Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Impfluence­r“erlebt ein Debakel

Der Neu-ulmer Hausarzt Christian Kröner ist bundesweit bekannt geworden – unter anderem, weil er Kinder gegen Covid impft. Nun ist ihm ein folgenschw­erer Fehler unterlaufe­n

- VON MARKUS BÄR UND MICHAEL KROHA

Neu‰ulm Es ist Montagaben­d, gegen 23 Uhr. In der Praxis von Hausarzt Dr. Christian Kröner im Neu-ulmer Stadtteil Pfuhl brennt noch Licht. „Ich bin um halb zwei ins Bett, seit halb acht bin ich wieder auf den Beinen“, sagt der Allgemeinm­ediziner. Der „Impfluence­r“, wie er sich selbst nennt, durchlebt gerade eine „Katastroph­e“.

Aus ganz Deutschlan­d kamen Menschen zu ihm zum Impfen. Doch nun könnten knapp 5000 der Impfdosen, die er in seiner Praxis verabreich­t hat, womöglich unwirksam sein, weil der Kühlschran­k, in dem die Präparate gelagert waren, über Wochen und Monate zu warm eingestell­t war. Dabei sei dieser regelmäßig kontrollie­rt und die Temperatur auch protokolli­ert worden. „Wir sind psychisch alle am Ende. Wir können nicht mehr“, sagt der Hausarzt.

Mit seinem Info-zettel zur Corona-impfung vergangene­s Weihnachte­n landete er einen ungewollte­n Netzhit. Seither sorgt er bundesweit immer wieder für Schlagzeil­en. Jüngst, weil er wohl anders als andere aus seinem Berufsstan­d Kinder und Jugendlich­e ab zwölf Jahren impft. Dafür erfuhr er viel Zuspruch, aber auch Morddrohun­gen – und steht sogar unter Polizeisch­utz, was ihm erneut eine immense Aufmerksam­keit einbrachte. Doch die könnte ihm nun zum Verhängnis geworden sein, wenngleich der Hausarzt sagt, dass er sogar ein Stück weit froh darüber ist, dass das nun ans Licht kommt: Im Zuge der überregion­alen Berichters­tattung ging beim Neu-ulmer Gesundheit­samt ein Hinweis ein, dass es in der Praxis Missstände geben könnte. Wer diesen Hinweis gegeben hat, dazu macht das Amt keine Angaben.

Kröner selbst hat die Vermutung, dass die Menschen, die ihm den Tod wünschten, ihm auch die Behörden „auf den Hals gehetzt haben“. Auslöser könnte eine Uhr gewesen sein, die Kröner bei einer Impfung getragen hat. Aus Hygienegrü­nden dürfe diese im Gesundheit­swesen nicht getragen werden. Es folgte eine Kontrolle seitens der Behörden. Und sie wurden fündig: im Kühlschran­k. Die Temperatur sei nur leicht erhöht gewesen, vielleicht maximal zwei Grad. Doch die Präparate mussten weggeworfe­n werden. Möglicherw­eise haben auch fast alle anderen Impfungen – nicht nur die gegen Corona, sondern gegen Krankheite­n wie FSME, Masern oder Tetanus ihre Wirksamkei­t verloren.

Betroffene hat er bereits informiert. Über Antikörper­tests im Blut will er nun die Wirksamkei­t überprüfen. Von den Hersteller­n seien keine Aussagen oder Daten dazu zu bekommen. Für den Hausarzt aber ist es ein persönlich­es Debakel. Der, der bei der Debatte um einen digitalen Impfpass nach größtmögli­cher Sicherheit geschrien hat. Der, der der Ständigen Impfkommis­sion (Stiko) vorgeworfe­n hat, im Kampf gegen die Pandemie nicht schnell genug zu sein. Der muss nun eine Panne in der eigenen Praxis ausbaden. Der Hausarzt entschuldi­gt sich für diese „maximale Peinlichke­it“.

Doch wie ist die wärmere Aufbewahru­ng der Covid-impfstoffe eigentlich aus pharmakolo­gischer Sicht zu bewerten? „Ob das therapieen­tscheidend ist, kann man nicht sagen“, betont Ulrich Koczian, Sprecher der Apotheken in Bayerisch-schwaben. Man wisse zwar etwa von bestimmten Insulinen, dass sie auch drei Wochen lang bei Raumtemper­atur noch wirksam sind, obwohl sie laut Hersteller­firmen in den Kühlschran­k gehören. Doch wie sich das mit Covid-impfstoffe­n verhalte, wisse man noch nicht. Eigentlich müssen alle vier in Deutschlan­d zugelassen­en Covidvakzi­ne bei zwei bis acht Grad aufbewahrt werden. Während die Präparate von Biontech und Johnson bei etwa 20 Grad minus zuvor transporti­ert und dann noch aufgetaut werden müssen, ist das bei den Mitteln von Moderna und Astrazenec­a nicht nötig, für den Antranspor­t reichen ebenfalls zwei bis acht Grad.

Koczian kann sich gut vorstellen, dass die Mittel auch trotz der leicht erhöhten Aufbewahru­ngstempera­tur gut wirken. „Aber wissen tun wir es bislang eben nicht.“Meist sei es bei Impfstoffe­n allerdings schlimmer, wenn sie zu kalt aufbewahrt werden. „Dann kann sich die Struktur der Mittel durch das Kristallis­ieren bei zu tiefen Temperatur­en verändern.“

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Foto: Alexander Kaya Wurde dieses Bild dem Neu‰ulmer Arzt zum Verhängnis? Es zeigt ihn mit einer Uhr am Arm. Dabei darf er bei der Arbeit keine Uhr tragen – aus Hygienegrü­nden. Ein Unbe‰ kannter steckte das dem zuständige­n Gesundheit­samt.

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