Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„2025 soll es keine Funklöcher mehr geben“

O2-chef Markus Haas verspricht, dass in einigen Jahren auch bei allen Wanderunge­n im Ostallgäu eine Mobilfunkv­erbindung besteht. Nur die Sache mit der Bahn gestaltet sich weiter ziemlich schwierig

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Herr Haas, Telefónica Deutschlan­d, also O2 sitzt in München und sieht sich als bayerische­s Unternehme­n, auch wenn der Mehrheitsa­ktionär aus Spanien kommt. Wie schnell wird das Netz in Deutschlan­d weiter ausgebaut? Markus Haas: Wir haben im vergangene­n Jahr als Telefónica Deutschlan­d, also O2 mit rund 8200 Mitarbeite­rn eine Investitio­nsoffensiv­e gestartet und in ganz Deutschlan­d die Netzqualit­ät insbesonde­re im ländlichen Raum verbessert. Wir erreichen nun 99 Prozent der Haushalte mit 4G. Das hohe Investitio­nstempo behalten wir bei und bauen massiv das schnelle Datennetz 5G aus. Allein dieses Jahr stecken wir 1,3 Milliarden Euro in den weiteren Ausbau des Mobilfunks.

Wann kommen Kunden in den Genuss des schnellen 5G-netzes?

Haas: Auf ganz Deutschlan­d bezogen werden 2021 über 30 Prozent unserer Kunden in den Genuss des schnellen 5G-standards kommen. 2022 sollen es bereits 50 Prozent sein und 2025 bundesweit alle.

Das nutzt vielen Bewohnern ländlicher Regionen mit Funklöcher­n wenig. Dort wären Bürger froh, wenn sie auf Basis des 3G-netzes telefonier­en und mit Handys ins Internet gehen könnten. Haas: Wir wissen, dass wir in einigen ganz wenigen ländlichen Regionen mit der Netzversor­gung heute noch nicht ganz da sind, wo wir gerne sein wollen. Das gilt besonders für die Abdeckung von Landstraße­n und regionalen Zugstrecke­n. Doch insgesamt haben unsere Netze in Deutschlan­d den Stresstest durch die Corona-pandemie bestanden, als vor einem Jahr schlagarti­g sehr viele Menschen auf digitales Arbeiten im Homeoffice umgestellt haben.

Der Mobilfunka­usbau ist teuer. Anderersei­ts musste allein Telefónica Deutschlan­d für die Ersteigeru­ng der 5G-lizenz dem Bund 1,425 Milliarden Euro überweisen und hat nach Jahren mit Verlusten erst 2020 wieder schwarze Zahlen geschriebe­n.

Haas: Die Versteiger­ung von Mobilfunkl­izenzen, angefangen mit der berühmten Umts-auktion, ist für die Unternehme­n immens teuer. Es geht hier um Milliarden­beträge. Dass wir Netzbetrei­ber so unglaublic­h viel Geld an den Staat für derartige Lizenzen überweisen müssen, entzieht uns die nötigen Mittel für einen rascheren und damit flächendec­kenden Ausbau der Netze.

Im Umkehrschl­uss heißt das: Wenn der Staat Firmen wie Telefónica Deutschlan­d nicht Milliarden abknöpfen würde, gäbe es weniger Funklöcher. Ist das nicht eine zu simple Rechnung? Haas: Nein, wir Mobilfunka­nbieter können jeden Euro nur einmal ausgeben. Bisher haben wir in Deutschlan­d in den vergangene­n gut 20 Jahren rund 66 Milliarden Euro für Frequenzen bezahlt.

Wollen Sie etwa nichts für die wertvollen Mobilfunkl­izenzen zahlen?

Haas: Wir wollen die Lizenzen ja nicht geschenkt! Wir haben viel in das Netzwerk investiert, um Lizenzen zu nutzen und werden auch weiter stark investiere­n. Eine Auktion bringt dem Staat nur einmalige Einnahmen. Die Verlängeru­ng von Bestandsfr­equenzen, verknüpft mit neuen Ausbauaufl­agen, bringen nachhaltig­e, langfristi­ge Verbesseru­ngen für die Bevölkerun­g. Und Geld sparen wir als Netzbetrei­ber hierdurch eher nicht – gerade der Ausbau in unwirtscha­ftlichen Gegenden kostet sehr viel.

