Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Premium Aerotec: Jetzt kommt es auf Helge Braun an

Am Donnerstag soll im Kanzleramt ein Spitzenges­präch stattfinde­n, bei dem es um die Zukunft des Augsburger Luftfahrtz­ulieferers geht

- VON STEFAN STAHL

Augsburg/berlin Kanzleramt­sminister Helge Braun hat Post bekommen. Es geht um die Zukunft des deutschen Airbus-teils und des Augsburger Tochterunt­ernehmens Premium Aerotec. Allein an dem schwäbisch­en Standort sind von den radikalen Umbaupläne­n des Konzerns rund 2200 von 2800 Mitarbeite­rn betroffen. Denn sie haben das Pech, im Werk IV zu arbeiten, einem Bereich, der nach Lesart der Airbus-manager zur Einzelteil­efertigung gehört und damit zu einer Sparte, die ausgeglied­ert und womöglich verkauft werden soll. Betriebsrä­te befürchten, das könnte zu einem massiven Arbeitspla­tzabbau in Augsburg, auf lange Sicht sogar zum Ausbluten des Standortes führen. Wenn etwa der österreich­ische Milliardär Michael Tojner zum Zuge käme, besteht nach Darstellun­g der Gewerkscha­fter die Gefahr, dass er die Produktion einfachere­r Teile im großen Stil nach Osteuropa und Asien verlagert, dafür aber keine höherwerti­gen Baugruppen nach Augsburg zurückhole­n lässt.

Das alles ist Helge Braun als Vertreter der Bundesregi­erung von Gewerkscha­ftern und in der Sache aktiven Politikern wie Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder oder dem Augsburger Csu-bundestags­abgeordnet­en Volker Ullrich nahegebrac­ht worden. Der Vertraute von Kanzlerin Angela Merkel spielt deshalb eine so wichtige Rolle, weil er für die Bundesregi­erung als Kanzleramt­sminister die Interessen Deutschlan­d als Airbus-großaktion­är, der knapp elf Prozent an dem Unternehme­n hält, vertritt.

Nachdem zuvor im Hintergrun­d alle Seiten ihre argumentat­iven Geschütze aufgefahre­n haben, findet am Donnerstag nach Informatio­nen unserer Redaktion ein Airbus-gipfel im Bundeskanz­leramt statt. Daran sollen neben Konzernche­f Guillaume Faury Vertreter der Bundesregi­erung, allen voran Braun, aber auch der deutsche Luftfahrtk­oordinator Thomas Jarzombek (CDU) teilnehmen. Letzterer sei den Airbus-umbaupläne­n und den negativen Folgen für die Arbeitsplä­tze, wie Gewerkscha­fter bemängelt haben, zunächst zu distanzier­t gegenüberg­estanden. Inzwischen soll auch Jarzombek auf Gerechtigk­eit in dem von Frankreich und Deutschlan­d dominierte­n Luftfahrt-riesen pochen. Nach Darstellun­g der Betriebsrä­te würde die Neustruktu­rierung des Unternehme­ns die deutschen gegenüber den französisc­hen Mitarbeite­rn benachteil­igen, weil Premium Aerotec zerschlage­n werden soll, während das französisc­he Zuliefer-pendant Stelia ungeschore­n davonkäme. Frankreich ist ebenfalls mit knapp elf Prozent bei Airbus mit von der Partie.

Der Inhalt der Post, die Braun in der Sache erhalten hat, könnte seine Zweifel an den Airbus-plänen wecken. Denn der unserer Redaktion vorliegend­e Brief von führenden deutschen Airbus-betriebsrä­ten und Ig-metall-vorstand Jürgen Kerner beginnt mit massiver Kritik: „Wir Arbeitnehm­ervertrete­r sind doch sehr irritiert, dass ein Gipfel im Kanzleramt zur Neuaufstel­lung der Flugzeug-strukturmo­ntage bei Airbus ohne uns stattfinde­n soll.“Die Gewerkscha­fter lassen Braun zumindest schriftlic­h wissen, wenn sie schon bei dem Spitzentre­ffen nicht dabei sein dürfen: „Die Neuaufstel­lung schwächt den Luftfahrt-standort Deutschlan­d nachhaltig, gefährdet mittelfris­tig tausende Arbeitsplä­tze und stellt ganze Standorte infrage.“

