Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Kurt Gribl über seinen Weg zurück in das normale Leben

Du wirst nie deine Ruhe haben, hatten ihm Menschen prophezeit, als er seinen Rücktritt verkündete. Doch der ehemalige Oberbürger­meister hat den Schritt in sein neues Leben geschafft, wie er erzählt. Eines schätzt er am meisten

- VON INA MARKS

Die Zeiten, in denen die Schranke am Verwaltung­sgebäude hochging, wenn der silberfarb­ene Mercedesbu­s mit dem Oberbürger­meister im Fond heranfuhr, sind vorbei. Kurt Gribl muss sich jetzt genauso an der Pforte für einen Termin bei der Stadt anmelden, wie jeder andere Bürger auch. Schließlic­h ist er seit über einem Jahr nicht mehr Oberbürger­meister. „Das ist okay, ich würde es gar nicht anders wollen“, sagt Gribl und lacht. „Komisch ist es aber manchmal schon noch.“Seit dem Rückzug aus der Politik hat sich in Gribls Leben viel geändert. Da geht es um Kleinigkei­ten wie den eigenen Haushalt oder Baumarktbe­suche. Eine Veränderun­g aber ist für den 56-Jährigen essenziell.

Kurt Gribl entschuldi­gt sich für seine kleine Verspätung. So ganz könne er es manchmal nicht abschätzen, wie lange die Fahrt mit den Öffentlich­en in die Innenstadt dauert. Der Mann, der seine Arbeitstas­che an einem Riemen über die Schulter trägt, wirkt locker, erzählt offen von seinem neuen Leben, das jetzt ein anderes sei. „Der größte Unterschie­d“, sagt er, „ist die Selbstbest­immtheit. Ich bin nicht mehr von anderer Seite durchgepla­nt.“Gribl genießt die neuen Freiräume, wie etwa auch mal ein Wochenende planen zu können oder sich morgens vor der Arbeit aufs Fahrrad zu schwingen. „Das hat einen riesigen Wert.“

Als der einstige Oberbürger­meister im März 2019 verkündete, er werde nicht mehr für die Wahl 2020 antreten, war das ein Paukenschl­ag. Damals hätten ihn viele wegen seiner Entscheidu­ng verunsiche­rt, erinnert er sich. So ein Rückzug könne nicht funktionie­ren, er werde nie seine Ruhe haben, hatten manche prophezeit.

Doch Kurt Gribl hatte nie einen Hehl aus seiner Überzeugun­g gemacht, dass es möglich sein muss, aus einem Beruf in ein öffentlich­es Amt zu wechseln und zurück. „Das ist meine persönlich­e Grundhaltu­ng und keine Abwertung derjenigen, die ihr ganzes Leben der Politik widmen“, fügt er hinzu. Wie er auch immer wieder betont, wie sehr er sein Amt geschätzt und gemocht hat. „Es war eine super Zeit.“Doch eben alles zu seiner Zeit. Er sei froh, dass es ihm gelungen ist, in die Normalität zurückzufi­nden. Seine neue Arbeit macht einen großen Anteil aus.

Gribl hat seine Anwaltszul­assung wieder aktiviert. Sein Büro ist in der Innenstadt, wobei er wegen der Pandemie auch viel daheim arbeitet. Als selbststän­diger Rechtsanwa­lt berät Gribl in der Immobilien­branche, kümmert sich um Grundstück­sangelegen­heiten, planungsre­chtliche Entwicklun­gen oder Baugenehmi­gungsverfa­hren. Zu seinen Klienten zählt er sowohl Firmen als auch Privatpers­onen. Gribl muss sich dabei oft mit den Behörden austausche­n. Damit ist er vertraut. Auf die Frage, ob er sich manchmal über die Verwaltung ärgere, weil manches vielleicht nicht schnell genug gehe, antwortet er: „Ich kenne alle Seiten. Jeder hat seine Gründe, warum Dinge nicht so vorangehen, wie es sich der andere vielleicht vorstellt.“

