Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Premium Aerotec: Jetzt kommt es auf Helge Braun an
Am Donnerstag soll im Kanzleramt ein Spitzengespräch stattfinden, bei dem es um die Zukunft des Augsburger Luftfahrtzulieferers geht
Augsburg/berlin Kanzleramtsminister Helge Braun hat Post bekommen. Es geht um die Zukunft des deutschen Airbus-teils und des Augsburger Tochterunternehmens Premium Aerotec. Allein an dem schwäbischen Standort sind von den radikalen Umbauplänen des Konzerns rund 2200 von 2800 Mitarbeitern betroffen. Denn sie haben das Pech, im Werk IV zu arbeiten, einem Bereich, der nach Lesart der Airbus-manager zur Einzelteilefertigung gehört und damit zu einer Sparte, die ausgegliedert und womöglich verkauft werden soll. Betriebsräte befürchten, das könnte zu einem massiven Arbeitsplatzabbau in Augsburg, auf lange Sicht sogar zum Ausbluten des Standortes führen. Wenn etwa der österreichische Milliardär Michael Tojner zum Zuge käme, besteht nach Darstellung der Gewerkschafter die Gefahr, dass er die Produktion einfacherer Teile im großen Stil nach Osteuropa und Asien verlagert, dafür aber keine höherwertigen Baugruppen nach Augsburg zurückholen lässt.
Das alles ist Helge Braun als Vertreter der Bundesregierung von Gewerkschaftern und in der Sache aktiven Politikern wie Bayerns Ministerpräsident Markus Söder oder dem Augsburger Csu-bundestagsabgeordneten Volker Ullrich nahegebracht worden. Der Vertraute von Kanzlerin Angela Merkel spielt deshalb eine so wichtige Rolle, weil er für die Bundesregierung als Kanzleramtsminister die Interessen Deutschland als Airbus-großaktionär, der knapp elf Prozent an dem Unternehmen hält, vertritt.
Nachdem zuvor im Hintergrund alle Seiten ihre argumentativen Geschütze aufgefahren haben, findet am Donnerstag nach Informationen unserer Redaktion ein Airbus-gipfel im Bundeskanzleramt statt. Daran sollen neben Konzernchef Guillaume Faury Vertreter der Bundesregierung, allen voran Braun, aber auch der deutsche Luftfahrtkoordinator Thomas Jarzombek (CDU) teilnehmen. Letzterer sei den Airbus-umbauplänen und den negativen Folgen für die Arbeitsplätze, wie Gewerkschafter bemängelt haben, zunächst zu distanziert gegenübergestanden. Inzwischen soll auch Jarzombek auf Gerechtigkeit in dem von Frankreich und Deutschland dominierten Luftfahrt-riesen pochen. Nach Darstellung der Betriebsräte würde die Neustrukturierung des Unternehmens die deutschen gegenüber den französischen Mitarbeitern benachteiligen, weil Premium Aerotec zerschlagen werden soll, während das französische Zuliefer-pendant Stelia ungeschoren davonkäme. Frankreich ist ebenfalls mit knapp elf Prozent bei Airbus mit von der Partie.
