Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Den Grünen platzt der Kragen

Die Hochwasser­katastroph­en heizen den Streit um ein besseres bayerische­s Klimaschut­zgesetz an. Fraktionsc­hef Hartmann wirft Ministerpr­äsident Söder Führungssc­hwäche vor und nennt ihn „Weltmeiste­r der Ankündigun­gen“

- VON ULI BACHMEIER

München Unter dem Eindruck der Hochwasser­katastroph­e im Westen Deutschlan­ds platzt den Grünen im Landtag im Dauerstrei­t um ein besseres bayerische­s Klimaschut­zgesetz der Kragen. Fraktionsc­hef Ludwig Hartmann und der Umweltexpe­rte Martin Stümpfig werfen Ministerpr­äsident Markus Söder Führungssc­hwäche vor. Der CSU-CHEF sei „Weltmeiste­r der Ankündigun­gen“, sagte Hartmann am Freitag im Landtag, „aber Führungsst­ärke fehlt bei Markus Söder im Klimaschut­z vollständi­g“.

Während die grün-schwarze Landesregi­erung in Baden-württember­g nur 63 Tage gebraucht habe, um nach Abschluss des Koalitions­vertrags im Landtag in Stuttgart einen Entwurf für ein neues Klimaschut­zgesetz vorzulegen, hätten sich CSU und Freie Wähler in Bayern dafür 541 Tage Zeit gelassen. Dieses erste bayerische Klimaschut­zgesetz aber, das schließlic­h am 1. Januar dieses Jahres in Kraft trat, ist nicht nur nach Auffassung der Grünen längst Makulatur. Nach dem Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts zum Klimaschut­z habe Söder bereits Anfang Mai dieses Jahres selbst eingestehe­n müssen, dass das bayerische Gesetz nicht gut sei, sagte Hartmann. „Er hat nach nur vier Monaten sein eigenes Gesetz in die Tonne getreten.“

Die Grünen haben seit der Landtagswa­hl 2018 bereits drei Entwürfe für ein Klimaschut­zgesetz vorgelegt, die SPD einen. Zudem habe es aus der Opposition eine Vielzahl von Anträgen und Forderunge­n nach Sofortmaßn­ahmen gegeben. Inhaltlich darüber diskutiert worden sei aber nicht, kritisiert­e Stümpfig. „Wir haben bisher keinen Streit über die besten Ideen. Es gibt imnur Ablehnung von CSU und Freien Wählern.“Zuletzt sei das vergangene Woche im Umweltauss­chuss so gewesen.

Den Grund für die Zögerlichk­eit der Staatsregi­erung sehen die Grünen in der Uneinigkei­t zwischen CSU und Freien Wählern. Ministerpr­äsident Söder wolle keine Windkraft, Vize-ministerpr­äsident Hubert Aiwanger (Freie Wähler) wolle keine Solarpflic­ht auf Dächern. „Dieser Staatsregi­erung fehlt der Wille für den Klimaschut­z“, sagte Stümpfig. Es sei „weiterhin kein

Konzept, kein Plan zu erkennen“, sagte Hartmann. Statt immer nur Ankündigun­gen zu verbreiten, solle Söder „zwei Wochen mal nicht an die Überschrif­ten und nicht an seine PR denken, sondern sich einfach mal hinsetzen und arbeiten“.

Ein Kompromiss zwischen CSU und Freien Wählern im Streit um Sonnenener­gie und Windkraft wäre aus Sicht des Fraktionsc­hefs der Grünen relativ einfach zu erreichen: Söder könnte auf zwei Prozent der Landesfläc­he auf die 10H-abstandsre­gel für Windräder verzichmer ten, die den Ausbau der Windkraft fast komplett zum Erliegen gebracht hat. Damit bliebe die 10H-regel auf 98 Prozent der Fläche weiter gültig. Gleichzeit­ig könnte der Ausbau der Windkraft an besonders günstigen Standorten wieder aufgenomme­n werden. Im Gegenzug könnte Aiwanger seinen Widerstand gegen eine Solarpflic­ht bei Neubauten oder bei der Sanierung von Dächern aufgeben. Dass solche Kompromiss­e nicht möglich seien, zeige die Führungssc­hwäche Söders, sagte Hartmann.

Ein anderes Beispiel für einen möglichen Kompromiss gibt es nach Auffassung Stümpfigs im Dauerstrei­t über die Frage, wer die Kosten für klimagerec­hte Gebäudesan­ierung zu tragen habe. Statt den Ball ständig zwischen Vermietern, Mietern und Staat hin und her zu spielen, sollte man sich auf eine Aufteilung der Kosten verständig­en. Eine „soziale Abfederung“sei notwendig, aber klar sei auch: „Jeder sollte dazu etwas beitragen.“

Der Zusammenha­ng zwischen der Klimakrise und den Hochwasser­katastroph­en ist laut Stümpfig offenkundi­g. Jedes Grad Erderwärmu­ng erhöhe die Wassermeng­e bei Starkregen etwa um 14 Prozent. Bereits jetzt seien es 30 Prozent mehr im Vergleich zu früher. Und es drohe weitere Erwärmung.

Für kommenden Mittwoch erwarten sich die Grünen mehr als die angekündig­te Regierungs­erklärung des Ministerpr­äsidenten. Sie fordern von der Staatsregi­erung, noch vor der Sommerpaus­e einen Entwurf für ein neues Klimaschut­zgesetz vorzulegen. Außerdem fordern sie, der Landtag solle eine Woche länger als geplant tagen, um das Gesetz im Herbst möglichst schnell verabschie­den zu können. Söder müsse „den Turbo zünden“.

Spd-fraktionsc­hef Florian von Brunn zeigt sich aufgeschlo­ssen für den Vorschlag, die Sommerpaus­e zu verkürzen. „Ich werde das in meiner Fraktion gerne vorschlage­n“, sagte er auf Anfrage. Auch er ist der Ansicht, dass das aktuelle bayerische Klimaschut­zgesetz „weder ausreichen­d Ziele noch ausreichen­d Maßnahmen“enthalte. An eine schnelle Einigung zwischen CSU und Freien Wählern glaubt er allerdings nicht: „Die streiten doch wie die Kesselflic­ker. Die kriegen das nie hin bis nächste Woche.“

 ?? Foto: Sven Hoppe, dpa ?? Die Grünen um Ludwig Hartmann glauben, dass der Regierungs­koalition der echte Wille zum Klimaschut­z fehlt: Ministerpr­äsident Söder wolle keine Windkraft, Vize‰ministerpr­äsident Aiwanger keine Solarpflic­ht auf Dächern.
Foto: Sven Hoppe, dpa Die Grünen um Ludwig Hartmann glauben, dass der Regierungs­koalition der echte Wille zum Klimaschut­z fehlt: Ministerpr­äsident Söder wolle keine Windkraft, Vize‰ministerpr­äsident Aiwanger keine Solarpflic­ht auf Dächern.

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