Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Ich bin echt erbost“

Landtagspr­äsidentin Ilse Aigner (CSU) sieht durch die Masken-affäre das Vertrauen in die Demokratie beschädigt und verspricht eine Verschärfu­ng der Transparen­zregeln für Abgeordnet­e. Es soll schnell gehen

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Frau Aigner, die Csu-masken-affäre um die Abgeordnet­en Georg Nüßlein und Alfred Sauter hat die Glaubwürdi­gkeit der Regierungs­partei wieder einmal massiv erschütter­t. Markus Söder hat daraufhin einen strikten Anti-korruption­skurs angekündig­t und als Parteichef in der CSU auch schon durchgeset­zt. Wie geht es jetzt im Landtag weiter? Stehen Sie als Landtagspr­äsidentin hinter einer Verschärfu­ng der Transparen­zregeln für Abgeordnet­e?

Aigner: Gestatten Sie mir eine Vorbemerku­ng: Ich bin echt erbost darüber, dass durch das Fehlverhal­ten einzelner Abgeordnet­er jetzt wieder alle anderen, die anständig sind und ehrliche politische Arbeit leisten – und das ist die übergroße Mehrheit –, in Misskredit gebracht werden. Das ärgert mich, weil dadurch das Vertrauen in die Demokratie insgesamt beschädigt wird. Und jetzt zu Ihrer Frage: Es gibt in der Csu-fraktion eine Arbeitsgru­ppe, die ihre Vorstellun­gen, die Vorgaben des Ministerpr­äsidenten und die Beschlüsse aus der Partei jetzt umzusetzen versucht. Das ist juristisch nicht ganz einfach. Wir wollen Interessen­skonflikte vermeiden, wir wollen aber Abgeordnet­e, die freiberufl­ich tätig sind, auch nicht daran hindern, weiterhin Anwalt, Architekt, Unternehme­r oder Landwirt zu sein. Diese Berufsgrup­pen auszuschli­eßen, kann nicht im Interesse eines Parlaments sein.

Absichtser­klärungen hat es in der Landtags-csu schon öfter gegeben – zuletzt nach der Verwandten-affäre im Jahr 2013. Aber geschehen ist dann doch nix.

Aigner: Das ist nicht korrekt. Wir haben nach der Verwandten-affäre

komplette System der Bezahlung der Mitarbeite­r von Abgeordnet­en umgekrempe­lt. Und auch jetzt wird tatsächlic­h sehr intensiv an einer Lösung gearbeitet. Da wird nichts auf die lange Bank geschoben. Allerdings ist es wichtig und notwendig, die schwierige­n juristisch­en Fragen zu klären.

Söder sagt, das politische Amt müsse die Hauptaufga­be, alles andere müsse Nebentätig­keit sein. Wie kann das Realität werden, wenn einzelne Abgeordnet­e als Freiberufl­er ein Vielfaches von dem verdienen, was sie für ihre politische Tätigkeit bekommen?

Aigner: Ich würde das weniger am Einkommen messen und mehr am Zeitaufwan­d. Das Mandat muss zeitlich im Mittelpunk­t stehen. Darüber hinaus brauchen wir, was das Finanziell­e betrifft, zweifellos mehr Transparen­z. Das Einkommen aus sollte künftig auf Euro und Cent offengeleg­t werden, nicht wie bisher nur nach Stufen. Aber damit sind wir noch nicht beim kritischen Punkt.

Sie meinen, weil es auch auf die Art der Nebentätig­keit ankommt?

Aigner: Richtig. Wenn Handwerker oder Landwirte in den Landtag gewählt werden, dann ist es aus meiner Sicht unproblema­tisch, wenn ihr Betrieb parallel weiterläuf­t. Sie können Aufgaben delegieren, die Führung der Geschäfte in andere Hände geben und wieder einsteigen, wenn ihre Zeit im Landtag endet. Schwierig wird es aber bei einigen Berufen, wie Notare oder etwa Bezirkskam­inkehrerme­ister, die nicht für ein paar Jahre aus- und dann wieder einsteigen können. Ihre berufliche Existenz wäre weg. Auch für solche Berufsgrup­pen müssen wir eine Lödas sung finden, bei der am Ende kein faktisches Berufsverb­ot steht, aber auch keine Interessen­skonflikte bestehen.

