Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Der neue Kannibale

Eddy Merckx, Tour-legende mit dem wenig schmeichel­haften Spitznamen, adelt den überragend­en Pogacar. Dessen Begleiter aber lassen Zweifel an ihm aufkommen

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Paris Für Eddy Merckx ist die Sache längst klar. „Ich sehe in ihm den neuen Kannibalen. Er ist extrem stark. Ich denke, er wird in den kommenden Jahren die Tour mehrmals gewinnen. Wenn ihm nichts passiert, kann er die Tour ganz sicher mehr als fünfmal gewinnen“, sagte Belgiens Radsport-legende und Ur-kannibale über Tadej Pogacar. Der 22 Jahre alte Slowene sicherte sich am Sonntag auf den Champs-élysées seinen zweiten Gesamtsieg bei der Tour de France.

Das an sich ist schon beeindruck­end genug. Doch während Pogacar bei seiner ersten Frankreich­rundfahrt mit einem historisch­en Zeitfahrsi­eg erst auf der vorletzten Etappe ins Gelbe Trikot fuhr, so dominierte er diese Ausgabe nach Belieben. So sieht es zumindest angesichts der über fünf Minuten vor dem Zweiten Jonas Vingegaard sowie der drei Etappensie­ge aus. Doch Pogacar beteuerte: „Das war das Maximum. Ein größerer Vorsprung wäre nicht möglich gewesen.“

eloquente Junge aus Komenda ist nur schwer in die Defensive zu bringen. Auf dem Rad selten bis gar nicht, und auch abseits seines Carbonrenn­ers fühlt sich Pogacar mittlerwei­le im Rampenlich­t wohl. Doch wenn man ihm mit Vergleiche­n mit Merckx, Bernard Hinault oder Lance Armstrong kommt, dann winkt er ab. „Ich mag das nicht. Ich sehe mich nicht als Boss“, sagte Pogacar.

Es gehört zu den Eigenheite­n des Radsports, dass den jeweiligen Tour-sieger stets eine Wolke des Zweifels begleitet. Das ist auch bei Pogacar nicht anders, wobei sie nicht allzu groß und allzu grau ist. Denn gegen ihn selbst gab es bisher keine Verdachtsm­omente. Alle Kontrollen waren negativ, und er sah sogar die Razzia beim Team Bahrain-victorious in Pau als positives Zeichen für den Radsport. Schließlic­h wurde nichts gefunden, und man habe Transparen­z bewiesen.

Dicht an Pogacars Seite sind allerdings Uae-teamchef Mauro Gianetti und Sportchef Matxin Fernandez. Und das kahlköpfig­e Duo hat eine – gelinde gesagt – bemerkensw­erte Doping-vergangenh­eit. Seit 2000 wurden zehn von Fernandez betreute Fahrer des Dopings überführt. Zusammen mit Gianetti leitete er das Team Saunier-duval, das 2008 für einen der größten Dopingskan­dale der Tour-geschichte sorgte. Da verlor sogar Tour-direktor

Christian Prudhomme die Fassung und bezeichnet­e den Schweizer als „Mann von schlechtem Ruf“.

Pogacar will das nicht an sich heranlasse­n. „Ich denke, er ist ein guter Mensch. Die Vergangenh­eit ist die Vergangenh­eit“, sagte der Wunderknab­e über seinen Chef. So sehr Pogacar betont, wie transparen­t der Radsport geworden ist – er selbst gibt sich in gewissen Dingen verder schwiegen. So will er beispielsw­eise seine Leistungsd­aten von den Touretappe­n nicht veröffentl­ichen. Das würde nur die Konkurrenz gegen ihn verwenden, argumentie­rte Pogacar.

Dabei würden gerade diese Daten helfen, das neueste Gerücht im Keim zu ersticken. Die Schweizer Zeitung Le Temps hatte drei Fahrer anonym zitiert, die von seltsamen Geräuschen aus Pogacars Hinterrad berichtete­n und damit eine Verbindung zu mechanisch­em Doping in den Raum gestellt.

„Ich höre kein Geräusch und weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll“, meinte Pogacar. Seine Wattwerte würden Behauptung­en über technische Schummelei­en entkräften können. Dazu muss aber auch angemerkt werden, dass der Weltverban­d UCI täglich Dutzende Räder nach dem Zufallspri­nzip in eine Röntgenmas­chine schickt. Die Wahrschein­lichkeit, dass dort etwas nicht bemerkt wird, dürfte relativ gering sein.

Zwei Chefs mit Doping‰vergangenh­eit

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Foto: Christophe Ena, dpa Triumph auf der ganzen Linie: Der Slowene Tadej Pogacar dominierte die Tour de France.

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