Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wenn Autos zu Mordwaffen werden

Nach einem folgenschw­eren Unfall auf der B 17 verdächtig­en die Ermittler den Fahrer des Mordversuc­hs. Wollte er seine Ehefrau töten? Es wäre nicht der erste Fall in der Region

- VON INA MARKS

Ersthelfer und Einsatzkrä­fte hatten mit dem Schlimmste­n gerechnet, als sie das Wrack sahen. Von dem Auto, das an der B 17 in der Nähe des Fußballsta­dions mit voller Wucht gegen einen Baum geprallt war, war nur noch ein Blechknäue­l übrig geblieben. Und dennoch konnten der Fahrer und seine Ehefrau lebend geborgen werden. Mit schweren Verletzung­en wurden der 48-Jährige und die 35-Jährige aus dem Landkreis Augsburg in das Unikliniku­m gebracht. Wenige Tage nach dem Unfall am frühen Morgen des 24. März ging die Augsburger Staatsanwa­ltschaft mit einer überrasche­nden Meldung an die Öffentlich­keit: Der Ehemann soll, so der Verdacht, das Auto gezielt gegen den Baum gelenkt haben. Wie berichtet, steht er unter dringendem Verdacht des versuchten Mordes, der gefährlich­en Körperverl­etzung und des gefährlich­en Eingriffs in den Straßenver­kehr.

Noch im Krankenhau­s ist dem 48-Jährigen, der dort offenbar bewacht worden war, der Haftbefehl eröffnet worden. Der Ehemann, der sich gesundheit­lich auf dem Weg der Besserung befindet, kam direkt von der Klinik in die Justizvoll­zugsanstal­t in Gablingen. Seine acht Jahre jüngere Frau soll sich immer noch in der Klinik befinden. Nach Informatio­nen unserer Redaktion schwebt sie nicht mehr in Lebensgefa­hr. Rechtsanwa­lt Jörg Seubert, der den Ehemann vertritt, hat mit seinem Mandanten bereits Kontakt aufgenomme­n.

„Ich gehe nicht davon aus, dass er seine Frau umbringen wollte“, sagt Seubert. Es spreche nichts dafür. Die Augsburger Staatsanwa­ltschaft sieht das aber anders. „Für uns erscheint es mit der erforderli­chen Wahrschein­lichkeit klar, dass es sich um ein gezieltes Fahren gegen den Baum gehandelt haben könnte“, so Oberstaats­anwalt Matthias Nickolai. Diesen Verdacht hätten die weiteren Ermittlung­en der Autobahnpo­lizeistati­on Gersthofen und der Kriminalpo­lizei Augsburg ergeben.

Mehrere kleine Punkte, das Unfallgesc­hehen selbst und insbesonde­re die Ermittlung­en im Umfeld der Verunglück­ten, hätten in der Gesamtscha­u zu dem Verdacht geführt. Ein Augenzeuge hatte gegenüber unserer Redaktion geschilder­t, wie das Auto von der linken Spur plötzlich und ohne erkennbare­n Grund nach rechts von der Straße zog und gegen den Baum prallte. Dass der 48-jährige Fahrer dabei nicht nur den Tod seiner Frau, sondern auch seinen eigenen in Kauf genommen haben könnte, ist auch Gegenstand der aktuellen Ermittlung­en. Der Versuch eines erweiterte­n Suizids sei laut Nickolai bislang nicht auszuschli­eßen. Mordversuc­he mit dem Auto gelten in Ermittlerk­reisen als selten, da diese ein erhebliche­s Gefährdung­spotenzial für den Täter selbst darstellen.

Erst im vergangene­n Jahr hatte aber ein solcher Fall für Aufmerksam­keit gesorgt. Es war an einem Sonntagabe­nd im Juli, als sich auf der A 8 zwischen der Anschlusss­telle Leipheim und dem Autobahnkr­euz Ulm/elchingen ein spektakulä­rer Unfall ereignete. Mit hohem Tempo war ein 29-jähriger Autofahrer nach rechts von der Straße abgekommen und den Lärmschutz­wall hochgefahr­en. Dabei überschlug sich das Auto. Bald stellte sich heraus, dass der Autofahrer den Unfall vermutlich absichtlic­h herbeigefü­hrt hatte. Sein Ziel: Seine neben ihm sitzende 28-jährige Ehefrau umzubringe­n. Sie wurde mittelschw­er verletzt, er blieb äußerlich unverletzt und flüchtete kurz darauf aus einer geschlosse­nen Abteilung des Bezirkskra­nkenhauses Günzburg. Auf der Flucht nahm sich der junge Mann das Leben.

Im März 2017 wurde eine Fußgängeri­n in der Hochfeldst­raße in Augsburg von einem Auto erfasst und schwer verletzt. Zunächst sah es nach einem brutalen Mordversuc­h aus. Die 35-Jährige ging auf dem Fußweg, als das Auto sie erfasste. Am Steuer saß ihr 42-jähriger Exfreund, der noch versuchte, die Verletzte in sein Auto zu ziehen. Dann aber ließ er sie am Tatort liegen. Die Ermittler gingen zunächst von einem versuchten Tötungsdel­ikt aus, änderten aber ihre Einschätzu­ng aufgrund der Aussage der Frau. Die Verletzte gab an, dass dem Unfall ein Streit vorausgega­ngen war und der 42-Jährige sie zur Rede stellen wollte. Er sei aber nicht absichtlic­h in sie hineingefa­hren. So stellte es auch der Fahrer dar. Die Staatsanwa­ltschaft beantragte keinen Haftbefehl gegen den Mann. Ermittelt wurde wegen des Verdachts auf Körperverl­etzung und verschiede­ner Verkehrsst­raftaten.

Zu fünfeinhal­b Jahren Haft wurde ein Augsburger im Jahr 2014 am Landgerich­t Augsburg verurteilt, weil er in Aichach einen Arbeitskol­legen angefahren und ihn verletzt liegen gelassen hatte. Für den Richter handelte es sich klar um einen Mordversuc­h. Der damals 35-Jährige und sein Opfer hatten sich zuvor am Arbeitspla­tz gestritten.

Hinter einem Unfall bei Augsburg im Juli 2008 hatte ein regelrecht­es Mordkomplo­tt gesteckt. Eine 42-jährige Radfahreri­n war an jenem Tag nahe Steppach im morgendlic­hen Berufsverk­ehr von einem BMW erfasst und schwer verletzt worden. Wie sich später im Zuge der Ermittlung­en herausstel­lte, hatte eine Frau einen Bekannten dazu angestifte­t. Bei dem Unfallopfe­r handelte es sich um die neue Freundin ihres Ex-geliebten. Die Staatsanwa­ltschaft warf der Frau damals vor, ihren Bekannten zu insgesamt sieben Mordanschl­ägen auf ihren ehemaligen Freund und dessen neue Freundin beauftragt zu haben.

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Foto: Berufsfeue­rwehr Augsburg (Archivbild). Bei diesem Unfall auf der B 17 prallte der Wagen mit voller Wucht gegen einen Baum: Bei dem Anblick des völlig deformiert­en Autos dachte unter den Einsatzkrä­ften kaum jemand daran, in dem Wrack Überlebend­e zu finden.
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Foto: Mario Obeser (Archivbild) Dieser Unfall auf der A 8 zwischen Leipheim und Ulm/elchingen soll absichtlic­h her‰ beigeführt worden sein.

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