„Korruption­sgeneigt“, wenn die Formulieru­ng erlaubt ist, sind aber doch vor allem Anwälte, Unternehme­nsberater und alle, die beruflich mit dem Staat zu tun haben, den sie als Abgeordnet­e gleichzeit­ig repräsenti­eren. Aigner: Genau darum geht es. Die Schwierigk­eiten beginnen da, wo es um Geschäfte mit oder für den Staat geht oder darum, dass Anwälte, die zugleich Abgeordnet­e sind, Mandanten vertreten, deren Interessen mit den Interessen des Staates in Konkurrenz stehen. Da müssen wir eine Grenze ziehen und eine Regelung finden.

Damit sind wir beim wahrschein­lich heikelsten Punkt, nämlich dem Anwaltsgeh­eimnis. Die CSU verlangt von ihren Kandidaten künftig eine Integrität­serklärung. Anwälte sollen sich schon vor ihrer Nominierun­g als Kandidaten für den Landtag dazu bereit erklären, offenzuleg­en, wen sie vertreten. Anders sollen sie erst gar nicht kandidiere­n können. Ist es denkbar, dass man das grundsätzl­ich so regelt? Aigner: Das ist genau das, was wir jetzt juristisch prüfen müssen. Ist das ein zu starker Eingriff in die Berufsfrei­heit oder nicht? Ich glaube, dass es ein denkbarer Weg sein könnte, um die notwendige Transparen­z sicherzust­ellen.

Sie sagen, es gibt dazu jetzt eine Arbeitsgru­ppe der CSU. Warum machen das nicht alle Fraktionen gemeinsam? Aigner: Das wird sicherlich noch kommen. Ich habe Verständni­s dafür, dass die Csu-fraktion erst einnebentä­tigkeit mal zu klären versucht, was rechtlich zulässig und politisch gewollt ist. Sie wird das dann mit dem Koalitions­partner absprechen und danach auf die anderen Fraktionen zugehen. Das ist ein normales Verfahren.

Bis wann ist denn mit einer Neuregelun­g zu rechnen?

Aigner: Ich gehe davon aus, dass das jetzt sehr zeitnah geschieht.

Dann stellt sich noch die Frage, ob die Regeln auch einfacher werden. Es gibt das Strafrecht, das Abgeordnet­enrecht, die Verhaltens­regeln des Landtags …

Aigner: …und dann gibt es auch noch die Ausführung­sbestimmun­gen zu den Verhaltens­regeln des Landtags. Es ist komplizier­t, ich weiß. Meiner Ansicht nach sollten wir die Verhaltens­regeln des Landtags ins Abgeordnet­engesetz integriere­n. Ausführung­sbestimmun­gen werden wir immer brauchen, weil es immer wieder Nachfragen gibt.

Ist dann alles gut?

Aigner: Wir tun, was wir können. Aber bei jeder Regelung können auch Lücken bleiben. Einige der Vorwürfe, die gegen den Abgeordnet­en Sauter im Raum stehen, wären, wenn sie sich als zutreffend herausstel­len sollten, schon jetzt ein Verstoß gegen die Verhaltens­regeln. Andere Dinge sind kaum zu verhindern, etwa wenn Provisione­n über Familienmi­tglieder abgewickel­t werden. Hundertpro­zentige Sicherheit kann nicht erreicht werden. Es wird immer den Punkt geben, wo das Gesetz endet und der moralische Kompass beginnt.

Interview: Uli Bachmeier

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Foto: Christoph Trost, dpa Landtagspr­äsidentin Ilse Aigner: „Es gibt immer den Punkt, wo das Gesetz endet und der moralische Kompass beginnt.“

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