Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Sie wollen doch nur spielen
Laienmusiker dürfen bald wieder gemeinsam proben. Unter Auflagen – die mitunter auf Unverständnis stoßen
Augsburg/neuulm Lange haben die rund 600000 Laienmusiker in Bayern auf eine Perspektive aus der Politik gewartet, wann sie ihren gemeinsamen Probenbetrieb wieder aufnehmen dürfen. Seit Beginn des „Lockdown light“im November 2020 war das in Präsenz nicht möglich – nun hat das Kabinett erste Lockerungen bekannt gegeben: Ab 21. Mai dürfen, bei einer stabilen Inzidenz von unter 100, wieder Proben stattfinden, in geschlossenen Räumen mit maximal zehn Personen, im Freien mit maximal 20. Wer teilnehmen möchte, muss einen aktuellen negativen Corona-test vorlegen, vollständig geimpft oder genesen sein. Was bedeutet das für die Umsetzung in der Praxis?
Für Dirigentin Marei Richter bieten die neuen Perspektiven zumindest Hoffnung: „Endlich sind wieder Lockerungen in Sicht.“Richter ist Hornistin, spielt Alphorn, engagiert sich als Bezirksdirigentin im Allgäu-schwäbischen Musikbund (ASM) und leitet zwei Kapellen im Landkreis Neu-ulm: die Schützenkapelle Reutti und die Blaskapelle Biberachzell. Mit zehn
Musikern könne sie wieder Proben in kleinen Gruppen abhalten, erklärt sie – immerhin. Trotzdem scheinen ihr die neuen Regeln nicht ganz logisch: „Ich verstehe nicht, warum es unter freiem Himmel nicht auch 25 oder 30 Musiker sein könnten, mit Abstand, an der frischen Luft. Unsere Hoffnung ist jetzt, dass es schnell weitere Lockerungen geben wird.“
Ähnlich sieht das auch der Geschäftsführer des ASM, Joachim Graf. Grundsätzlich sei eine Erleichterung da, weil es nun eine klare Perspektive für die Vereine gebe. „In der Vergangenheit haben wir leidlich feststellen müssen, dass Laienmusik in der pandemischen Lage nur eine Randnotiz ist“, sagt er. Deswegen sei er froh, dass sich nun endlich etwas bewege. Dass auch in diesem Bereich ein Stufenmodell kommen werde, das sich an Inzidenzwerten orientiert, hatte Graf erwartet. Er betont aber auch: „Damit geben wir uns noch nicht zufrieden.“Vonseiten des Bayerischen Musikrats wisse er, dass politisch derzeit nicht mehr durchsetzbar gewesen sei, gerade das Gesundheitsministerium habe offenbar noch stärkere Beschränkungen angestrebt.
selbst in Bezug auf die neuen Regeln und Lockerungen gibt es noch viele Fragen. Wie groß beispielsweise die Abstände zwischen den probenden Musikern genau sein müssen, ist derzeit noch unklar – ebenso wie etwa die benötigte Raumgröße oder die geforderte Dokumentation von Tests und Teilnehmern. Auch deshalb hat Graf in den vergangenen Tagen viel Zeit im Gespräch mit Vereinsvertretern verbracht: „Von Montagmittag an ist unser Telefon heiß gelaufen“, sagte er. Verbandsmitglieder hatten sich weitere Informationen erhofft, wie genau die Proben nun stattfinden können. Doch er habe viel vertrösten müssen. Denn weitere Details soll ein Rahmenhygienekonzept festlegen. Das wird nach Angaben des Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst erst „in Kürze“veröffentlicht. „Es war Zeit genug, um dieses Konzept gleichzeitig zu veröffentlichen, wir können die Verzögerung nicht nachvollziehen. Die Vereine wollen zu Recht wissen, wie die Details aussehen“, sagt Graf.
Das Kunstministerium teilte dazu auf Anfrage mit: „Das Rahmenhygienekonzept wurde selbstverständlich bereits in Vorbereitung des Ministerratsbeschlusses erstellt. Eine abschließende Abstimmung zwischen den Häusern im Detail kann jedoch erst nach Vorliegen des einschlägigen Ministerratsbeschlusses erfolgen.“Die finale Abstimmung mit dem Gesundheitsministerium sei noch nicht abgeschlossen. Im Moment könne man in Schwaben noch etwas auf Zeit spielen, sagt Graf – schließlich liege die Siebentage-inzidenz erst in Aichachfriedberg und Lindau unter 100. Doch weitere Landkreise würden bald folgen. Sobald dann auch noch der Tourismus im Allgäu wieder anrolle, müsse dringend ein weiteres Thema geklärt werden, sagt Graf – das der öffentlichen Auftritte und Konzerte. „Sobald der Tourismus öffnet, ist auch der Bedarf nach Blasmusik da“, sagt er.
Bis die Vereine wieder in der Lage sind, öffentlich aufzutreten, muss aber erst einmal wieder regelmäßig geprobt werden. Denn der Kultur-lockdown wirkt sich auch auf die Routine der Musiker aus, wie Dirigentin Marei Richter erklärt. Ihre Kapellen kamen immerdoch hin in Online-proben zusammen – aber gemeinsam, mit vollem Klang, konnten sie nicht spielen. „Natürlich kann das keine echte Probe ersetzen“, sagt die Dirigentin. „Und mit der Zeit, ohne vernünftige Routine, geht der Ansatz flöten.“Das bedeutet: Die Blasmusiker geraten aus der Übung.
Dazu gebe es aber auch unter den Musikern Sorgen, ob sie die Probe besuchen können, ohne sich und andere einer Gefahr auszusetzen. Vorsicht sei daher nach wie vor wichtig, sagt Richter: „Ob man wieder gemeinsam spielen möchte, das muss jeder selbst entscheiden.“
Bis die Kapellen und Chöre wieder in voller Stärke proben und auftreten können, wird es ohnehin wohl noch eine Weile dauern. Denn wie das Kunstministerium auf Anfrage mitteilte, seien auch bei einer Inzidenz unter 50 keine Lockerungen bei der Personenanzahl geplant – anders als im Spätsommer und Herbst 2020. Lediglich die Testpflicht solle dann wegfallen. Für Graf jedoch ist an diesem Punkt das letzte Wort noch nicht gesprochen: „Spätestens bei einer Inzidenz von unter 50 muss das Thema der Personenbeschränkungen weg, gerade unter freiem Himmel.“
Viele Detailfragen sind noch offen