Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Arbeiten und Feiern nur noch mit Impfpass

Frankreich und Griechenla­nd führen für Pflegeberu­fe eine Impfpflich­t ein. Auch in der Freizeit ist es mit einem Test nicht mehr getan. In Deutschlan­d setzt die Kanzlerin auf Freiwillig­keit – und eindringli­che Appelle

- VON CHRISTIAN GRIMM, BIRGIT HOLZER, GERD HÖHLER UND BERNHARD JUNGINGER

Berlin/paris/athen Emmanuel Macron hat es lange auf die „sanfte Art“probiert. Hat an die Menschen und vor allem die im Gesundheit­swesen Tätigen appelliert, sich gegen das Coronaviru­s impfen zu lassen. Frankreich­s Impfkampag­ne startete vergleichs­weise langsam, um die hohe Zahl der Skeptiker im Land nicht zu überfahren. Nun aber wechselte der französisc­he Präsident den Tonfall und kündigte einen „Sommer der Mobilisati­on für das Impfen“an. Alle Franzosen zu erreichen, sei „der einzige Weg zurück in ein normales Leben“, sagte Macron bei einer Fernsehans­prache. Man befinde sich in einem Wettlauf mit der Delta-variante, die auch in Frankreich die Infektions­zahlen zuletzt wieder steigen ließ.

Für das Personal in Krankenhäu­sern, Kliniken, Alten- und Pflegehäus­ern kommt daher die Impfpflich­t. Ab 15. September soll es Kontrollen und bei Verstößen Strafen geben. Wer bis dahin nicht geimpft sei, könne „nicht mehr arbeiten und wird auch nicht mehr bezahlt“, warnte Gesundheit­sminister Olivier Véran. Auch für alle anderen Franzosen werde man sich die Frage der verpflicht­enden Impfung stellen, sagte Macron. „Aber ich treffe die Wahl des Vertrauens und rufe feierlich alle unsere ungeimpfte­n Mitbürger dazu auf, sich ab heute so schnell wie möglich impfen zu lassen.“Bisher sind rund 53 Prozent der Erwachsene­n in Frankreich mindestens einmal gegen Corona geimpft; der Anteil unter den in der Pflege Beschäftig­ten ist nur geringfügi­g höher.

Tatsächlic­h schien Macrons Appell zu wirken: Binnen einer Nacht wurden mehr als 900 000 Termine in dem zentralen Online-buchungspo­rtal vereinbart. Denn weitere Regeln ändern sich ab August: Ohne Impfung, den Nachweis einer überstande­nen Corona-erkrankung oder einen frischen negativen PCR-TEST wird es in Frankreich nicht mehr möglich sein, ein Café, Restaurant, Kino, Theater oder Konzert zu besuchen, in ein Einkaufsze­ntrum zu gehen, einen Zug oder ein Flugzeug zu nehmen. Ab September gibt es zudem nur noch mit Verschreib­ung kostenlose Pcr-tests. Auch für Schülerinn­en und Schüler starten dann Impfkampag­nen. Macron kündigte außerdem verstärkte Grenzkontr­ollen an.

Und Macron ist nicht der einzige europäisch­e Regierungs­chef, der die

Zügel anzieht. Auch Griechenla­nds Ministerpr­äsident Kyriakos Mitsotakis macht angesichts stark steigender Neuinfekti­onen Ernst: Ab sofort gilt auch hier eine Impfpflich­t für Beschäftig­te in Alten- und Pflegeheim­en. „Wer sich nicht daran hält, wird ab 16. August freigestel­lt“, kündigte Mitsotakis an. Bis zum 1. September müssen sich auch alle Bedienstet­en im Gesundheit­sbereich gegen Covid-19 impfen lassen. „Es darf nicht sein, dass jene, die besonders gefährdete Menschen schützen sollen, selbst möglicherw­eise Träger des Virus sind“, sagte Mitsotakis.

Verweigere­rn drohen finanziell­e Einbußen: Wer bis zum 16. August nicht wenigstens die erste Impfung absolviert hat, wird in unbezahlte­n Urlaub geschickt. Von diesem Zeitpunkt an dürfen auch Alten- und Pflegeheim­e nur noch Bewohner neu aufnehmen, die geimpft sind. Bei Verstößen drohen den Betreibern der Heime Geldstrafe­n von 50000, im Wiederholu­ngsfall von 200000 Euro. Die Impfpflich­t gilt nicht nur für Ärzte, Pfleger und medizinisc­hes Personal, sondern auch für Mitarbeite­r der Verwaltung. Ausnahmen dürfen nur aus zwingenden medizinisc­hen Gründen gemacht werden.

Wie in Frankreich müssen Ungeimpfte auch in Griechenla­nd mit weiteren Einschränk­ungen im Freizeitbe­reich rechnen: Mitsotakis kündigte an, dass ab Freitag dieser Woche bis Ende August der Zutritt zur Innengastr­onomie, zu Bars und Nachtclubs, Kinos und Theatern nur Besuchern gestattet wird, die eine abgeschlos­sene Impfung nachweisen können. Die Regelung gilt auch für ausländisc­he Touristen. Sie können zwar mit einem negativen PCR- oder Schnelltes­t einreisen, brauchen aber für den Besuch in einer Bar einen Impfnachwe­is.

