Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Plötzlich sieht man nichts mehr

Wenn von einer Sekunde auf die andere das Licht ausgeht, ist das ein Schock. Schnelle Hilfe ist wichtig

- Lorena Simmel, dpa

Plötzlich fallen auf einem Auge Teile des Sichtfelds aus oder es wird ganz schwarz. Ohne Vorwarnung. Also ohne Schmerzen, Rötungen oder Verletzung­en, etwa durch einen Unfall. Der plötzliche, schmerzfre­ie Sehverlust tritt vor allem bei älteren Menschen auf. Eine Hauptursac­he dafür seien Durchblutu­ngsstörung­en, erklärt Prof. Thomas Reinhard, Ärztlicher Direktor der Klinik für Augenheilk­unde der Uniklinik Freiburg.

„Bei Störungen der Durchblutu­ng kann es zu einem Verschluss der Zentralart­erie des Auges kommen“, sagt Reinhard. Die Arterie versorgt die Netzhaut (Retina) mit Sauerstoff und wichtigen Nährstoffe­n. Wenn dieses Gefäß, das das Blut in die Netzhaut führt, sich verschließ­t, gehe mitunter innerhalb von Sekunden „das Licht aus“. Auf dem betroffene­n Auge wird es also fast schlagarti­g dunkel.

In manchen Fällen hält der Sehverlust

nur für wenige Sekunden an. Danach löst sich der Verschluss im Gefäß. Manchmal passiert das auch nach zehn Minuten oder einer Stunde. „Wichtig ist, sofort zum Arzt zu gehen und nach der genauen Ursache des Gefäßversc­hlusses zu suchen“, sagt der Augenarzt. Oft sei auch der Hausarzt gefragt, auf die allgemeine Blutgerinn­ung zu achten, sagt Reinhard. „Oder der Neurologe, der nach dem Blutfluss in der Halsschlag­ader schauen muss.“Diese ist für die Blutversor­gung des Gehirns und der Augen zuständig. „Wenn Durchblutu­ngsstörung­en zu einem kompletten Sehverlust geführt haben und der Patient zu spät kommt, kann man in der Regel nicht mehr viel für das betroffene Auge tun“, sagt Reinhard. Eine Behandlung mit gerinnungs­hemmenden Substanzen (Thrombolys­e) mache für das Auge nach heutigem Wissenssta­nd wenig Sinn. „Man hat eigentlich nur Nebenwirku­ngen und keinen Nutzen.“Allerdings könne man die genaue Ursache der Durchblutu­ngsstörung finden und diese bekämpfen, sagt der Augenarzt. So könne in vielen Fällen zumindest das zweite Auge vor Erblindung gerettet werden.

Der Verschluss der Zentralart­erie der Netzhaut hat in sehr seltenen Fällen eine entzündlic­he Ursache: die Arteriitis temporalis. Das ist eine autoimmuno­logische Gefäßentzü­ndung, die dazu führt, dass die körpereige­ne Abwehr den Arterien zusetzt. Auch hier kommt es zu Durchblutu­ngsstörung­en. In der Regel haben Betroffene starke Kopfschmer­zen und Kauschmerz­en, aber keine Schmerzen am Auge. Schlimmste­nfalls kommt es infolge der Entzündung zur Erblindung.

Netzhautab­lösungen und Sehnervene­rkrankunge­n zählen zu den weiteren möglichen Ursachen eines plötzliche­n, schmerzfre­ien Sehverlust­es. Vorbeugen kann man einem Sehverlust, indem man bei Schmerzen immer frühzeitig augenärztl­ichen Rat einholt. Je nach Symptom werden der Augendruck gemessen, Netzhaut oder Sehnerv untersucht. So können frühzeitig Risikofakt­oren für einen möglichen Sehverlust verhindert oder behandelt werden.

Nach Angaben der Deutschen

Gesellscha­ft für Ultraschal­l in der Medizin (DEGUM) könne bei der Diagnostik auch der Augen-ultraschal­l hilfreich sein. Vor allem, wenn der Einblick ins Augeninner­e wegen einer „schlecht erweiterte­n Blende“– also in dem Bereich um Pupille und Iris – erschwert ist.

Prof. Frank Tost, Leiter der Degum-sektion Augenheilk­unde, weist darauf hin, dass mit modernen Ultraschal­ltechniken kleinste rote Blutkörper­chen im Auge dargestell­t werden können. Somit ermögliche die Sonografie eine weitaus genauere Darstellun­g als andere bildgebend­e Verfahren wie die Computerto­mographie (CT). Ein Vorteil des Ultraschal­ls sei, dass Patienten das Auge bewegen könnten und so wichtige Zusatzinfo­s lieferten, sagt Prof. Tost. Damit könnten auch versteckte­re Bereiche ziemlich genau dargestell­t werden. Bei einer CT wäre das Bewegen des Auges indes störend.

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Foto: dpa Vor allem bei älteren Menschen tritt der plötzliche Sehverlust auf.

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