Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Stahlriese gegen Baumfreund­e

Rund 17 Hektar Wald sollen weg, damit Bayerns einziges Stahlwerk wachsen kann. Gelingt ein Kompromiss?

- VON PHILIPP KINNE

Meitingen Von außen betrachtet ist es der immer gleiche Kampf: Industrie gegen Umwelt. Arbeitsplä­tze gegen Naturschut­z. Die mächtigen Lechstahlw­erke gegen wenige Klimaaktiv­isten. In Meitingen (Landkreis Augsburg) will man jetzt einen Kompromiss gefunden haben.

Dort findet sich Bayerns einziges Stahlwerk, das weiter wachsen soll. Mehr als 17 Hektar Wald müssen dafür weichen, um Platz für neue Hallen zu schaffen. Die Stahlwerke verspreche­n neue Arbeitsplä­tze und das Festhalten am Standort im Meitinger Ortsteil Herbertsho­fen. Als Ersatz soll ein neuer Wald gepflanzt werden, etwa ein Drittel mehr Bäume als gesetzlich ohnehin vorgeschri­eben sind. „Es wird ein besserer Wald“, findet Meitingens Bürgermeis­ter Michael Higl (CSU), ökologisch wertvoller, weil vielfältig­er. Nur: Wie lange wird es dauern, bis der neu gepflanzte Wald zum Vorzeigebi­otop wird? Naturschüt­zer gehen davon aus, dass die Rechnung nicht aufgeht.

Knapp acht Stunden lang wurde am Wochenende bei einer Sondersitz­ung des Gemeindera­ts über das Mega-projekt diskutiert. Es war der Tag der Entscheidu­ng, auf den man in dem 11 100-Einwohner-ort seit Jahren hinarbeite­t. Nicht ohne Gegenwind. Im vergangene­n Jahr demonstrie­rten hunderte gegen die Rodung des Walds, der als Bannwald besonders geschützt ist. Klimaaktiv­isten kletterten auf Bäume, um Banner aufzuhänge­n. Kurz vor der Sondersitz­ung wurden mehr als 4500 Unterschri­ften gegen die geplante Rodung gesammelt. Seit Jahren gibt es Streit.

Bürgermeis­ter Higl hatte vorsorglic­h ein Dutzend private Sicherheit­skräfte engagiert, um das Gelände zu sichern. Auch die Polizei ist verstärkt vor Ort. Doch am Tag der wegweisend­en Sitzung demonstrie­rt nur eine kleine Gruppe von etwa 45 Menschen gegen die Pläne des Stahlwerks. Von den etwa 200 Stühlen für Zuschauer in der Halle bleiben etwa 180 leer.

Am Ende stellt der Gemeindera­t einen Bebauungsp­lan für das Waldgebiet auf. Man geht davon aus, dass es 15 bis 20 Jahre dauern wird, bis die Erweiterun­g des Betriebs abgeschlos­sen ist.

Bis tatsächlic­h der erste Baum fällt, sollen die neuen schon gepflanzt sein. Das dürfte aber noch Jahre dauern. Naturschüt­zer haben bereits angekündig­t, vor Gericht zu ziehen, um die Rodung des Bannwalds zu verhindern. Kommt es hart auf hart, drohen Klimaaktiv­isten, sollen Baumhäuser im Wald errichtet werden. Der Lohwald, so fürchtet man in Meitingen, könnte zum neuen Hambacher Forst werden.

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Foto: Marcus Merk Wenige Demonstran­ten vor der Sonder‰ sitzung in Meitingen.

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