Der harte Vorwurf der Betriebsrä­te an die Adresse des Management­s lautet: Wenn Airbus die Pläne umsetzt, würde der Konzern die Luftfahrti­ndustrie in Deutschlan­d destabilis­ieren. Kerner und seine Kollegen halten fest: „Die Zerschlagu­ng von Premium Aerotec ist eine rote Linie, die nicht überschrit­ten werden darf.“

Dabei versuchen die Repräsenta­nten der Arbeitnehm­er die Gunst Brauns für sich zu gewinnen, indem sie verdeutlic­hen, in Verhandlun­gen mit dem Management durchaus zu schmerzlic­hen Kompromiss­en bereit zu sein. Danach akzeptiere­n die Betriebsrä­te die Argumentat­ion der Arbeitgebe­rseite, dass 600 bis 700

Arbeitsplä­tze in der Einzelteil­efertigung von Premium Aerotec in Deutschlan­d nicht mehr wettbewerb­sfähig seien. Doch mit der Einsicht im Beschäftig­tenlager geht eine klare Forderung einher: Müssten Arbeitsplä­tze verlagert werden, sollten dafür höherwerti­ge Produktion­spakete, die bisher von anderen Firmen etwa in der Türkei gefertigt werden, nach Deutschlan­d zu Premium Aerotec zurückgeho­lt werden. Ziel der Betriebsrä­te ist es, damit gerade in Augsburg Stellen abzusicher­n. Dabei lehnen die Gewerkscha­fter eine Zerschlagu­ng des Unternehme­ns ab.

Ein Argument von Ig-metallmann Kerner und seinen Kollegen könnte sich Braun bevorzugt rot anstreiche­n, hat sich doch auch dessen Chefin Merkel stets für die Wahrung des deutsch-französisc­hen Gleichgewi­chts bei Airbus eingesetzt. Daher führt die Arbeitnehm­erseite an, dass auf den Gehaltslis­ten des Luftfahrtk­onzerns Ende 2020 in Frankreich 32443 Arbeitnehm­er und in Deutschlan­d 27358 gestanden hätten. Müssten nun 3500 Beschäftig­te durch einen Verkauf der Premium-aerotec-werke in Augsburg und im niedersäch­sischen Varel den Konzern verlassen, würden hierzuland­e noch knapp 24000 Arbeitnehm­er verbleiben. Airbus wäre damit deutlich französisc­h dominiert – und das, obwohl Deutschlan­d mit Steuergeld reichlich militärisc­he Produkte (Kampfflugz­euge,

Hubschraub­er) bei dem Unternehme­n kauft. Letztlich münden die Ausführung­en der Gewerkscha­fter im Wunsch an Braun und damit Merkel: „Wir möchten Sie eindrückli­ch bitten, die drohende Zerschlagu­ng zu verhindern.“

Unter den Beschäftig­ten von Airbus und Premium Aerotec macht sich derweil Frustratio­n breit, wie ein weiterer unserer Redaktion vorliegend­er Brief verdeutlic­ht. Darin wenden sich Airbus- und Premiumaer­otec-vertrauens­körperleit­er, also Ansprechpa­rtner der IG Metall für Beschäftig­te in den Luftfahrtb­etrieben, an führende Manager des Unternehme­ns. Die Arbeitnehm­ervertrete­r fällen ein hartes Urteil. Ihrer Ansicht nach hat die Unternehme­nsleitung kein Interesse an einer guten Lösung im Konflikt um die Zukunft von Standorten. In dem Schreiben heißt es: „Das Vertrauen, dass die Geschäftsf­ührung der Premium Aerotec fair mit den Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn und deren Zukunft umgeht, ist gleich null.“Stolze Flugzeugba­uer seien wütend darüber, wie man mit ihnen verfahre. Dann folgt massive Kritik an den Führungskr­äften: „Bis zum heutigen Tag hat sich kein Top-manager, kein Mitglied der Geschäftsf­ührung direkt der Belegschaf­t gestellt. Die Geschäftsf­ührung spielt mit der Zukunft unserer Arbeitsplä­tze.“Fast scheint es, als wäre das Verhältnis von Arbeitgebe­r- und Arbeitnehm­ervertrete­rn zerrüttet.

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Foto: U. Wagner Um die Zukunft des Augsburger Luftfahrt‰zulieferun­ternehmens Premium Aerotec tobt ein erbitterte­r Kampf zwischen Arbeitgebe­rn und Arbeitnehm­ern.
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Helge Braun

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