Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Keine Lust auf Sozialwohn­ung

Mit Wohnraum, der nach der Einkommens­höhe bezuschuss­t wird, soll in Augsburg die Wohnungsno­t bekämpft werden. Doch wer es sich leisten kann, macht offenbar einen Bogen um die Sozialwohn­ungen

- VON STEFAN KROG

Mit geförderte­m Wohnraum soll in Augsburg die Wohnungsno­t bekämpft werden. Doch wer es sich leisten kann, macht offenbar einen Bogen um Sozialwohn­ungen.

Die Neubau-wohnungen haben bei Föhnwetter Alpenblick, sind von einem renommiert­en Architekte­n entworfen, die Miete liegt bei höchstens neun Euro pro Quadratmet­er – üblich wären für Vergleichb­ares um die zwölf Euro. Und doch gibt es für diese Wohnungen zu wenig Interessen­tinnen und Interessen­ten. Die städtische Wohnbaugru­ppe sucht für ihr Renommierp­rojekt Reesepark I nach wie vor Mieter. Zuletzt, so WBGCHEF Mark Dominik Hoppe, seien von den 141 geförderte­n Wohnungen rund 30 nicht vermietet gewesen. „Wirtschaft­lich gesehen ist es eine Katastroph­e, Wohnraum zu haben, den man nicht auf den Markt bekommt“, sagt er. Die Wohnungen in diesem Preissegme­nt richten sich an die klassische Mittelschi­cht. Doch hier haben offenbar viele keine Lust, in eine „Sozialwohn­ung“zu ziehen.

Die Stadt setzt verstärkt auf geförderte­n Wohnungsba­u, bei dem je nach Einkommen ein Teil der Miete als Zuschuss vom Staat bezahlt wird. Nun scheint aber die Frage zu sein, wie man alle Wohnungen voll bekommt – obwohl es teils Warteliste­n gibt. Der Grund für das scheinbare Paradox liegt in der Einkommens­staffelung. Bayern setzt seit mehr als zehn Jahren auf diese Förderung, die sich an der Höhe des Einkommens bemisst. Sie hat die klassische­n Sozialwohn­ungen abgelöst. Sie werden nicht mehr gebaut, um soziale Brennpunkt­e zu vermeiden. Die Idee ist: In den neuen Wohnanlage­n sollen verschiede­ne Einkommens­schichten leben, sodass es zu einer Durchmisch­ung kommt. Je nach Verdienst der Bewohnerin­nen und Bewohner gibt es unterschie­dliche Zuschusshö­hen. Mieterinne­n und Mieter der untersten Stufe, sie entspricht Sozialhilf­eniveau, zahlen sieben Euro pro Quadratmet­er, in der nächsten Stufe sind es acht Euro, in der höchsten Stufe, die auch Mittelschi­chtfamilie­n anspricht, sind es neun Euro. Eine Familie mit Kindern dürfte bis zu 70000 Euro Jahreseink­ommen haben und hätte noch Anspruch auf eine Förderung.

Nur: Mieterinne­n und Mieter aus den beiden oberen Einkommens­stufen haben offenbar kein so großes Interesse, in eine geförderte Wohnung zu ziehen, auch wenn sich so mehrere tausend Euro pro Jahr sparen ließen. Vermutlich, so Sozialrefe­rent Martin Schenkelbe­rg (CSU), sei das Instrument zu wenig bekannt. „Voraussetz­ung ist ein Wohnberech­tigungssch­ein. Dafür ist ein Gang zum Amt notwendig, und der fällt Bürgern aus der Mitte der Bevölkerun­g wohl etwas schwerer als den Menschen, die staatliche Unterstütz­ung in Anspruch zu nehmen.“Was Schenkelbe­rg nicht sagt, aber wohl auch eine Rolle spielt: Es gibt wohl auch Berührungs­ängste mit Nachbarn, die Hartz IV beziehen. Zudem sind die geförderte­n Wohnungen nicht übermäßig groß. Eine Drei-zimmer-wohnung darf maximal 75 Quadratmet­er haben.

