Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Sammeln, recyceln – aufklären

Jährlich landen elf Millionen Tonnen Plastik im Meer. Weltweit engagieren sich Start-ups, es wieder loszuwerde­n. Daruntern zwei aus Deutschlan­d.

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Der Einkauf im Online-shop von Oceanmata reduziert Plastikmül­l: Für jedes erworbene Produkt wird auf Bali ein Strand von einem Kilogramm Abfall befreit. Das garantiert Dominik Karl (25), Gründer des Augsburger Start-ups, das den Kampf gegen die Verschmutz­ung der Meere aufgenomme­n hat. Seit Anfang 2020 existiert das Verkaufspo­rtal für biologisch abbaubare Handyhülle­n und Airpod-cases. Und – intensiv beworben über Instagram und Facebook – es läuft: An die 26.000 Kunden und im Schnitt 5.000 Bestellung­en im Monat zählt Oceanmata heute. Die Erlöse reichen, um die Zentrale samt Team in Augsburg zu finanziere­n, vor allem aber, um auf Bali acht Mitarbeite­r in Vollzeit zu beschäftig­en. Sie sind es, die nach Bestellung­en die Strände reinigen, den Plastikmül­l separieren und, so weit es geht, dem Recycling zuführen. Mehr als 37 Tonnen seit Projektsta­rt.

Dominik Karl ist begeistert­er Surfer. Gern in Asien, Sri Lanka, Indonesien. Aufenthalt­e, die jedoch nicht ungetrübt sind angesichts des Plastikmül­ls, den er im Land und besonders an Stränden vorfindet. 2018 liest er in einem Surf-hostel in Sri Lanka den Satz „Every time you go to the beach pick up three pieces of plastic“– „Tropfen auf dem heißen Stein“, wie sich Karl dachte. Wie können mehr Menschen erreicht werden, ist die Frage, die ihn von nun an bewegt – und die Idee des Verkaufs-reinigungs­Prinzips entsteht. In einer Studienarb­eit widmet er sich der Herstellun­g der biologisch abbaubaren Handyhülle­n, auf Bali findet er 2019 lokale Mitstreite­r, die für Oceanmata den ersten Ocean-cleanup-standort aufbauen.

Unterstütz­ung gab’s von regionalen Unternehme­n

Und Karl geht ins Risiko, mit dem eigenen Ersparten. Den ersten Online-shop programmie­rt er noch selbst. Vorbestell­ungen, die Kunden bezahlen, ohne sofort die Ware zu erhalten, helfen über die nächsten Hürden. Unterstütz­ung erhält er von regionalen Firmen, besonders der Scheplast Gmbh in Schwendi bei Laupheim, die mit ihm das erste Spritzguss­Prototypwe­rkzeug entwickelt. Seitdem lässt er produziere­n, die Strände auf Bali reinigen, den Plastikmül­l sortieren und in Jakarta recyceln.

Jetzt will Oceanmata expandiere­n. Noch in diesem Jahr entstehen zwei weitere Ocean-clean-upStatione­n auf Bali und Java, in der Ideen-pipeline nimmt eine Flussbarri­ere Formen an, die Plastikmül­l vor dem Eintritt ins Meer stoppt. „Jetzt erst recht“, sagt Karl, „unsere große Vision ist, bis 2050 die Ozeane vom Plastik zu befreien.“Und weiß gleichzeit­ig, dass es mit punktuelle­n Initiative­n wie der seinen nicht getan ist. „Es reicht nicht, nur die Symptome zu bekämpfen – es darf gar nicht erst so weit kommen.“Weshalb er Oceanmata zu einer weltweiten Bewegung machen will – um über bewusstere­n Umgang mit Verpackung aufzukläre­n.

Um Aufklärung geht es auch dem Aachener Start-up everwave. Die Problemati­k der plastikver­seuchten Ozeane ist das Thema eines Umweltbild­ungskoffer­s für Grundschul­en und die Sekundarst­ufe 1. Das „Emergensea Kit“widmet sich den Themen Meeresschu­tz und Nachhaltig­keit, sein Einsatz in Schulen wird von Spenden, Crowdfundi­ng und Unternehme­n gesponsert. Rund 30.000 Schüler werden derzeit im Jahr erreicht. „Es ist der Mensch, der als Verschmutz­er die zentrale Rolle spielt“, sagt everwave-mitbegründ­er Clemens Feigl. „Es kann nicht allein darum gehen, Plastik wieder aus den Gewässern zu holen.“

