Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
In England fallen heute die Masken
Ende der Corona-maßnahmen
London Für Boris Johnson hätte das Wochenende vor dem als „Freedom Day“(Tag der Freiheit) bezeichneten Ende fast aller Corona-maßnahmen an diesem Montag in England kaum schlechter laufen können. Ausgerechnet Gesundheitsminister Sajid Javid steckte sich mit dem Coronavirus an – und das, obwohl er zweifach geimpft ist. Zunächst hieß es, der britische Premierminister müsse trotz Kontakts mit Javid nicht in Selbstisolation. Doch ein Sturm der Empörung im Land führte am Sonntag innerhalb weniger Stunden zu einer Kehrtwende. Johnson werde sich auf seinem Landsitz isolieren, hieß es in einer eilig nachgeschobenen Mitteilung.
Großbritannien wurde im vergangenen Frühjahr wegen hoher Infektionszahlen zum Sorgenkind Europas. Und auch jetzt grassiert das Virus wieder beinahe ungehemmt – mit dem Unterschied, dass inzwischen ein Großteil der erwachsenen Bevölkerung geimpft ist und die Zahl der Todesfälle weiterhin auf niedrigem Niveau liegt. Deswegen, so argumentiert die Regierung, sei es richtig, dass in Zügen, Geschäften und Kinos Mund-nasen-bedeckungen nicht mehr vorgeschrieben sind und selbst Nachtclubs wieder ohne Abstandsregeln oder zahlenmäßige Beschränkungen öffnen dürfen. Kritik von Experten an seinen Plänen lässt Johnson nicht gelten. Dass die Zahl der Neuinfektionen weiter klettern wird, bezweifelt die Regierung gar nicht. Ganz im Gegenteil: Gesundheitsminister Javid hält bis zu 100 000 neue Fälle täglich für absolut realistisch. Das wissenschaftliche Expertengremium Sage erwartet mindestens 1000 Krankenhauseinweisungen sowie 100 bis 200 Corona-tote täglich. Doch Johnson sieht die Zeit für gekommen, das Land in Richtung Normalität zu führen. „Wenn nicht jetzt, wann dann?“, lautet die Regierungslinie.