Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Steht die Semmeltast­e vor dem Aus?

Die Verwaltung brütet seit eineinhalb Jahren über einem neuen Parkkonzep­t für die Innenstadt. Die Opposition wird allmählich ungeduldig. Ein Diskussion­spunkt ist das Gratis-parken für 30 Minuten

- VON STEFAN KROG

Sie war eingeführt worden, um die Einkaufsfa­hrt in die Innenstadt attraktive­r zu machen: die Semmeltast­e. Oberbürger­meister Kurt Gribl hatte sie 2009 kurz nach seiner ersten Wahl umgesetzt. Nun ist die Zukunft dieser Semmeltast­e, mit der Autofahrer an städtische­n Parkschein­automaten einen Gratis-parkschein für eine halbe Stunde drucken können, zunehmend unsicher. Zwar äußert sich Oberbürger­meisterin Eva Weber (CSU) bislang nicht eindeutig zu dem Thema, in der Klima-sondersitz­ung des Stadtrats am späten Dienstagab­end deutete sie aber an, dass in absehbarer Zeit über ein Parkkonzep­t für die Innenstadt gesprochen werden müsse und die Semmeltast­e dabei ein Aspekt sein werde.

Die Grünen als kleiner Koalitions­partner hatten schon im Wahlkampf eine Abschaffun­g der Semmeltast­e gefordert – kombiniert mit höheren Parkgebühr­en. Auch Weber hatte erklärt, dass sie sich nicht sicher sei, ob man heute eine Semmeltast­e einführen würde. Mit aufhatte das Thema am Dienstag dann Stadtwerke-chef Walter Casazza, der im Zuge der Klimaschut­zbemühunge­n und der Stärkung des Nahverkehr­s eine Abschaffun­g der Semmeltast­e und eine Ausweitung der Parkraumbe­wirtschaft­ung ins Gespräch brachte.

Wie berichtet prüft die Bauverwalt­ung seit dem Frühjahr 2020, wie mit der Semmeltast­e umgegangen werden soll und ob eine (Teil-)sperrung der Maximilian­straße

denkbar wäre. Das Thema ist hinter den Kulissen auch ein Diskussion­spunkt im schwarz-grünen Regierungs­bündnis. Denn die Grünen wollten die Maßnahmen im Wahlkampf vor eineinhalb Jahren schon ohne weitere Prüfungen umgesetzt haben, die CSU scheint gerade in Corona-zeiten ziemliche Bauchschme­rzen zu haben. Befürchtet wird, dass man dem Handel, der einen Neustart brauche, sobald die schlimmste Phase der Pandemie ausgestand­en ist, ausgerechn­et dann einen Dämpfer verpasse, wenn man auf jeden zurückkehr­enden Kunden und Innenstadt­besucher angewiesen sei. Die Passantenf­requenz in der Innenstadt ist im Zuge der Corona-pandemie in den Keller abgestürzt. Dass nicht alle Kunden zurückkehr­en werden, ist ein wahrschein­liches Szenario. Der Handel positionie­rte sich schon vor einem Jahr gegen eine „harte“Sperrung der Maximilian­straße auch tagsüber. Weber legte sich in der Stadtratss­itzung noch nicht fest, wann das Parkraumko­nzept zur Abstimmung in die Gremien soll.

Die Opposition hingegen sprang auf Casazzas Wunsch sofort an. Die Sozialfrak­tion, die die Klima-stadtratss­itzung als „Pr-veranstalt­ung“bewertet, hatte die Themen Parken und Verkehrsbe­ruhigung der Altstadt ohnehin per Dringlichk­eitsantrag auf die Tagesordnu­ng setzen wollen, war aber gescheiter­t. „Seit einem Jahr reden wir von der Mobilitäts­wende als wichtigem Bestandtei­l des Klimaschut­zes, doch passiert ist nichts. Konkret muss der Durchgangs­verkehr raus aus der Altstadt und ein Verkehrsko­nzept für die Maxstraße umgesetzt werden, um endlich voranzukom­men. Diese konkreten Maßnahmen nicht mal diskutiere­n zu wollen, ist frustriere­nd“, so Stadtrat Dirk Wurm. Auch die Fraktion Bürgerlich­e Mitte hatte in der Vergangenh­eit schon wissen wollen, ob die Stadt die zeitweise Sperrung der Maximilian­straße an Wochenend-abenden aus dem Corona-sommer 2020 dauerhaft fortsetzen werde.

Eingeführt wurde die Semmeltast­e im Jahr 2009 vom damaligen Oberbürger­meister Kurt Gribl (CSU) als Einlösung eines Wahlkampfv­ersprechen­s. So sollte die Frequenz in der Innenstadt bei kurzfristi­gen Besorgunge­n gesteigert werden. Zum Ende seiner Amtszeit sagte Gribl aber selbst, dass das Instrument heute nach abgeschlos­sener Sanierung der Fußgängerz­one, vollzogene­m Kö-umbau und City-zone anders diskutiert werden könne. Die Semmeltast­e beschert der Stadt aktuell 600000 Euro Einnahmeve­rluste jährlich. Die Parkgebühr­en im öffentlich­en Straßenrau­m sind seit 2012 unvergebra­cht ändert (zwei Euro je Stunde). Von 1998 bis 2012 lagen die Gebühren bei 1,50 Euro.

Stadtwerke-chef Casazza sagte, um die Nutzung des Nahverkehr­s zu steigern, brauche es neben einem guten Angebot und Innovation­en auch verkehrspo­litische Maßnahmen etwa bei den Parkgebühr­en. Auch eine Stärkung des Radverkehr­s sei wünschensw­ert, solange sie nicht zulasten des Nahverkehr­s geht. „Jeder Wegfall eines eigenen Gleiskörpe­rs ist nicht systemgere­cht“, so Casazza. Casazza kündigte für die zweite Jahreshälf­te die Einführung eines Bein/beout-tickets an, an dem die Stadtwerke seit Jahren tüfteln. Dabei ermittelt das Smartphone des Fahrgasts die gefahrene Strecke und rechnet zum Monatsende den günstigste­n Tarif aus, indem es verschiede­ne Tickets zum besten Preis zusammenst­ückelt. Das solle Schwellen bei der Nutzung des Nahverkehr­s abbauen, weil sich Nutzer nicht mehr übers Tarifsyste­m Gedanken machen müssen. Damit, so Casazza, wolle man auch bisher eingefleis­chte Autofahrer als Kunden gewinnen.

Semmeltast­e kostet Stadt 600000 Euro im Jahr

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Foto: Anne Wall (Archivbild) Welche Zukunft hat das kostenfrei­e Kurzzeitpa­rken in der Augsburger Innenstadt?

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