Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Die neue Devise lautet: „Impfen to go“
Die Staatsregierung will der wachsenden Impfmüdigkeit entgegenwirken. Das könnte auch dazu führen, dass Bürger für Corona-tests künftig bezahlen müssen
München Um der bayernweit wachsenden Impfmüdigkeit entgegenzuwirken und möglichst schon im Herbst eine weitgehende Herdenimmunität gegen das Coronavirus zu erreichen, weitet die Staatsregierung ihr Impfangebot massiv aus. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kündigte am Dienstag nach der Sitzung des Kabinetts in München an, dass Impfungen künftig ohne vorherige Registrierung und Termin „niederschwellig“möglich gemacht werden. Gleichzeitig gab Söder bekannt, dass die Staatsregierung über ein Ende der kostenlosen Corona-tests nachdenken werde, sobald jeder, der sich impfen lassen kann, ein Impfangebot gehabt habe. Auch dies könnte die Impfbereitschaft fördern. Und Söder bekräftigte, dass es bis auf Weiteres bei einem Verbot klassischer Volksfeste bleiben werde.
Die neue Devise lautet „Impfen to go“. Dahinter steckt der Plan, Impfungen künftig auf breiter Front zu erleichtern. Sie sollen nicht nur ohne Voranmeldung und Terminvereinbarung möglich sein, sondern zum Beispiel auch unabhängig vom Wohnort in einer anderen Stadt, einem anderen Landkreis oder einem anderen Bundesland. Auch die Regel, Erst- und Zweitimpfungen beim selben Impfzentrum oder beim selben Arzt vornehmen zu lassen, soll entfallen.
Ergänzend dazu plant die Staatsregierung Sonderimpfaktionen vor Ort. Mobile Impfteams sollen zum Beispiel vor Geschäften, auf Märkten, bei Sportveranstaltungen oder in Vereinen Impfungen anbieten. Impfzentren könnten „Drive-inangebote“einrichten oder „Familiensonntage“für Eltern mit Kindern ab zwölf Jahren veranstalten. „Der Kampf um den Impfstoff ist zu einem Kampf um den Impfling geworden.“So fasste Gesundheitsminister Klaus Holetschek die aktuelle Situation in der Corona-pandemie in Bayern zusammen. Wie erfolgreich der Freistaat sein werde, hänge nun von jedem Einzelnen ab. „Es ist ein gesamtgesellschaftliches Thema, aus dem sich keiner wegducken kann.“
Die Überlegung, Corona-tests ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr kostenlos zur Verfügung zu stellen, geht auf das Beispiel Frankreichs zurück. Dort hat Präsident Emmanuel Macron erklärt, dass Pcr-tests ab Herbst kostenpflichtig werden, sofern sie nicht von einem Arzt verschrieben wurden. Das soll, weil nur Getestete und Geimpfte spezielle Freiheiten genießen, die Impfbereitschaft zusätzlich ankurbeln. Söder, der eine Impflicht ebenso ablehnt wie finanzielle Anreize, gefällt dieser Gedanke. „Testen kostet enorme Summen“, sagte er. Deshalb müsse darüber nachgedacht werden, ob es kostenlos bleiben könne, wenn alle Menschen ein ausreichendes Impfangebot bekommen hätten.
Zur Förderung der Impfbereitschaft stellte Söder außerdem die Öffnung von Clubs und Diskotheken für vollständig gegen Corona Geimpfte in Aussicht. „Ich glaube, der erste Ansatz, den wir dringend brauchen, sind mehr Freiheiten für Geimpfte.“Dazu gehöre etwa der Wegfall von Quarantäne-vorschriften für zweifach Geimpfte und „ab Herbst auf jeden Fall die Öffnung von Clubs und Nachtgastronomie“. Derzeit seien solche Erleichterungen noch „relativ sinnlos“, da es gerade bei jüngeren Menschen noch kaum zweifach Geimpfte gebe, sagte Söder.
Nach einiger Verwirrung zu Wochenbeginn hat die Staatsregierung am Dienstag noch einmal klargestellt, dass Volksfeste im eigentlichen Sinne in Bayern untersagt bleiben. Volksfeste könnten weiterhin nicht stattfinden, betonten Söder und Holetschek. Es seien lediglich – unter strikten Auflagen und jeweils nach Einzelfallentscheidungen – Ersatzveranstaltungen möglich, erklärte Holetschek. „Aber sicher nicht das klassische Volksfest in irgendeiner Art und Weise.“Man wolle vermeiden, dass Menschen in einem Bierzelt in „bierseliger Stimmung“und auf engstem Raum miteinander feierten. Söder sagte zu den Unklarheiten, die Freien Wähler als Koalitionspartner hätten die Frage im Vorfeld „sehr extensiv interpretieren“wollen. Aber auch Starkbierfeste oder Ähnliches seien eben aktuell nicht angemessen.
Noch einmal verstärken will die Staatsregierung ihre Unterstützung für Jugendliche und Familien mit Kindern. Bis 2022 sollen zusätzlich zum bereits bestehenden Landesprogramm bei Erziehungsberatungsstellen 90 weitere geförderte Stellen geschaffen werden. „Es ist wichtig, die Jugendlichen und ihre Familien sehr gut zu unterstützen, auch außerhalb der Schulen“, sagte Sozialministerin Carolina Trautner (CSU) am Dienstag.