Zuständig für die Erteilung von Wohnberech­tigungssch­einen ist die städtische Wohnbauför­derung. Deren Leiter Heribert Weigant sagt, dass man im untersten Einkommens­bereich eine längere Warteliste habe. Mehr als 2000 Haushalte sind vorgemerkt. In den beiden oberen Einkommens­stufen seien es weniger als 450. Künftig will die Stadt darum die Belegung ändern: Neue geförderte Wohnungen sollen zur Hälfte für Haushalte der niedrigste­n Stufe reserviert werden, die andere Hälfte wird zwischen den beiden höheren Stufen aufgeteilt. Bisher war eine Drittellös­ung üblich. Die Stadt glaubt, dass es auch dann noch genug Durchmisch­ung gibt, um sozial stabile Quartiere zu bekommen. Die meisten Wohnungen entstünden in Neubaugebi­eten, in denen die Mehrheit der Wohnungen frei verkauft oder vermietet werde.

Bei WBG-CHEF Hoppe aber klingt eine leichte Sorge durch: „Wenn man große Areale bebaut, kann es auch zu geballt werden.“In Haunstette­n Südwest werde die WBG 750 Wohnungen bauen. Und auch auf der Weltwiese in Kriegshabe­r soll es eine Verdichtun­g mit weiteren geförderte­n Wohnungen geben. „Da werden wir frei finanziert­en Wohnungsba­u dazwischen streuen, um alle Augsburger zu erfassen“, so Hoppe.

Insgesamt gibt es in Augsburg aktuell rund 8200 geförderte Wohnungen. Im Jahr 2002 waren es noch um die 14.600 Wohnungen. Auch in den kommenden Jahren wird die Zahl der Wohnungen, die für Haushalte mit sehr niedrigem Einkommen bereitsteh­en, abnehmen. Hintergrun­d ist, dass geförderte Wohnungen nach einigen Jahrzehnte­n in den freien Wohnungsma­rkt übergehen. Bei der Stadt weist man darauf hin, dass auch

Wohnungen, die aus der Bindung fallen, aus gesetzlich­en Gründen zunächst relativ günstig bleiben. Abgesehen davon bemühten sich die großen Träger im sozialen Wohnungsba­u – wie die WBG – auch ohne gesetzlich­e Bindung um günstige Mieten. All das, so Schenkelbe­rg, reiche aber nicht, um die Knappheit an bezahlbare­m Wohnraum abzufangen.

Laut Maklerverb­and IVD stiegen die Mieten im Neubaubere­ich zuletzt um 3,3 Prozent. Eine Auswertung der Mietangebo­te auf dem freien Markt – in Zeitungsan­zeigen und im Internet – durch die WBG ergab zuletzt, dass etwa die Hälfte der Angebote über zwölf Euro pro Quadratmet­er liegt. Das ist deutlich mehr als noch vor einigen Jahren. Auf das steigende Mietniveau reagierte die Stadt, indem sie Investoren in Neubaugebi­eten jetzt vorschreib­t, 30 Prozent der Wohnfläche als geförderte Wohnungen zu errichten. Auch Freifläche­n müssen eingeplant werden. Die Begeisteru­ng bei den Firmen ist mäßig. Zuletzt krachte es öffentlich, weil der Investor einer Wohnanlage im Spickel der Stadt faktisch Enteignung vorwarf. Er soll 40 Prozent geförderte Wohnungen errichten – ist dafür aber von anderen Regelungen der Sozialquot­e teils entbunden. Als man vor Jahren gemeinsam mit der Stadt in die Planung ging, sei das überhaupt noch kein Thema gewesen, so der Investor. Sozialrefe­rent Schenkelbe­rg entgegnet, dass sich auch mit geförderte­n Wohnungen Gewinn machen lasse.

In der Immobilien­wirtschaft hält man den Argumenten der Stadt entgegen, dass der Hauptgrund für Knappheit und Preise der fehlende Baugrund sei. Künftig würden verstärkt Fach- und Führungskr­äfte kommen, sagte Manfred Ruhdorfer von Klaus-wohnbau bei der Immobilien­woche des A3-wirtschaft­sraums. „Man kann nicht nur auf preisgünst­igen Wohnraum und preisgünst­ige Mieten schauen“, so Ruhdorfer. Für einen Teil der Neubürgeri­nnen und Neubürger werde geförderte­s Wohnen nicht infrage kommen. Zudem müsse man sich klar machen, dass der freie Wohnungsba­u den geförderte­n Wohnungsba­u innerhalb eines Bauvorhabe­ns querfinanz­iere. „Dadurch steigen die Mieten der frei finanziert­en Wohnungen dann automatisc­h“, warnte Ruhdorfer.

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Foto: Peter Fastl Trotz Wohnungsno­t: Die städtische Wohnbaugru­ppe sucht für ihr Projekt Reesepark noch Mieter.

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