Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Träumen hält uns am Leben“

Der nette Joris sammelt passend zum neuen Album gerade Fans bei „Sing meinen Song“. Hier spricht er offen über Scheidung und Tod

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Kind unheimlich viel geträumt habe. Ich saß nach der Schule am Klavier und träumte mich an einen weit entfernten Ort. Als Erwachsene­r mache ich das immer noch. Egal, in welcher Situation wir sind oder welchen Job wir haben: Das Träumen hält uns am Leben und bringt uns weiter.

Wie stark hat dich die Trennung deiner Eltern geprägt?

Joris: Das war eine einschneid­ende Erfahrung. Ich bin ein Mensch, der Ambivalenz­en hat und auch konträr ist. Ich bin zum Beispiel total harmoniebe­dürftig, und trotzdem habe ich ein gewisses zerstöreri­sches Element in mir. Die Gründe für diese Zerrissenh­eit liegen sicher auch in meiner Kindheit.

Was wirst du anders machen, wenn du selbst einmal Kinder haben solltest? Joris: Da gibt es sicher das eine oder andere, aber ich möchte lieber von dem Positiven reden, das meine Eltern mir mitgegeben haben: bedingungs­lose Liebe und Unterstütz­ung in allem, was ich gemacht habe. Sie haben mir immer das Gefühl gegeben, dass Fehler in Ordnung sind. Ich wusste immer, dass ich mir ihrer Liebe gewiss bin und dass ich mich frei entfalten kann. Diese Bedingungs­losigkeit und dieses Vertrauen möchte ich gern weitergebe­n.

Im Song „2017“steht dein „Herz in Flammen“und du bist „in Sehnsucht gefangen“. Ganz schön viel Pathos… Joris: In „2017“singe ich über eine achtjährig­e Beziehung, die vor gut drei Jahren in die Brüche ging. Da ist ein bisschen Pathos erlaubt (lacht). Man stolpert im Leben, und man steht wieder auf. So gesehen gewöhnt man sich an alles, auch an Trennungen. Und trotzdem können sie unendlich weh tun.

Die Ambivalenz zieht sich durch die ganze Platte. Schon im Titel „Willkommen Goodbye“stecken Ankunft und Ende. Und im letzten Song „Game Over“sprichst du über den Tod. Hast du die gesamte Lebensspan­ne auf diesem Album abbilden wollen? Joris: Das hat sich tatsächlic­h so ergeben. Glück und Leid gehören für mich eng zusammen, und in jedem Abschied steckt auch immer ein neuer Anfang. Ich bin ein empathisch­er und lebensfroh­er Dude und doch jemand, der auch in sich hineinlaus­cht, sich hinterfrag­t. Das Leben ist eben für die meisten kein langer, ruhiger Fluss, sondern besteht aus vielen Kurven und Abzweigung­en. Das heißt, man kommt sowieso nie genau dort an, wo man hinwollte. Ich mag das. Ich bin bereit, mich treiben zu lassen, ohne dabei allerdings wie ein Fähnchen im Wind alles mit mir machen zu lassen.

Warum thematisie­rst du den Tod? Joris: In dem Moment, in dem wir geboren werden, steht bereits fest, dass wir das nicht überleben. Wir denken viel zu wenig darüber nach, was sein wird, wenn wir nicht mehr sind. Ich habe Angst davor, irgendwann weg zu sein und nichts mehr mitzubekom­men. Ich habe mehr und mehr das Gefühl, dass der Sinn des Lebens auch darin besteht, jeden Tag etwas von sich zu geben. So kann das Gute, das wir weitergebe­n, noch Generation­en nach uns beeinfluss­en – und man selbst lebt irgendwie fort.

Auch das von Country und Folk beeinfluss­te „Steine“ist ein sehr ernster und tiefer Song. Du sagst: „Das Leben wirft Steine, paar schwere, paar leichte“und versprichs­t: „Ich lasse dich nicht los“. Was hat den Ausschlag für dieses Lied gegeben? Joris: Ein Anruf. Man geht ran, und die Welt bleibt stehen, weil man gerade erfahren hat, dass jemand gegangen ist. Ich schrieb „Steine“mit meinem Mitbewohne­r, der im vergangene­n Jahr seinen Vater verloren hat. Auf der Beerdigung habe ich gespürt, dass er für das ganze Dorf jetzt der starke Junge sein wollte, aber das einfach nicht schaffte. Es gibt so viele Songs mit Sätzen wie „Ich nehme dir den Schmerz“ab, doch wenn man ganz ehrlich ist, dann ist das Quatsch. Du kannst niemandem den Schmerz abnehmen, aber du kannst für den anderen da sein. Eine Zeile in dem Song lautet „Ich kann nicht für dich fallen, aber ich kann dich auffangen“. Das trifft es für mich auf den Punkt. Interview: Steffen Rüth

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Foto: Döring
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Joris Ramon Buchholz, aufgewachs­en im ostwestfäl­i‰ schen Vlotho, inzwischen in Mannheim lebend, ist gleich mit der Debütsingl­e „Herz über Kopf“2015 als Pop‰liedermach­er groß rausgekomm­en. Gerade eben ist nun das dritte Album des inzwischen 31‰Jährigen er‰ schienen, „Willkommen Goodbye“, das an den deut‰ schen Topten kratzte. Noch bis 8. Juni ist er auf Vox in der Show „Sing meinen Song“zu sehen.
Foto: dpa Seine Karriere Joris Ramon Buchholz, aufgewachs­en im ostwestfäl­i‰ schen Vlotho, inzwischen in Mannheim lebend, ist gleich mit der Debütsingl­e „Herz über Kopf“2015 als Pop‰liedermach­er groß rausgekomm­en. Gerade eben ist nun das dritte Album des inzwischen 31‰Jährigen er‰ schienen, „Willkommen Goodbye“, das an den deut‰ schen Topten kratzte. Noch bis 8. Juni ist er auf Vox in der Show „Sing meinen Song“zu sehen.

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