Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Werder Bremen gestern und heute

Trainer Florian Kohfeldt wollte an glorreiche Zeiten anknüpfen, stattdesse­n befindet er sich mit seiner Mannschaft ein weiteres Mal im Abstiegska­mpf. Hinzu kommen finanziell­e Nöte des Traditions­klubs

- VON JOHANNES GRAF

Um die Vorgänge bei Werder Bremen einzuordne­n, lohnt der Blick in die Vergangenh­eit. Genauer ins Jahr 2004. Damals führte Trainer Thomas Schaaf die Bremer zum Doublegewi­nn. In der Abwehr verteidigt­en die Herren Ismael und Krstajic, im Mittelfeld wirkte Feingeist Micoud, und im Angriff vollendete­n Klasnic und der pummelige Ailton. Werder hatte unter Sportchef Klaus Allofs eine formidable Mannschaft zusammenge­stellt, zelebriert­e erfolgreic­hen Fußball und zählte zu den Spitzenklu­bs der Liga.

Auf dieser Basis etablierte­n sich die Bremer über Jahre hinweg in den Champions-league-rängen. Der FC Bayern München folgte seinen Reflexen und verstärkte sich, indem er Konkurrent­en schwächte. Einst hatten die Münchner Herzog oder Basler von der Weser an die Isar geholt, später eben Ismael oder Borowski.

Nach Platz drei in der Saison 2009/10 erfolgte der Absturz ins Mittelmaß, aus dem sich Bremen seitdem nicht mehr befreit hat. Einnahmen aus den internatio­nalen Wettbewerb­en fehlten, die Kosten für den Kader blieben wegen laufender Verträge hoch. All das muss man wissen, um zu verstehen, mit welchem Selbstvers­tändnis im vergangene­n Jahrzehnt in Bremen weiter agiert wurde.

Werder hatte den Anschluss verpasst. Dauerhaft ins obere Tabellendr­ittel zurückzuke­hren, ist schwierig, weil die nationale und internatio­nale Tv-geldvertei­lung von oben nach unten ungerecht bleibt. Otto Rehhagel und Schaaf standen für konstanten Erfolg, Ähnliches wie die beiden brachte aber niemand mehr zustande. Entspreche­nd häufig wechselte der Klub den Trainer. Aufgrund der Vergangenh­eit stuften sich Bosse, Umfeld, Fans und auch Trainer oft höher ein, als es die Realität hergab. Werder hatte einen Namen, aber keinen sportliche­n Erfolg.

Als der aktuelle Trainer Florian Kohfeldt 2017 das Profiteam übernahm, sollte er Werder aus dem tristen Dasein holen und der Mannschaft eine attraktive, erfolgreic­he Spielweise beibringen. Mit Max Kruse als Fixpunkt agierte Bremen tatsächlic­h offensiver. Obwohl der Unterschie­dspieler im Sommer 2019 den Klub verließ, stellte Kohfeldt einen Europapoka­l-platz als Saisonziel in Aussicht. Jene, die es mit den Grün-weißen halten, zeigten sich äußerst empfänglic­h. Doch es mangelte an der Umsetzung. Später musste Kohfeldt eingestehe­n, Ansprüchen nicht einmal im Ansatz gerecht geworden zu sein. „Das ist grandios nach hinten losgegange­n“, betonte er. Lediglich die Auswärtsto­rregelung bewahrte Bremen in der Relegation vor dem Niedergang in die Zweitklass­igkeit.

Vor der laufenden Runde übte sich Kohfeldt, 38, in Zurückhalt­ung, sprach allgemein davon, eine hungrige und mutige Werdermann­schaft auf dem Rasen sehen zu wollen. Geblieben ist eine Blaupause für die vorangegan­gene Spielzeit. 31 Punkte nach 32 Spieltagen liefern die Zahlen für malade Auftritte. Verlieren die Bremer das „Endspiel“gegen den FC Augsburg (Samstag, 15.30 Uhr/sky), droht ihnen neben der Relegation sogar noch der direkte Abstieg. Wie prekär die Lage sich darstellt, zeigte sich darin, dass Sport-geschäftsf­ührer Frank Baumann seinen Trainer öffentlich anzählte. „Ich kann und will keine Garantien über einen längeren Zeitraum ausspreche­n“, sagte Baumann Ende April.

Nur ein ansprechen­des Auftreten der Mannschaft im Dfb-pokalhalbf­inale gegen Leipzig (1:2) bewahrte Kohfeldt vor der Entlassung. Bremen schreckte vor dem Schritt zurück, den der FCA durch den Wechsel zu Markus Weinzierl vollzog. Gut möglich aber, dass sich die Wege Kohfeldts und Werders am Saisonende trennen.

Der Neuanfang, ob mit oder ohne Kohfeldt, wird durch finanziell­e Engpässe erschwert. Wie andere Klubs leidet Bremen unter den Auswirkung­en der Corona-pandemie. Werder-geschäftsf­ührer Klaus Filbry hatte zuletzt von geringeren Einnahmen in Höhe von 35 Millionen Euro in den vergangene­n beiden Spielzeite­n gesprochen. Beim Bundesligi­sten wird ein „mögliches Insolvenzr­isiko“thematisie­rt, das sich im Falle eines Bundesliga-abstiegs noch mal verstärken würde.

Liquide ist Werder derzeit lediglich, weil es sich einer Mittelstan­dsanleihe bedient. Geld will Bremen unter anderem über Spielertra­nsfers einnehmen, die bis Ende Juni erfolgen sollen. „Es wird aber keine Notverkäuf­e geben“, betont Baumann. Man benötige einen Überschuss, werde aber keinen Spieler unter Wert verkaufen.

 ?? Foto: Jürgen Fromme, Witters ?? Florian Kohfeldt mag teils gar nicht mehr hinsehen. Was seine Spieler zeigen, hätte dem Trainer von Werder Bremen beinahe den Job gekostet. Zumindest bis zum Saisonende darf er weitermach­en.
Foto: Jürgen Fromme, Witters Florian Kohfeldt mag teils gar nicht mehr hinsehen. Was seine Spieler zeigen, hätte dem Trainer von Werder Bremen beinahe den Job gekostet. Zumindest bis zum Saisonende darf er weitermach­en.

Newspapers in German

Newspapers from Germany