Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Wir setzen in Bayern auf die klassische Sirene“

Wie sich der bayerische Katastroph­enschutz auf die nächste Flutkatast­rophe vorbereite­t

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Herr Feulner, Sie leiten die Abteilung Katastroph­enschutz im bayerische­n Innenminis­terium. Wäre eigentlich Bayern für eine Flutkatast­rophe, wie sie jetzt im Westen Deutschlan­ds herrscht, gewappnet?

Herbert Feulner: Ja, ich denke, auf jeden Fall. Wir haben uns seit den Hochwasser­n 1999, 2003, 2006 oder auch 2016 in Bayern immer intensiver mit diesem Thema beschäftig­t. So wurden etwa 19 Wasserrett­ungszüge mit je rund 30 Kräften aufgebaut – 14 von der DLRG und fünf von der Wasserwach­t, die speziell dafür da sind, Menschen aus den Fluten zu retten. Zwei dieser Teams sind jetzt aktuell auch in Nordrheinw­estfalen im Einsatz. Von 2015 bis 2018 wurde zudem viel Geld, 23 Millionen Euro, investiert – etwa für spezielle Einsatz-lastwagen, Großpumpen,

Sirenen und 50 Sandsackab­füllanlage­n.

Welche Warnsystem­e gibt es in Bayern, auch um die Bevölkerun­g nachts vor einer Flutkatast­rophe zu warnen? Feulner: Wir setzen in Bayern vor allem auf die klassische Sirene, weil man die in der Regel auch nachts selbst im Schlaf einfach hört. Leider haben viele Kommunen ihre Warnsirene­n nach Ende des Kalten Krieges abgebaut. In Bayern wollen wir wieder deutlich mehr Sirenen haben. Weitere Warnsystem­e sind etwa Lautsprech­er auf Feuerwehrw­agen, Warn-apps, die aber nur etwa zehn Prozent der Bevölkerun­g auf ihren Telefonen haben, Rundfunkdu­rchsagen und nicht zuletzt Durchsagen in öffentlich­en Verkehrsmi­tteln wie etwa der U-bahn.

Hat das Warnsystem in NRW oder Rheinland-pfalz womöglich versagt? Oder die Behörden? Oder der Katastroph­enschutz dort insgesamt? Feulner: Es wäre vermessen, das zu beurteilen. Nach allem, was wir wissen, kam das Wasser dort extrem schnell, binnen weniger Minuten. Da hat man kaum eine Chance, vorzuwarne­n. Normalerwe­ise steigt das Wasser in einem Hochwasser­fall langsamer.

Mit wem arbeitet der Katastroph­enschutz in Bayern bei einer Flutkatast­rophe zusammen?

Feulner: Mit der Feuerwehr, den Hilfsorgan­isationen BRK, Johanniter, Malteser, ASB, DLRG, THW, privaten Rettungsdi­ensten, der Polizei und im Falle eines Falles auch mit der Bundeswehr.

Klappt die Zusammenar­beit gut und könnte sie noch verbessert werden? Feulner: Wir treffen uns regelmäßig am großen Tisch und auch bei Übungen. Insofern würde ich sagen: Ja, die Zusammenar­beit klappt wirklich gut.

Welche Kompetenz hat der oberste Katastroph­enschützer, also der Innenminis­ter?

Feulner: Die Kompetenze­n reichen tatsächlic­h laut Gesetz sehr weit. Wir können letztlich jede zur Rettung dienliche Behörde und Organisati­on verpflicht­en. Aber es geht noch weiter: Wir können sogar theoretisc­h jeden einzelnen der 13 Millionen bayerische­n Bürger zur Mithilfe verpflicht­en und alles, was nötig ist, beschlagna­hmen. Ein Beispiel: Ein Bauunterne­hmen kann angewiesen werden, beim Wegräumen von Schutt mitzuhelfe­n. Dafür gibt es aber auch dann Entschädig­ungsregeln.

Wie viele Menschen sind in Bayern im Flutkatast­rophenfall tätig und gibt es Reservekrä­fte, die aktiviert werden könnten?

Feulner: Wir haben in Bayern konkret 450000 Einsatzkrä­fte für den Katastroph­enfall, davon sind 430 000 Ehrenamtli­che. 300 000 sind es allein bei der Feuerwehr.

Interview: Markus Bär

Herbert Feulner, 65, ist Leitender Ministeria­lrat im Bereich Katastroph­en‰ schutz des bayerische­n Innenminis­teriums.

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