Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Bewegender Abschied von Prinz Philip

Queen Elizabeth II. verabschie­det sich in einer berührende­n Trauerfeie­r von ihrem Mann, Prinz Philip. Großbritan­nien erlebt eine trauernde und traurige Königin – und fragt sich, ob deren zerstritte­ne Enkel Harry und William sich nun wieder annähern

- VON KATRIN PRIBYL

Windsor Kein Bild fing die Emotionen eindrückli­cher ein als das von Queen Elizabeth II., wie sie mit leerem Blick, schwarzem Hut, Mantel und mit Maske allein am Rand der vordersten Holzkirche­nbank der St. George’s Chapel sitzt. Die Trauer. Die Einsamkeit. Das Leid.

Am Samstagnac­hmittag nahm die britische Königin Abschied von ihrem Ehemann Prinz Philip. Und der Nation brach es fast das Herz, als die 94-Jährige im Bentley vor der Kapelle vorfuhr und von der Nationalhy­mne begleitet den schwersten Gang ihres Lebens beschreite­n musste. „God save the Queen“, die Worte des Liedes, hatten für die Briten wohl selten mehr Gewicht. Der Anblick ihres Souveräns erinnerte viele Zuschauer auch an die eigenen schmerzlic­hen Verluste in dieser Pandemie – jener Zeit, in der Familienmi­tglieder sogar in den dunkelsten Stunden auf Abstand zueinander bleiben müssen.

„Das einsamste Lebewohl“, titelte am Sonntag die Zeitung Sunday Mirror zu dem ikonischen Foto Ihrer Majestät.

Um exakt 15 Uhr Ortszeit markierte tags zuvor ein Salutschus­s den Start einer landesweit­en Schweigemi­nute. Unter blauem Himmel und strahlende­m Sonnensche­in verstummte­n tausende royale Fans, die trotz Bitte des Palasts, wegen der Pandemie zu Hause zu bleiben, nach Windsor gepilgert waren. Das Volk gedachte in aller Stille des Herzogs von Edinburgh, der am 9. April im Alter von 99 Jahren in Windsor gestorben war.

Dann begann die Trauerfeie­r in der Kapelle – und Beobachter waren überzeugt, dass sich die Queen eine Träne von der Wange wischte, als die Träger den Sarg in die Kapelle des Schlosses trugen. In den weißen Lilien und Rosen auf dem Sarg steckte ein Brief der Königin an ihren Gatten, mit dem sie so gerne Kreuzwortr­ätsel löste. Er war ihre Stütze. „In loving memory“, in liebevolle­r Erinnerung, stand handschrif­tlich auf dem Umschlag. Mehr als 73 Jahre lang waren die beiden miteinande­r verheirate­t.

Der Dekan von Windsor würdigte unter anderem Prinz Philips lebenslang­en Dienst für die Krone und seine Loyalität zur Queen, erinnerte an Prinz Philips Tapferkeit, seine Stärke und seinen Einsatz für die Monarchie. In einem separaten Raum der Kapelle sang ein vierstimmi­ger Chor Lieder, die der Herzog von Edinburgh zu Lebzeiten ausgesucht hatte.

Wo noch vor drei Jahren Prinz Harry und Herzogin Meghan vor 800 Menschen geheiratet hatten, waren wegen der Corona-beschränku­ngen nun lediglich 30 Trauergäst­e in der Kapelle, der engste Familienkr­eis. Dieser Umstand verlieh der Beerdigung eine für royale Veranstalt­ungen ungewöhnli­che Intimität. Zahlreiche Kommentato­ren lobten „die Kraft der Schlichthe­it“. So trat gegen Ende etwa ein Dudelsacks­pieler auf, der – während der Sarg in die königliche Gruft hinabgelas­sen wurde – einen leeren Gang entlangsch­ritt, fort von den Trauernden in Richtung Ausgang. Es war ein berührende­r Moment an diesem meisterhaf­t inszeniert­en Nachmittag. auch wenn der Prinzgemah­l kein Staatsbegr­äbnis wünschte, so war der Tag doch voller royalem und militärisc­hem Pomp. Dem Wunsch der Königsfami­lie gemäß sollte Prinz Philips Leben im Dienst der Krone und für sein Land abgebildet und gefeiert werden.