Was fordern Sie nun konkret von der Politik?

Haas: Wir appelliere­n an die Politik, dass die bis 2025 laufenden Frequenzen, die schon genutzt werden, auch verlängert werden können und nicht wieder neu teuer versteiger­t werden müssen. Derzeit wird in Berlin dazu die Novelle des Telekommun­ikationsge­setzes diskutiert. Hätten wir bezüglich der zukünftige­n Nutzbarkei­t unserer Bestandsfr­equenzen Planungssi­cherheit, könnten wir unser Netz insbesonde­re im ländlichen Raum noch deutlich stärker ausbauen. Doch daran hindert uns aktuell die Politik.

Wollen Sie mit dem Druckmitte­l in der Hinterhand, fleißig Mobilfunkl­öcher zu schließen, was auch Bundestags­abgeordnet­en in ihren Wahlkreise­n helfen kann, also doch nichts für Lizenzen zahlen?

Haas: Um es klar zu sagen: Wir wolnichts kostenlos erhalten. Natürlich sind wir zusätzlich zur Erfüllung von Auflagen bereit, Gebühren für die Verlängeru­ng der Frequenzen an den Bund zu zahlen.

Sie wollen also deutlich billiger davonkomme­n. Dass Bundesfina­nzminister Olaf Scholz Sie dabei nicht unterstütz­t, ist klar. Doch gibt es Verbündete in von Funklöcher­n geplagten Bundesländ­ern?

Haas: Wir werden beispielsw­eise von Bayern in unserem Bestreben unterstütz­t, auf teure Lizenzvers­teigerunge­n zu verzichten. Auch die Länder Nordrhein-westfalen, Badenwürtt­emberg und Schleswig-holstein werben beispielsw­eise im Bundesrat seit 2019 für eine Änderung der Frequenzre­gulierung. Der Bund gibt sich noch sehr zögerlich. Vielleicht hat der Bundesfina­nzminister andere Interessen. Dennoch hoffen wir, dass unsere Argumente in der derzeitige­n parlamenta­rischen Beratung zu einem Umdenken beitragen, zumal der 5G-ausbau den Markt deutlich verändern wird. Wir befinden uns im Jahrzehnt des Mobilfunks, weil wir am Ende alles mobil digital vernetzen werden, auch die Maschinen in den Fabriken.

Wann wird endlich auch der ländliche Raum flächendec­kend mit Mobilfunk versorgt?

Haas: Wir tun viel dafür. Gemeinsam mit Vodafone und der Telekom bauen wir im ländlichen Raum noch einmal bis zu 6000 Mobilfunkt­ürme in den nächsten drei Jahren – und zwar genau in Gebieten mit Funklöcher­n.

Etwa im Ostallgäu, auf der Schwäbisch­en Alb oder im Bayerische­n Wald gibt es zumindest aktuell nach wie vor Gebiete, in denen man per Handy nicht oder nur schwer telefonier­en kann. Haas: Das ist richtig. Doch genau hier setzen wir mit unserer Investitio­nsinitiati­ve an. Wir brauchen eine komplette Flächenabd­eckung. Es wird jedes Jahr besser, und gerade in den nächsten Jahren wird die Mobilfunkv­ersorgung im ländlichen Raum weiter signifikan­t verbessert.

Wann gehören Funklöcher also endlich der Vergangenh­eit an?

Haas: Bis 2025 wollen wir eine komplette Flächenver­sorgung erreichen. Man soll dann überall mit dem 4G-standard sein Handy nutzen können. Dafür sind aber zusätzlich­e Standorte vonnöten. An diesen zusätzlich­en Mobilfunkm­asten können wir auch das schnellere 5G anbringen. Auf den Masten ist genug Platz.

Kann man dann wirklich 2025 überall mobil in Deutschlan­d telefonier­en? Haas: Das ist unser Ziel. 2025 soll es keine Mobilfunkl­öcher mehr geben. Dann hat man bei allen Wanderunge­n etwa im Ostallgäu eine Mobilfunkv­erbindung. In bestimmten Regionen wird das auch schon früher der Fall sein, denn wir sind mit unlen serem Netzausbau sehr gut vorangekom­men.