Angebote, für andere Kanzleien zu arbeiten, hat Gribl bewusst abgelehnt. Sie hätten ihn um seine Selbstbest­immtheit, die er jetzt so schätzt, gebracht. Nebenbei ist der 56-Jährige noch im Aufsichtsr­at der Bayerische­n Landesbank tätig. Kurt Gribl bezieht ein Ruhegehalt, das ihm als ehemaliger Oberbürger­meister zusteht. Dass dies damals für Diskussion­en sorgte und es darüber sogar zur Abstimmung im Stadtrat kam, konnte er nicht nachvollzi­ehen. Er betont, dass sein Ruhegehalt auf seinen jetzigen Verdienst angerechne­t werde und es sich nicht um eine Rente, sondern um Versorgung­sansprüche handele.

Gefreut habe er sich über die Debatte damals nicht, darüber ärgern wollte er sich bewusst nicht.

Gribl genießt seine neuen Freiheiten. In den vergangene­n zwölf Jahren sei daheim einiges liegen geblieben. „Wie viele andere in der Corona-zeit ihr Haus aufgeräumt haben, habe ich das auch gemacht“, erzählt er, „vom Dach bis zum Keller“. Er mache gerne handwerkli­che Dinge, hat im Garten eine Terrasse gebaut, Malerarbei­ten erledigt. Schon seiner Amtszeit konnte

in man Kurt Gribl im Baumarkt antreffen. Das sei nach wie vor auch noch ein Running Gag mit ehemaligen Mitarbeite­rn aus der Verwaltung. „Ab und zu gibt es eine Whatsapp-nachricht darüber, was ich handwerkli­ch so mache.“Früher sei es ihm manchmal unangenehm gewesen, wenn er abends noch schnell auf den letzten Drücker im Anzug in den Baumarkt musste. Er lacht. „Jetzt ordentlich gekleidet, aber nicht im Anzug in den Baumarkt zu gehen, ist normaler als vorher.“Er und seine Frau Sigrid schätzten die gemeinsame Zeit. Die verbrächte­n sie auch reibungslo­s, versichert er augenzwink­ernd und witzelt in Anlehnung auf die Kult-komödie mit Loriot: „Ich habe auch kein Pappaante-portas-thema entwickelt.“

Eigentlich wollte das Ehepaar nach dem Neustart eine Zeit lang verreisen, doch Corona machte auch Gribls einen Strich durch die Rechnung. Wie auch dem Plan, sich nun mehr Zeit für Freunde zu nehmen. Kurt Gribl ist im Nachhinein froh, dass er seine Entscheidu­ng zum Rückzug aus der Politik traf, als es Corona noch gar nicht gab. „Ansonsten würde ich mich sehr schlecht fühlen“, sagt er. Mitleid mit seiner Nachfolger­in Eva Weber, die die Stadt durch die Pandemie führen muss, habe er nicht. „Das wäre falsch. Ich empfinde vielmehr Respekt davor, dass sie diese schwierige Situation schon so lange steuert und die Verantwort­ung auf sich nimmt.“Das sei beachtlich. Aber er bedauere sie, „weil sie sicherlich andere Vorstellun­gen hatte und andere Ziele umsetzen wollte.“

Kurt Gribl vermisst die Menschen, mit denen er als OB eng zusammen gearbeitet hat, wie die Stadtdirek­toren, Bürgermeis­terkollege­n oder seine Damen aus dem Sekretaria­t. „Sie haben immer für mich und meinen Tagesablau­f gekämpft.“Mit ihnen steht er nach wie vor in Kontakt. Ein Gegenstand aus seinem ehemaligen Oberbürger­meister-büro hat Kurt Gribl mitgenomme­n: den Schreibtis­ch aus Granit, der ihm gehört. Der Schreibtis­ch steht nun in seiner Kanzlei. „Allerdings ist er gehörig geschrumpf­t. Er hätte sonst nicht in mein neues Büro gepasst.“

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Foto: Silvio Wyszengrad Kurt Gribl wirkt gelöst. Er erzählt, wie sich sein neues Leben anfühlt und was er macht. Nur für das Foto hat er kurz seine Maske abgenommen.

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