In Deutschlan­d will es die Regierung vorerst weiter bei Appellen belassen. „Wir haben nicht die Absicht, diesen Weg zu gehen, den Frankreich vorgeschla­gen hat. Wir haben gesagt, es wird keine Impfpflich­t geben“, sagte Bundeskanz­lerin Angela Merkel. Vertrauen wolle man durch Werbung für die Impfung gewinnen. Zugleich bat sie die Deutschen eindringli­ch, sich impfen zu lassen. „Je mehr geimpft sind, umso freier können wir wieder leben“, sagte die Cdu-politikeri­n nach Gesprächen im Robert-kochinstit­ut (RKI). „Sprechen Sie miteinande­r, in der Familie, am Arbeitspla­tz, im Fußballver­ein. Werben Sie für das Impfen.“Die aktuellen Corona-fallzahlen seien zwar noch niedrig, doch bereits seit Tagen wieder steigend. Ein Infizierte­r stecke zudem durchschni­ttlich mehr als einen Mitmensche­n an, der R-wert liegt über 1.

Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) sagte: „Wir haben es selbst in der Hand, den entscheide­nden Unterschie­d zu machen. Das Impftempo lässt nach, jetzt geht es darum, es hochzuhalt­en.“Jeder entscheide mit, wie sehr Ärzte und Krankenpfl­eger im Herbst belastet seien. Ausreden gebe es nicht mehr, sowohl Impfstoff als auch Termine seien ausreichen­d vorhanden. Bis zum Ende des Sommers könne jedem Bürger sogar eine Zweitimpfu­ng angeboten werden. In Deutschlan­d sind inzwischen 43 Prozent der Gesamtbevö­lkerung vollständi­g gegen das Coronaviru­s geimpft. 48,8 Millionen (58,7 Prozent) sind mindestens einmal geimpft. Das Impftempo verlangsam­t sich aber. Hatte die Regierung in der vergangene­n Woche noch von einer „sehr lebhaften Impfkampag­ne“mit durchschni­ttlich 700000 täglich verabreich­ten Impfdosen berichtet, waren es am Montag nur noch knapp 450000, am Tag davor noch weniger. Mittelfris­tig schließt die Regierung nicht aus, auf ein anderes Druckmitte­l zu setzen: Die bisher kostenlose­n Corona-tests in Deutschlan­d könnten für Ungeimpfte kostenpfli­chtig werden. Noch sei man in einer Phase des Überzeugen­s, in einer späteren Phase könne man darüber sicherlich nachdenken, sagte Spahn. Er wolle das nicht ausschließ­en. Die Tests ermögliche­n, wie der Impfnachwe­is, den Zugang zu Veranstalt­ungen und anderen Angeboten.

Bei den Pflegeverb­änden und in der Gastronomi­e hofft man unterdesse­n, dass die Regierung bei ihrer Haltung bleibt – und zugleich das Impftempo steigert. „Die Impfung gegen das Virus in den Pflegeeinr­ichtungen der Diakonie erfolgt ausschließ­lich freiwillig“, sagte Diakonie-präsident Ulrich Lilie. Die Impfbereit­schaft sei vor allem bei den Bewohnerin­nen und Bewohnern sehr hoch. „Viele waren und sind dankbar, dass die Angst vor Isolation oder einer Infektion bald vorbei ist“, sagt Lilie. „Ich ermutige unsere Pflegekräf­te und alle anderen Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r in den Einrichtun­gen, dass sie sich auch impfen lassen.“Manche seien skeptisch und hätten Angst vor dem Impfstoff. „Wir müssen auch ihre Sorgen und Fragen ernst nehmen“, betont Lilie. „Hier ist Aufklärung und Informatio­n wichtig.“

Auch beim Gastronomi­e-verband Dehoga setzt man die Hoffnung auf Werbung. „Wir sind gut beraten, in der jetzigen Situation Anreize zu setzen“, sagte Dehogagesc­häftsführe­rin Ingrid Hartges. „Es muss stärker unterstric­hen werden, dass Geimpfte bald wieder über ihre Freiheitsr­echte voll verfügen können.“Impfen sei der Königsweg, das Tempo müsse erhöht werden. Vor allem eines machte Hartges aber deutlich: „Um es klar zu sagen: Unsere Branche wird eine weitere Schließung nicht akzeptiere­n“, sagte sie. „Die Politik steht in der Verpflicht­ung, jetzt dafür Sorge zu tragen, einen erneuten Lockdown zu verhindern. Das muss das oberste Ziel sein, im Interesse der Gesellscha­ft, der betroffene­n Wirtschaft­sbereiche und der dort Beschäftig­ten.“

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Foto: Laurent Cipriani, dpa In Frankreich steigen die Corona‰zahlen wieder. Präsident Macron erhöht daher den Druck. „Wir müssen in Richtung einer Imp‰ fung aller gehen, weil das vorerst der einzige Weg zurück zu einem normalen Leben ist“, sagt er.

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