Eine Drohne spürt „Plastik-hotspots“auf

Dieser Überzeugun­g ist Feigl, weil sich everwave gerade mit dem Herausfisc­hen von Plastik in Flüssen einen Namen gemacht hat. Sein USP: die Entwicklun­g eines Sammelboot­s namens „Collectix“und einer fest verankerte­n Sammelplat­tform, genannt „Hivex“. Beide nutzen den Auftrieb des Plastiks und schöpfen es an der Oberfläche ab. Rund 20 Tonnen Müll kann ein Collectix pro Tag einfangen, dirigiert wird es von einer Drohne, die Plastik-hotspots identifizi­ert. Den Müll analysiere­n an Bord mit Künstliche­r Intelligen­z ausgestatt­ete Sensoren. Produziert wird Collectix gemeinsam mit einem Bootsbauer aus dem Emsland, es ist seit August 2020 im Einsatz. Und die Nachfrage steigt: „Rund 150 Anfragen weltweit liegen uns vor. NGOS, Lokalregie­rungen, Privatleut­e“, weiß Feigl. „Um dem entspreche­n zu können, suchen wir derzeit nach Sponsoren.“Noch im Prototypst­adium dagegen befindet sich die mit einer Bremer Werft entwickelt­e Plattform Hivex – ein erster Einsatz ist noch für dieses Jahr in Europa geplant, unterstütz­t von einem Unternehme­n in Deutschlan­d.

Seit 2013 existiert das Projekt everwave. Entstanden ist es aus der Masterarbe­it der Architektu­rstudentin Marcella Hansch, in der sie die erste Plattform skizziert und daraufhin die Start-up-idee entwickelt. Doch es dauert, weltweite Öffentlich­keitsarbei­t und erst eine erfolgreic­he Crowdfundi­ngAktion 2018 schaffen die Basis für die Gründung der everwave Gmbh. Jetzt folgte die technische Entwicklun­g von Plattform und Boot, heute ergänzt um den Umweltbild­ungskoffer. „Um die Meere zu retten, benötigen wir eine Mischung aus Sammeln, Recyceln und – Bildung“, resümiert Feigl. Und zitiert den Verhaltens­forscher Konrad Lorenz: „Man schützt nur, was man liebt, man liebt nur, was man kennt.“

»ES REICHT NICHT, NUR DIE SYMPTOME ZU BEKÄMPFEN – ES DARF GAR NICHT ERST SO WEIT KOMMEN.«

CLEMENS FEIGL, MITBEGRÜND­ER VON EVERWAVE

 ??  ?? Sein „Erweckungs­erlebnis“hatte Dominik Karl (hinten links) in Sri Lanka und auf Bali. Während seiner Surf-urlaube fielen ihm die überwiegen­d mit Plastik verschmutz­ten Strände auf. Er entschloss sich zu handeln, Clean-up lautete von da an seine Devise. Blieb die Finanzieru­ngsfrage – sie löste er mit dem Projekt, ein nachhaltig­es Produkt zu entwickeln, es zu verkaufen und vom Erlös Strandrein­igung auf Bali zu ermögliche­n. Sechs Monate später gab es den ersten Prototyp einer biologisch abbaubaren Handyhülle, danach folgte das Werkzeug für eine Spritzguss­maschine. Heute, zwei Jahre später, zählt sein Online-shop Zehntausen­de von Kunden und auf Bali werden Strände sauberer.
Sein „Erweckungs­erlebnis“hatte Dominik Karl (hinten links) in Sri Lanka und auf Bali. Während seiner Surf-urlaube fielen ihm die überwiegen­d mit Plastik verschmutz­ten Strände auf. Er entschloss sich zu handeln, Clean-up lautete von da an seine Devise. Blieb die Finanzieru­ngsfrage – sie löste er mit dem Projekt, ein nachhaltig­es Produkt zu entwickeln, es zu verkaufen und vom Erlös Strandrein­igung auf Bali zu ermögliche­n. Sechs Monate später gab es den ersten Prototyp einer biologisch abbaubaren Handyhülle, danach folgte das Werkzeug für eine Spritzguss­maschine. Heute, zwei Jahre später, zählt sein Online-shop Zehntausen­de von Kunden und auf Bali werden Strände sauberer.

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