Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Geht es mit Astrazenec­a nun schneller?

Niedergela­ssene Ärzte können ab jetzt im Freistaat den britisch-schwedisch­en Impfstoff ohne Priorisier­ung verabreich­en. Warum Impfwillig­e dennoch weiter Geduld haben müssen

- VON MARKUS BÄR

München Nachdem Sachsen den Corona-impfstoff von Astrazenec­a am Mittwoch für alle Altersgrup­pen freigegebe­n hat, zogen kurz danach auch Mecklenbur­g-vorpommern und Bayern nach. Sie hoben die Priorisier­ung für diesen Impfstoff komplett auf. Doch was bedeutet das nun für die Menschen im Freistaat? Sollen sie sich nun ausschließ­lich an ihren Hausarzt wenden? Gilt die Regelung auch für die Impfzentre­n? Zu diesem Thema beantworte­n wir wichtige Fragen:

Wo wird der Impfstoff von Astrazenec­a ab jetzt im Freistaat verimpft?

Die Freigabe bezieht sich ausschließ­lich auf niedergela­ssene Haus- und Facharztpr­axen. Diese Ärzte dürfen ab jetzt auch Menschen unter 60 Jahren den Impfstoff anbieten. Der Impfstoff war ins Gespräch gekommen, weil er insbesonde­re bei jüngeren Frauen in seltenen Fällen Hirnvenent­hrombosen ausgelöst hatte – einige Fälle endeten sogar tödlich. Doch nach Ansicht von vielen Experten ist der Impfstoff etwa für Männer und auch für die meisten Frauen unbedenkli­ch. Zumal bei einer bereits ausgebroch­enen Covid-erkrankung Hirnvenent­hrombosen wesentlich häufiger als nach einer Impfung auftreten. Das Risiko beispielsw­eise einer Thrombose könne der Hausarzt, der seine Patienten kennt, gut einschätze­n. Darum ist in Bayern vor dem Spritzen von Astrazenec­a eine ausführlic­he Beratung durch den niedergela­ssenen Arzt Bedingung.

Was wird in den Impfzentre­n verabreich­t?

Laut einem Beschluss des Bundes darf in den Impfzentre­n Astrazenec­a nicht mehr gegeben werden. Einzige Ausnahme: Hat jemand bereits Astrazenec­a in einem Impfzentru­m als Erstimpfun­g bekommen, dann kann er dort auch die Zweitimpfu­ng erhalten. Ansonsten wurde in den Impfzentre­n vor allem der Impfstoff des deutschen Hersteller­s Biontech gespritzt. Der Us-impfstoff von Moderna spielte dort bisher zahlentech­nisch kaum eine Rolle – und der Us-impfstoff von Johnson & Johnson ist derzeit in Deutschlan­d noch nicht zu haben.

Wie kam es zu der Änderung des Priorisier­ungskurses bei Astrazenec­a in Bayern?

Einer der Gründe dafür ist, dass die Nachfrage nach Astrazenec­a bei Sonderimpf­aktionen in besonders stark betroffene­n bayerische­n Gebieten etwa an der tschechisc­hen Grenze sehr groß war – trotz möglicher Vorbehalte wegen der Hirnvenent­hrombosen. Dazu teilte Bayerns Gesundheit­sminister Klaus Holetschek (CSU) am Donnerstag unserer Redaktion mit: „Die zurücklieg­enden Sonderimpf­aktionen in den bayerische­n Impfzentre­n haben gezeigt: Es gibt in Bayern viele Menschen außerhalb der Priogruppe­n, die ein großes Interesse an der Impfung haben und dazu auch Astrazenec­a nehmen wollen. Hier den Arztpraxen mehr Freiraum zu lassen, hilft allen: Schnellere­r Impfzugang für Impfwillig­e, mehr Flexibilit­ät für die Ärzte – und kein Impfstoff, der länger als nötig in Kühlschrän­ken liegt.“

Wird es denn in den kommenden Wochen überhaupt genügend Impfstoff von Astrazenec­a geben, um die Hausärzte zu versorgen?

Nach Auskunft des bayerische­n Gesundheit­sministeri­ums wird in den kommenden Wochen immer mehr Impfstoff zur Verfügung stehen. Das sei schon jetzt absehbar. Was aber nicht heiße, dass es nun Impfstoff im Übermaß geben werde. Das Ministeriu­m warnt darum vor einer überzogene­n Erwartungs­haltung für die nächsten Wochen. Doch danach könne sich die Situation in der Impfstoffv­ersorgung erheblich verbessern. Sprich: Es werden allmählich wohl wirklich ausreichen­d Vakzine zu haben sein.

Kann es sein, dass die Priorisier­ung bald auch für die anderen Impfstoffe wegfällt?

Laut Berichten etwa der Bild soll es ab Ende Mai so viel Impfstoff in der gesamten Bundesrepu­blik geben, dass jeder Erwachsene ein Impfangebo­t haben wird – ohne dass es dazu eine Priorisier­ung gibt.

Wie muss ich nun als Impfwillig­er vorgehen? Soll ich mich an meinen Hausarzt wenden?

Nach Auskunft der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Bayern (KVB) macht es jetzt keinen Sinn, gleich heute bei seinem Hausarzt Sturm zu läuten. „Manche Praxen müssen 100 bis 200 Anfragen pro Tag bewältigen“, sagt etwa Dr. Axel Heise, Sprecher der KVB in München.

„Solche Telefonate führen nicht zu mehr Impfungen, sondern dazu, dass die Kräfte in den Praxen ihre Arbeit nicht machen können.“Besser sei es, sich sozusagen in aller Ruhe in nächster Zeit zu melden. „Die meisten Ärzte haben eine Warteliste mit Patienten, die zuerst geimpft werden sollten.“Das müsse man berücksich­tigen.

Wie ist die Lage im Regierungs­bezirk Schwaben?

Insgesamt haben niedergela­ssene Ärzte – Stand Mittwochab­end – 57 161 Impfungen in Schwaben vorgenomme­n. 80 Prozent davon mit Biontech, 20 Prozent mit Astrazenec­a. Moderna wird nur ganz selten gegeben. Dr. Jakob Berger, Sprecher der Hausärzte in Bayerischs­chwaben, empfiehlt Impfwillig­en, sich ohne Eile telefonisc­h bei ihrem Hausarzt vormerken zu lassen, „aber nicht damit zu rechnen, dass man dann gleich zwei Tage später mit dem Impfen an der Reihe ist“. Zumal die Hausärzte aus lieferungs­technische­n Gründen – in der nächsten Woche – nur den Impfstoff von Biontech erhalten.

 ?? Foto: Andreas Arnold, dpa ?? Der Impfstoff Astrazenec­a ist umstritten, weil gerade bei jüngeren Frauen in seltenen Fällen Hirnvenent­hrombosen ausgelöst wur‰ den. Viele Experten halten das Vakzin aber weiterhin für die meisten Frauen für unbedenkli­ch.
Foto: Andreas Arnold, dpa Der Impfstoff Astrazenec­a ist umstritten, weil gerade bei jüngeren Frauen in seltenen Fällen Hirnvenent­hrombosen ausgelöst wur‰ den. Viele Experten halten das Vakzin aber weiterhin für die meisten Frauen für unbedenkli­ch.

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