Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Keine Lust auf Sozialwohnung
Mit Wohnraum, der nach der Einkommenshöhe bezuschusst wird, soll in Augsburg die Wohnungsnot bekämpft werden. Doch wer es sich leisten kann, macht offenbar einen Bogen um die Sozialwohnungen
Mit gefördertem Wohnraum soll in Augsburg die Wohnungsnot bekämpft werden. Doch wer es sich leisten kann, macht offenbar einen Bogen um Sozialwohnungen.
Die Neubau-wohnungen haben bei Föhnwetter Alpenblick, sind von einem renommierten Architekten entworfen, die Miete liegt bei höchstens neun Euro pro Quadratmeter – üblich wären für Vergleichbares um die zwölf Euro. Und doch gibt es für diese Wohnungen zu wenig Interessentinnen und Interessenten. Die städtische Wohnbaugruppe sucht für ihr Renommierprojekt Reesepark I nach wie vor Mieter. Zuletzt, so WBGCHEF Mark Dominik Hoppe, seien von den 141 geförderten Wohnungen rund 30 nicht vermietet gewesen. „Wirtschaftlich gesehen ist es eine Katastrophe, Wohnraum zu haben, den man nicht auf den Markt bekommt“, sagt er. Die Wohnungen in diesem Preissegment richten sich an die klassische Mittelschicht. Doch hier haben offenbar viele keine Lust, in eine „Sozialwohnung“zu ziehen.
Die Stadt setzt verstärkt auf geförderten Wohnungsbau, bei dem je nach Einkommen ein Teil der Miete als Zuschuss vom Staat bezahlt wird. Nun scheint aber die Frage zu sein, wie man alle Wohnungen voll bekommt – obwohl es teils Wartelisten gibt. Der Grund für das scheinbare Paradox liegt in der Einkommensstaffelung. Bayern setzt seit mehr als zehn Jahren auf diese Förderung, die sich an der Höhe des Einkommens bemisst. Sie hat die klassischen Sozialwohnungen abgelöst. Sie werden nicht mehr gebaut, um soziale Brennpunkte zu vermeiden. Die Idee ist: In den neuen Wohnanlagen sollen verschiedene Einkommensschichten leben, sodass es zu einer Durchmischung kommt. Je nach Verdienst der Bewohnerinnen und Bewohner gibt es unterschiedliche Zuschusshöhen. Mieterinnen und Mieter der untersten Stufe, sie entspricht Sozialhilfeniveau, zahlen sieben Euro pro Quadratmeter, in der nächsten Stufe sind es acht Euro, in der höchsten Stufe, die auch Mittelschichtfamilien anspricht, sind es neun Euro. Eine Familie mit Kindern dürfte bis zu 70000 Euro Jahreseinkommen haben und hätte noch Anspruch auf eine Förderung.
Nur: Mieterinnen und Mieter aus den beiden oberen Einkommensstufen haben offenbar kein so großes Interesse, in eine geförderte Wohnung zu ziehen, auch wenn sich so mehrere tausend Euro pro Jahr sparen ließen. Vermutlich, so Sozialreferent Martin Schenkelberg (CSU), sei das Instrument zu wenig bekannt. „Voraussetzung ist ein Wohnberechtigungsschein. Dafür ist ein Gang zum Amt notwendig, und der fällt Bürgern aus der Mitte der Bevölkerung wohl etwas schwerer als den Menschen, die staatliche Unterstützung in Anspruch zu nehmen.“Was Schenkelberg nicht sagt, aber wohl auch eine Rolle spielt: Es gibt wohl auch Berührungsängste mit Nachbarn, die Hartz IV beziehen. Zudem sind die geförderten Wohnungen nicht übermäßig groß. Eine Drei-zimmer-wohnung darf maximal 75 Quadratmeter haben.