Der Inhalt der Post, die Braun in der Sache erhalten hat, könnte seine Zweifel an den Airbus-plänen wecken. Denn der unserer Redaktion vorliegende Brief von führenden deutschen Airbus-betriebsräten und Ig-metall-vorstand Jürgen Kerner beginnt mit massiver Kritik: „Wir Arbeitnehmervertreter sind doch sehr irritiert, dass ein Gipfel im Kanzleramt zur Neuaufstellung der Flugzeug-strukturmontage bei Airbus ohne uns stattfinden soll.“Die Gewerkschafter lassen Braun zumindest schriftlich wissen, wenn sie schon bei dem Spitzentreffen nicht dabei sein dürfen: „Die Neuaufstellung schwächt den Luftfahrt-standort Deutschland nachhaltig, gefährdet mittelfristig tausende Arbeitsplätze und stellt ganze Standorte infrage.“
Der harte Vorwurf der Betriebsräte an die Adresse des Managements lautet: Wenn Airbus die Pläne umsetzt, würde der Konzern die Luftfahrtindustrie in Deutschland destabilisieren. Kerner und seine Kollegen halten fest: „Die Zerschlagung von Premium Aerotec ist eine rote Linie, die nicht überschritten werden darf.“
Dabei versuchen die Repräsentanten der Arbeitnehmer die Gunst Brauns für sich zu gewinnen, indem sie verdeutlichen, in Verhandlungen mit dem Management durchaus zu schmerzlichen Kompromissen bereit zu sein. Danach akzeptieren die Betriebsräte die Argumentation der Arbeitgeberseite, dass 600 bis 700
Arbeitsplätze in der Einzelteilefertigung von Premium Aerotec in Deutschland nicht mehr wettbewerbsfähig seien. Doch mit der Einsicht im Beschäftigtenlager geht eine klare Forderung einher: Müssten Arbeitsplätze verlagert werden, sollten dafür höherwertige Produktionspakete, die bisher von anderen Firmen etwa in der Türkei gefertigt werden, nach Deutschland zu Premium Aerotec zurückgeholt werden. Ziel der Betriebsräte ist es, damit gerade in Augsburg Stellen abzusichern. Dabei lehnen die Gewerkschafter eine Zerschlagung des Unternehmens ab.
Ein Argument von Ig-metallmann Kerner und seinen Kollegen könnte sich Braun bevorzugt rot anstreichen, hat sich doch auch dessen Chefin Merkel stets für die Wahrung des deutsch-französischen Gleichgewichts bei Airbus eingesetzt. Daher führt die Arbeitnehmerseite an, dass auf den Gehaltslisten des Luftfahrtkonzerns Ende 2020 in Frankreich 32443 Arbeitnehmer und in Deutschland 27358 gestanden hätten. Müssten nun 3500 Beschäftigte durch einen Verkauf der Premium-aerotec-werke in Augsburg und im niedersächsischen Varel den Konzern verlassen, würden hierzulande noch knapp 24000 Arbeitnehmer verbleiben. Airbus wäre damit deutlich französisch dominiert – und das, obwohl Deutschland mit Steuergeld reichlich militärische Produkte (Kampfflugzeuge,
Hubschrauber) bei dem Unternehmen kauft. Letztlich münden die Ausführungen der Gewerkschafter im Wunsch an Braun und damit Merkel: „Wir möchten Sie eindrücklich bitten, die drohende Zerschlagung zu verhindern.“
Unter den Beschäftigten von Airbus und Premium Aerotec macht sich derweil Frustration breit, wie ein weiterer unserer Redaktion vorliegender Brief verdeutlicht. Darin wenden sich Airbus- und Premiumaerotec-vertrauenskörperleiter, also Ansprechpartner der IG Metall für Beschäftigte in den Luftfahrtbetrieben, an führende Manager des Unternehmens. Die Arbeitnehmervertreter fällen ein hartes Urteil. Ihrer Ansicht nach hat die Unternehmensleitung kein Interesse an einer guten Lösung im Konflikt um die Zukunft von Standorten. In dem Schreiben heißt es: „Das Vertrauen, dass die Geschäftsführung der Premium Aerotec fair mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und deren Zukunft umgeht, ist gleich null.“Stolze Flugzeugbauer seien wütend darüber, wie man mit ihnen verfahre. Dann folgt massive Kritik an den Führungskräften: „Bis zum heutigen Tag hat sich kein Top-manager, kein Mitglied der Geschäftsführung direkt der Belegschaft gestellt. Die Geschäftsführung spielt mit der Zukunft unserer Arbeitsplätze.“Fast scheint es, als wäre das Verhältnis von Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern zerrüttet.