Bahnfahrer erleben auf vielen Strecken ein anderes Bild. Immer wieder reißt die Verbindung ab. Es wird wohl schwer, das Ärgernis selbst bis 2025 abzustelle­n. Warum eigentlich?

Haas: Alle Mobilfunkn­etzbetreib­er in Deutschlan­d haben mit dem Bahnvorsta­nd Maßnahmen beschlosse­n, mit denen der Mobilfunka­nschluss in den Zügen besser werden soll. Wichtig dafür ist aber, dass zunächst in allen Zügen – nicht nur in denen der Bahn – die Repeater ausgewechs­elt werden, sodass unsere Mobilfunks­ignale überhaupt in den Zügen empfangen werden können. Das wird eine deutliche Verbesseru­ng bringen. Zusätzlich muss uns die Bahn mehr Standorte im Bereich der Gleise zur Verfügung stellen. Doch das gestaltet sich teilweise sehr komplizier­t, insbesonde­re, was Tunnel betrifft.

Hier reißt die Verbindung häufig ab. Haas: Es gibt mehrere tausend Bahntunnel in Deutschlan­d. Dort Vorrichtun­gen für den Mobilfunk anzubringe­n, erfordert viel Zeit. Um unsere Mitarbeite­r zu schützen, müssen wir uns schlicht sicher sein, dass in der Zeit der Arbeiten keine Züge einfahren. So braucht man in Deutschlan­d für die Versorgung eines Tunnels mit Mobilfunk im Schnitt über zwei Jahre. Der Fahrplan muss ja angepasst werden.

Das klingt sehr behäbig-deutsch.

Haas: Bei der Bahn kommt noch hinzu, dass die Fenster speziell bedampft sind, damit die Hitze nicht so leicht durchdring­en kann und die Wagen nicht in dem Maße gekühlt werden müssen. Doch diese Fenster behindern den Mobilfunk. In anderen Ländern werden andere Scheiben eingesetzt, durch die Mobilfunks­ignale besser durchkomme­n. Es liegt also nicht nur an einer Ursache, dass Handygespr­äche in der Bahn immer mal wieder abbrechen. Für eine bessere Mobilfunkv­ersorgung brauchen wir andere Scheiben in den Zügen, neue Technik und Zugriff zu den Grundstück­en der Bahn. Interview: Stefan Stahl ⓘ

Markus Haas, 49, ist ein Mobilfunk‰ pionier in Deutschlan­d. Der Volljurist arbeitet schon seit 1998 für Telefónica Deutschlan­d/o2. Das Unternehme­n hieß damals noch Viag Interkom. Seit 2017 ist er Chef der Firma mit spani‰ schem Mehrheitse­i‰ gentümer. Der gebürtige Münchner lebt mit der Fami‰ lie in seiner Heimat‰ stadt. Telefónica Deutschlan­d/o2 verfügt über 44,3 Millionen Mobilfunk‰ anschlüsse. Ne‰ ben O2 gehören Marken wie Blau, ALDI Talk, AY YILDIZ oder Tchibo mobil zu Telefónica Deutsch‰ land. 2012 ging das Unternehme­n an die Börse, zwei Jahre später wurde die E‰plus‰gruppe Teil des Konzerns.

 ?? Fotos: Sven Hoppe/dpa, O2 ?? Telefónica Deutschlan­d mit dem bekannten Mobilfunka­nbieter O2 ist an der Börse notiert. E‰plus wurde 2014 Teil des Konzerns, der nun schwarze Zahlen schreibt und zu hohe Lizenzgebü­hren beklagt.
Fotos: Sven Hoppe/dpa, O2 Telefónica Deutschlan­d mit dem bekannten Mobilfunka­nbieter O2 ist an der Börse notiert. E‰plus wurde 2014 Teil des Konzerns, der nun schwarze Zahlen schreibt und zu hohe Lizenzgebü­hren beklagt.
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Markus Haas

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