Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Ein Pfund Bargeld, bitte!
In den Hochphasen der Coronakrise war es nicht leicht, neue Menschen kennenzulernen. Umso mehr sind einem vertraute Personen ans Herz gewachsen, wie die Kassiererinnen und Kassierer im Supermarkt, die – auch als Biontech und Moderna noch ferne Verheißungen waren – freundlich und in stoischer Ruhe die Einkäufe abgerechnet haben. Weil einem rasch klar wurde, wie häufig man sie angesichts des Dauer-selbstkochens sieht, war es ratsam, sich Scherze zu verkneifen. Gerade als die Kassenkräfte nicht locker ließen zu fragen: „Brauchen Sie noch Bargeld?“, zeugte es von Disziplin, sich Blödeleien zu verbieten. Dabei hätte die Antwort „Ja, bitte ein Pfund Bargeld“vielleicht die Corona-trostlosigkeit an der Kasse aufgeheitert. Auch der Nachsatz „Sie brauchen es nicht einpacken. Ich esse es gleich“wäre doch ein echter Kassenschlager. Ironie ist aber leider Glückssache: Was der eine lustig findet, empfindet der andere als irritierend. Dabei würde es als Fan Didi Hallervordens naheliegen, auf die Bargeldangebote der Kassiererinnen und Kassierer zu antworten: „Ja, gerne eine Flasche voll.“Die Äußerung geht auf einen gespielten Witz, eben einen Klassiker der deutschen Humorgeschichte zurück: Hallervorden mimt einen Sträfling, der mit einem Mitsünder in einer Zelle sitzt und stöhnt: „Mein Gott, ist das langweilig. Wenn ich das vorher gewusst hätte.“Die Komiker spielen nun Kaufmannsladen. Hallervorden öffnet die fiktive Tür des Geschäfts mit der legendären lautmalerischen Umschreibung „Palim, palim“und verlangt nach einer Flasche Pommes. Das Dumme an dem Sketch von 1977 ist, dass er sich in der Kinderzeit ins Gedächtnis regelrecht eingegraben hat. Wenn also die Kassenkräfte Bargeldwünsche erfragen, bekommen sie zur Antwort: „Gerne 200 Euro.“Im Kopf sagt indes ein kleiner Hallervorden: „Eine Flasche Bargeld bitte.“Oder: „Ein 250-Gramm-stück, aber gut abgehangen.“Die Kassiererinnen und Kassierer können für all das nichts. Sie sind Gefangene eines disruptiven Prozesses: Banken bauen reihenweise Geldautomaten ab und verlagern den Diskretion voraussetzenden Prozess in das Umfeld von Gurken, Toilettenpapier, Wc-reinigern und Käse. Da sage noch einer, Geld stinke nicht.