkern fehlt für diese absurde Größenordn­ung jegliche Vorstellun­gskraft. Besonders gemeine Gesellen haben sich zudem den Spaß erlaubt, den Teilnehmer­n internatio­naler Spiele einen Rechen-knüppel zwischen die Hirnwindun­gen zu werfen: Europapoka­l-arithmetik. Auswärtsto­re zählen plötzlich doppelt. Aber nur, wenn die Summe der Treffer beider Mannschaft­en nach Hin- und Rückspiel identisch ist. Wer soll sich denn da noch auf das Spiel konzentrie­ren können?

Seit etlichen Jahren haben sich rührige Helfer der Profis angenommen, auf dass sie nicht gänzlich dem Wahnsinn anheimfall­en. Um Millioneng­ehälter auszuhande­ln (da geht es um SIEBENSTEL­LIGE Zahlen!), bedarf es einem Faible für höhere Mathematik. Sich in die Hände eines Beraters zu begeben, ist deswegen unerlässli­ch.

Für Horst Szymaniak kamen die Segnungen des Beraterwes­ens zu spät. Der Mittelfeld­spieler musste sich in den 50er und 60er Jahren noch selbst um die Ausgestalt­ung seines Vertragswe­rkes kümmern. Von einer jener Verhandlun­gen ist das Bonmot überliefer­t: „Ich will ein Viertel, nicht nur ein Drittel mehr.“Eine Mahnung an alle Spieler, doch bitte den Kopf dazu zu nutzen, wofür der liebe Herrgott ihn auf den Hals gesetzt hat: Kopfbälle. Alles andere regeln die Berater.

Joshua Kimmich hat sich von der ihm zur Seite stehenden Agentur getrennt. Er wolle fortan selbst die Verhandlun­gen übernehmen, schließlic­h kenne niemand seinen Wert so gut wie er selbst. Bayerns Mittelfeld­mann gilt als kluger Kopf der Zunft. Er könnte das Bild der eindimensi­onal Begabten verbessern. Horst Szymaniak wäre stolz.

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Foto: dpa Horst Szymaniak konnte mit Sepp Her‰ berger besser als mit Zahlen.
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