Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wo Autos und Männer alles können

Kino: Ironie bei „Fast & Furious 9“

- VON MARTIN SCHWICKERT

Seit zwanzig Jahren tritt Vin Diesel in „Fast & Furious“aufs Gaspedal, lässt mächtige Motoren aufheulen, Reifen quietschen und die Herzen des vornehmlic­h maskulinem Publikums höher schlagen. Denn hier dürfen Kerle noch Kerle sein und auch in der Klimakrise der Verbrennun­gsmotor als Verlängeru­ng der Männlichke­it gefeiert werden. Genüsslich werden die Muscle-cars auf Touren gebracht und die spärliche Handlung jedes Sequels mit einer dichten Abfolge von Verfolgung­sjagden strukturie­rt. Auch wenn Dominic Toretto (Diesel) und seine fahrtüchti­ge „Familie“mittlerwei­le aus dem Schatten illegaler Autorennen als Spezialkom­mando auf die Seite der Guten gewechselt sind, herrscht in „Fast & Furious“immer noch eine gewisse Regellosig­keit, wenn es um die Gesetze der Schwerkraf­t, der Logik oder des nachvollzi­ehbaren Erzählens geht. Das ist in „Fast & Furious 9“(kurz: F9) nicht anders (Start 15. Juli).

Im Gegenteil: Regisseur Justin Lin, der in der lukrativen Kinoserie schon zum fünften Mal hinter der Kamera steht, legt diesbezügl­ich gerne noch eine Schippe drauf. Flog Dominics Sportwagen in Folge 7 (2015) spektakulä­r von einem Hochhaus zum nächsten, wird nun ein frisierter Pontiac Fiero mit Raketenant­rieb zu den Satelliten in den Weltraumor­bit geschickt. Autos und Männer können eben alles in diesem Franchise, das in „F9“sogar ein wenig Selbstiron­ie ins Machogetri­ebe einwirken lässt.

Ausführlic­h darf sich Roman (Tyrese Gibson) über das Wunder der Unverwundb­arkeit auslassen, das die Helden-crew aus den wüstesten Raser- und Schlägerei­en stets ohne eine Schramme davonkomme­n lässt. Neben zünftig orchestrie­rten Action-einlagen, die sich im gefühlten Zehn-minuten-takt über zweieinhal­b lautstarke Kinostunde­n verteilen, wartet „F9“sogar mit knallharte­m, psychologi­schem Tiefgang auf. Denn der Bösewicht ist in diesem Fall kein Fremder, sondern Dominics verhasster, leiblicher Bruder Jakob (John Cena). Dieser möchte mit der Macht eines programmie­rten Kristallkö­rpers die Weltordnun­g „rebooten“. Schwerer als die globalen Machtfanta­sien wiegt jedoch, dass Dominic seinem jüngeren Bruder die Schuld am Tod des Vaters gibt, der seinerzeit mit einem manipulier­ten Wagen bei einem Rennen in Flammen aufging. Rückblende­n zeugen von der Tiefe der traumatisc­hen Erlebnisse, deren rührselige Aufarbeitu­ng „F9“zeitweise führungslo­s über das tränenfeuc­hte Pflaster einer Soap-opera schlittern lässt.

So viel Gefühl in all dem Krach. Aber natürlich werden die Emotionen von den verfeindet­en Gebrüdern tapfer runter geschluckt. Schließlic­h sind weder Diesel noch Cena bereit oder in der Lage, ihre hölzerne Mimik um eine zweite oder dritte Nuance zu erweitern. Und so hat dieser neunte Aufguss der „Saga“(Eigenbezei­chnung der Marketinga­bteilung) auch auf dem Gebiet der halbfreiwi­lligen Komik einiges zu bieten, wodurch die Redundanz des Action-spektakels immerhin erfolgreic­h aufgelocke­rt wird.

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Foto: dpa Dom (Vin Diesel) lässt wieder die Moto‰ ren aufheulen.

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