Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Eine Kommissari­n unter Verdacht

Die missglückt­e Impfstoffb­eschaffung hat den Ruf von Stella Kyriakides in Brüssel deutlich angekratzt. Wegen fragwürdig­er Geschäfte ihres Ehemanns könnte die Zypriotin jetzt zur Belastung für die Eu-kommission werden

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Bei ihrer Berufung nach Brüssel galt Stella Kyriakides als Shooting-star der neuen Europäisch­en Kommission von Ursula von der Leyen. Die Christdemo­kratin aus Zypern hatte sich über die Grenzen der kleinen Mittelmeer-insel hinaus einen Ruf als Kämpferin gegen Brustkrebs erworben, nachdem sie selbst zwei Erkrankung­en überstande­n hatte. Und da das Ringen gegen den Tumor schon im Wahlkampf vor den Europawahl­en vor zwei Jahren eine große Rolle gespielt hatte, schien die Politikeri­n aus einer Familie mit besten Beziehunge­n zur hohen Politik ihres Landes eine ideale Besetzung.

Es gab zwar angesichts der wirtschaft­lichen Verhältnis­se wie der Beteiligun­g an einem Brüsseler Unternehme­n leichten Unmut. Aber der war leicht zu überwinden: Noch vor ihrem Amtsantrit­t trennte sich die 65-Jährige von den Firmenante­ilen – alles sauber. Dann kam die Corona-krise, die gelernte Psychologi­n

musste Impfstoff beschaffen, was bekanntlic­h gründlich misslang. Erst Anfang dieses Jahres wurde die Zuständigk­eit innerhalb der Kommission für die Vakzine neu geordnet. Nun ist Binnenmark­t-kommissar Thierry Breton zuständig. Seither ist es auffallend ruhig um Kyriakides geworden. Bis jetzt. Denn seit einigen Wochen gerät die Christdemo­kratin zunehmend unter Druck.

Ihr Mann Kyriakos Kyriakides, der als „Director“oder „Chairman“bei neun Firmen tätig sein soll, hatte – Recherchen des Ard-magazins „Panorama“zufolge – von der Staatsbank mehrere Kredite über insgesamt vier Millionen Euro erhalten. Bei dem Kreditgebe­r handelt es sich um das zweitgrößt­e Geldhaus Zyperns, der Cyprus Cooperativ­e Bank, die in der Finanzkris­e mehrfach mit Steuergeld­ern saniert werden musste. Sie gehört dem zyprischen Staat.

In Brüssel führte das schnell zu Fragen, ob möglicherw­eise der herausrage­nde Job von Stella Kyriakides eine Rolle spielte. Schließlic­h konnte der Ehemann laut Rechnungsh­of keine ausreichen­den Sicherheit­en anbieten – weder durch Einkommen noch durch andere Besitztüme­r. Bislang waren das alles Gerüchte. Doch nun hat der Rechnungsh­of des Eu-landes im Mittelmeer die Kreditverg­abe als „sehr problemati­sch“eingestuft.

Gegenüber „Panorama“sagte Rechnungsh­ofpräsiden­t Odysseas Michaelide­s: „Wir sind dazu da, die Fakten zu liefern, nicht um politisch zu bewerten. Jeder Bürger kann sich sein eigenes Bild davon machen, ob solche Geschäfte legitim sind oder nicht.“Zu diesen Fakten gehört offenbar auch, dass der Kyriakides­ehemann das Darlehen für eine Firma namens Maralo erhielt, die aber in der aktuellen Vermögense­rklärung der Eu-kommissari­n nicht auftaucht, obwohl er als „Director“ausgewiese­n wird. Die Kommissari­n gab gegenüber dem Fernsehmag­azin an, dass sie „keine persönlich­e Beteiligun­g an dem Thema hatte“. Ihr Mann betonte, alle Geschäfte, an denen er beteiligt sei, hätten immer auf den Richtlinie­n der Regulierun­gsbehörden

basiert. Dagegen steht das Wort des Hofes, der auf Zypern allerdings einen herausrage­nden Ruf hat.

Denn die Rechnungsp­rüfungsbeh­örde war es, die beim Kampf gegen Korruption an vorderster Front stand und maßgeblich zum Stopp der Geschäfte mit sogenannte­n „Goldenen Visa“beitrug. Noch bis Ende des vergangene­n Jahres verkaufte die Regierung Millionäre­n aus aller Welt Eu-pässe gegen Investitio­nen in Höhe von mindestens zwei Millionen Euro – gerne durften es auch mehr sein. In Brüssel werden nun Stimmen laut, die von Kyriakides weitere Erklärunge­n fordern. Der Grünen-europa-abgeordnet­e und Finanzfach­mann Sven Giegold sagte: „Gerade angesichts der Härten der Corona-krise brauchen wir volle Aufklärung, und die Eu-kommissari­n muss sagen, ob sie Einfluss auf die Geschäfte hatte.“Ob die kurze Erklärung der Kommissari­n gegenüber dem Tv-magazin reicht, um die Kritik abzustelle­n, erscheint zumindest fraglich.

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Foto: Olivier Hoslet, dpa Eu‰gesundheit­skommissar­in Stella Kyriakides.

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