Zuständig für die Erteilung von Wohnberechtigungsscheinen ist die städtische Wohnbauförderung. Deren Leiter Heribert Weigant sagt, dass man im untersten Einkommensbereich eine längere Warteliste habe. Mehr als 2000 Haushalte sind vorgemerkt. In den beiden oberen Einkommensstufen seien es weniger als 450. Künftig will die Stadt darum die Belegung ändern: Neue geförderte Wohnungen sollen zur Hälfte für Haushalte der niedrigsten Stufe reserviert werden, die andere Hälfte wird zwischen den beiden höheren Stufen aufgeteilt. Bisher war eine Drittellösung üblich. Die Stadt glaubt, dass es auch dann noch genug Durchmischung gibt, um sozial stabile Quartiere zu bekommen. Die meisten Wohnungen entstünden in Neubaugebieten, in denen die Mehrheit der Wohnungen frei verkauft oder vermietet werde.
Bei WBG-CHEF Hoppe aber klingt eine leichte Sorge durch: „Wenn man große Areale bebaut, kann es auch zu geballt werden.“In Haunstetten Südwest werde die WBG 750 Wohnungen bauen. Und auch auf der Weltwiese in Kriegshaber soll es eine Verdichtung mit weiteren geförderten Wohnungen geben. „Da werden wir frei finanzierten Wohnungsbau dazwischen streuen, um alle Augsburger zu erfassen“, so Hoppe.
Insgesamt gibt es in Augsburg aktuell rund 8200 geförderte Wohnungen. Im Jahr 2002 waren es noch um die 14.600 Wohnungen. Auch in den kommenden Jahren wird die Zahl der Wohnungen, die für Haushalte mit sehr niedrigem Einkommen bereitstehen, abnehmen. Hintergrund ist, dass geförderte Wohnungen nach einigen Jahrzehnten in den freien Wohnungsmarkt übergehen. Bei der Stadt weist man darauf hin, dass auch
Wohnungen, die aus der Bindung fallen, aus gesetzlichen Gründen zunächst relativ günstig bleiben. Abgesehen davon bemühten sich die großen Träger im sozialen Wohnungsbau – wie die WBG – auch ohne gesetzliche Bindung um günstige Mieten. All das, so Schenkelberg, reiche aber nicht, um die Knappheit an bezahlbarem Wohnraum abzufangen.
Laut Maklerverband IVD stiegen die Mieten im Neubaubereich zuletzt um 3,3 Prozent. Eine Auswertung der Mietangebote auf dem freien Markt – in Zeitungsanzeigen und im Internet – durch die WBG ergab zuletzt, dass etwa die Hälfte der Angebote über zwölf Euro pro Quadratmeter liegt. Das ist deutlich mehr als noch vor einigen Jahren. Auf das steigende Mietniveau reagierte die Stadt, indem sie Investoren in Neubaugebieten jetzt vorschreibt, 30 Prozent der Wohnfläche als geförderte Wohnungen zu errichten. Auch Freiflächen müssen eingeplant werden. Die Begeisterung bei den Firmen ist mäßig. Zuletzt krachte es öffentlich, weil der Investor einer Wohnanlage im Spickel der Stadt faktisch Enteignung vorwarf. Er soll 40 Prozent geförderte Wohnungen errichten – ist dafür aber von anderen Regelungen der Sozialquote teils entbunden. Als man vor Jahren gemeinsam mit der Stadt in die Planung ging, sei das überhaupt noch kein Thema gewesen, so der Investor. Sozialreferent Schenkelberg entgegnet, dass sich auch mit geförderten Wohnungen Gewinn machen lasse.
In der Immobilienwirtschaft hält man den Argumenten der Stadt entgegen, dass der Hauptgrund für Knappheit und Preise der fehlende Baugrund sei. Künftig würden verstärkt Fach- und Führungskräfte kommen, sagte Manfred Ruhdorfer von Klaus-wohnbau bei der Immobilienwoche des A3-wirtschaftsraums. „Man kann nicht nur auf preisgünstigen Wohnraum und preisgünstige Mieten schauen“, so Ruhdorfer. Für einen Teil der Neubürgerinnen und Neubürger werde gefördertes Wohnen nicht infrage kommen. Zudem müsse man sich klar machen, dass der freie Wohnungsbau den geförderten Wohnungsbau innerhalb eines Bauvorhabens querfinanziere. „Dadurch steigen die Mieten der frei finanzierten Wohnungen dann automatisch“, warnte Ruhdorfer.