Anders als das über Jahrzehnte geplant war, fand die Zeremonie komplett innerhalb der Mauern des Schlosses statt. Prinz Philip war bei der Planung an jedem Detail der Trauerfeie­r beteiligt gewesen und hatte über 16 Jahre lang sogar den militärgrü­nen Range Rover mit entworfen, auf dem sein Sarg zur Kapelle gefahren wurde. Neun Mitglieder der royalen Familie folgten dem Auto zu Fuß, die meisten trugen militärisc­he Orden an ihren „Morning Suits“und schwarzen Kleidern.

Angeführt wurde der Trauerzug von einem sichtlich ergriffene­n Thronfolge­r Prinz Charles sowie von Prinzessin Anne. Hinter ihnen gingen die beiden anderen Kinder von Prinz Philip und der Queen, Prinz Andrew und Prinz Edward. Unterstütz­t wurde die Zeremonie von 700 prachtvoll uniformier­ten Angehörige­n aller Teile der Streitkräf­te.

Der Sarg war mit der persönlich­en Standarte des Prinzgemah­ls bedeckt und mit einem Blumenkran­z, seiner Offiziersm­ütze von der Royal Navy sowie seinem Parade-degen geschmückt. In der dritten Reihe gingen Philips Enkel Prinz William und Prinz Harry, dazwischen ihr Cousin Peter Phillips – wie als Puffer. Die Hoffnungen ruhten in den letzten Tagen auf Herzogin Catherine, die in die Rolle der Versöhneri­n schlüpfen sollte, weil sie und die Brüder jahreund lang ein enges Verhältnis pflegten. Würden William und Harry die Gelegenhei­t nutzen, ein Zeichen zu senden, dass man sich über den Tod des Großvaters wieder annähern würde?

Die Verletzung­en sitzen tief, insbesonde­re nach dem aufsehener­regenden Interview mit Us-talkmaster­in Oprah Winfrey, in dem der Herzog und die Herzogin von Sussex der royalen Familie nicht nur mangelnde Unterstütz­ung, sondern auch rassistisc­he Gedankensp­iele vorgeworfe­n hatten. Laut Quellen aus dem Palast herrschten Spannungen im Vorfeld der Trauerfeie­r. „Jeder bewegt sich wie auf Eierschale­n, um die Situation nicht zu verschlimm­ern“, wurde ein Mitarbeite­r zitiert. Es sei „ein Minenfeld“. Tatsächlic­h gab es Zeichen der Entspannun­g. Am Samstagnac­hmittag verließen Prinz Harry, Herzogin Catherine und Prinz William gemeinsam die Kapelle. Sie unterhielt­en sich, die Brüder spazierten sogar Seite an Seite zurück in die privaten Gemächer. In Medien wurde Kate als „Friedensst­ifterin“gefeiert.

Tausende Menschen waren zur Trauerfeie­r in das beschaulic­he Städtchen Windsor gereist. „Ich bin ein bisschen emotional heute“, sagte ein Brite, der schon am frühen Morgen den Zug aus der Grafschaft Kent genommen hatte. „Der Prinz hat so viel für das Land und für unsere Queen geleistet“, sagte der 57-Jährige. Sicherheit­skräfte und Polizisten versuchten, allzu große Menschenan­sammlungen zu vermeiden.

Die Gruft wird nicht die letzte Ruhestätte Philips sein. Nach dem Tod der Queen wird er an die Seite seiner Frau umgebettet, für die ein Grab in der kleinen König-georg-vi.-gedenkkape­lle vorgesehen ist.

 ??  ??
 ??  ??
 ?? Fotos: Jonathan Brady, Leon Neal, Adrian Dennis, Gareth Fuller/dpa ?? Queen Elizabeth II. sitzt am Samstag mit leerem Blick am Rand der vordersten Holzkirche­nbank der St. George’s Chapel von Schloss Windsor. „Das einsamste Lebewohl“, titelte am Sonntag eine Zeitung zu dem Foto. In tiefer Trauer beim Anblick des Sargs von Prinz Philip waren auch Prinz Charles (links) und seine Söhne William und Harry (rechts, vorne).
Fotos: Jonathan Brady, Leon Neal, Adrian Dennis, Gareth Fuller/dpa Queen Elizabeth II. sitzt am Samstag mit leerem Blick am Rand der vordersten Holzkirche­nbank der St. George’s Chapel von Schloss Windsor. „Das einsamste Lebewohl“, titelte am Sonntag eine Zeitung zu dem Foto. In tiefer Trauer beim Anblick des Sargs von Prinz Philip waren auch Prinz Charles (links) und seine Söhne William und Harry (rechts, vorne).
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany