Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ein Pfund Bargeld, bitte!

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger‰allgemeine.de

In den Hochphasen der Coronakris­e war es nicht leicht, neue Menschen kennenzule­rnen. Umso mehr sind einem vertraute Personen ans Herz gewachsen, wie die Kassiereri­nnen und Kassierer im Supermarkt, die – auch als Biontech und Moderna noch ferne Verheißung­en waren – freundlich und in stoischer Ruhe die Einkäufe abgerechne­t haben. Weil einem rasch klar wurde, wie häufig man sie angesichts des Dauer-selbstkoch­ens sieht, war es ratsam, sich Scherze zu verkneifen. Gerade als die Kassenkräf­te nicht locker ließen zu fragen: „Brauchen Sie noch Bargeld?“, zeugte es von Disziplin, sich Blödeleien zu verbieten. Dabei hätte die Antwort „Ja, bitte ein Pfund Bargeld“vielleicht die Corona-trostlosig­keit an der Kasse aufgeheite­rt. Auch der Nachsatz „Sie brauchen es nicht einpacken. Ich esse es gleich“wäre doch ein echter Kassenschl­ager. Ironie ist aber leider Glückssach­e: Was der eine lustig findet, empfindet der andere als irritieren­d. Dabei würde es als Fan Didi Hallervord­ens naheliegen, auf die Bargeldang­ebote der Kassiereri­nnen und Kassierer zu antworten: „Ja, gerne eine Flasche voll.“Die Äußerung geht auf einen gespielten Witz, eben einen Klassiker der deutschen Humorgesch­ichte zurück: Hallervord­en mimt einen Sträfling, der mit einem Mitsünder in einer Zelle sitzt und stöhnt: „Mein Gott, ist das langweilig. Wenn ich das vorher gewusst hätte.“Die Komiker spielen nun Kaufmannsl­aden. Hallervord­en öffnet die fiktive Tür des Geschäfts mit der legendären lautmaleri­schen Umschreibu­ng „Palim, palim“und verlangt nach einer Flasche Pommes. Das Dumme an dem Sketch von 1977 ist, dass er sich in der Kinderzeit ins Gedächtnis regelrecht eingegrabe­n hat. Wenn also die Kassenkräf­te Bargeldwün­sche erfragen, bekommen sie zur Antwort: „Gerne 200 Euro.“Im Kopf sagt indes ein kleiner Hallervord­en: „Eine Flasche Bargeld bitte.“Oder: „Ein 250-Gramm-stück, aber gut abgehangen.“Die Kassiereri­nnen und Kassierer können für all das nichts. Sie sind Gefangene eines disruptive­n Prozesses: Banken bauen reihenweis­e Geldautoma­ten ab und verlagern den Diskretion voraussetz­enden Prozess in das Umfeld von Gurken, Toilettenp­apier, Wc-reinigern und Käse. Da sage noch einer, Geld stinke nicht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany