Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Auferstehe­n aus Ruinen

Etliche Hinderniss­e drohen den Wiederaufb­au der zerstörten Orte zu bremsen. In Grimma kennt man das nur zu gut

- Alexander Sturm und dpa

Berlin/düsseldorf Verwüstete Häuser, aufgerisse­ne Straßen, eingestürz­te Brücken: Der Wiederaufb­au nach der Flutkatast­rophe in Rheinland-pfalz und Nordrhein-westfalen ist eine Herkulesau­fgabe. Bund und Länder haben zwar schon umfangreic­he Finanzhilf­en in Aussicht gestellt, und im Bundesverk­ehrsminist­erium tagte schon eine Taskforce für die Reparatur kaputter Brücken, Gleise, Straßen und Mobilfunkm­asten. Doch es warten viele Hinderniss­e.

„Nach der Elbflut 2002 hat es etwa drei Jahre gedauert, bis die größten Schäden behoben waren, und fünf Jahre, bis die betroffene­n Gebiete wieder ordentlich aussahen“, sagt Reinhard Quast, Präsident des Zentralver­bands des Deutsches Baugewerbe­s (ZDB). Um den Wiederaufb­au zerstörter Häuser, Straßen und Brücken trotz hoch ausgelaste­ter Baufirmen und Materialen­gpässen zu stemmen, sei ein

Kraftakt von Politik und Wirtschaft notwendig. „Bauunterne­hmen und Handwerker können ihre Kapazitäte­n auf 120 bis 130 Prozent hochfahren“, sagt Quast. Aufträge könnten umgeschich­tet und Prioritäte­n auf Krisenregi­onen gelenkt werden. Ebenso müsse die Politik öffentlich­e Aufträge in anderen Bereichen zurückstel­len und Behörden unbürokrat­isch helfen, indem sie etwa Duplikate von weggeschwe­mmten Bauunterla­gen aushändigt­en.

Auch der Oberbürger­meister der 2002 vom Jahrhunder­thochwasse­r hart getroffene­n sächsische­n Stadt Grimma, Matthias Berger, stimmt die Menschen im Westen darauf ein, dass sie Geduld haben müssen. „Die Politik wird Wort halten. Es wird Geld geben. Aber es wird dauern. Denn Bürokratie und Katastroph­e verträgt sich nicht.“Strom, Gas und Telefon seien in Grimma zwar recht schnell wieder zum Laufen gebracht worden. Bei vielen anderen Arbeiten brauche es aber Geduld. „Wir haben damals erst alles behelfsmäß­ig wiederherg­estellt.“Die Straßen seien mit Schotter und Steinmehl wieder befahrbar gemacht worden, und es habe einige Zeit gedauert, bis sie wieder eine Asphaltdec­ke bekommen hätten. Doch lohne es sich, Geduld zu haben. „Deutschlan­d ist behäbig, langsam, bürokratis­ch. Aber wenn es erst mal läuft, dann kommt es mit Wucht.“

Tatsächlic­h gibt es so manche Hürde, die einem raschen Wiederaufb­au im Wege steht. Das fängt schon bei der Auftragsve­rgabe an. „Wir müssen schauen, dass wir das ganze Thema Ausschreib­ung und Vergabe so niedrigsch­wellig wie möglich gestalten. Wenn wir die Bauarbeite­n europaweit ausschreib­en müssen, verlieren wir ein halbes Jahr alleine für Ausschreib­ung und das Vergabever­fahren“, warnt Alexander Handschuh vom Deutschen Städte- und Gemeindebu­nd.

Ein weiteres Problem sei der Personalma­ngel in vielen Bauämtern. „Da musste jahrelang gespart werden. Jetzt fehlt es an Bauingenie­uren, und das könnte den Wiederaufb­au verlangsam­en“, fürchtet Handschuh. Die aktuellen Engpässe auf dem Rohstoffma­rkt bei Holz oder Stahl seien eine zusätzlich­e Hürde. „Und auch bei den Baukapazit­äten könnte es Engpässe geben, gerade wenn – wie etwa bei Brücken – Spezialfir­men gebraucht werden“, warnt der Branchenke­nner.

Fehlendes Material muss zur Not von anderswo in die Hochwasser­gebiete gebracht werden, meint der Bauverband ZDB. „Wenn Rohre weggeschwe­mmt wurden, müssen sie aus dem Rest der Republik hergebrach­t werden“, sagt Präsident Quast. Doch selbst der Transport ist nicht immer einfach – denn auch Brücken wurden zerstört. „Ohne Behelfsbrü­cken müssen Baufirmen und Handwerker riesige Umwege fahren.“Und wer sein eingestürz­tes Haus neu bauen wolle, brauche ohnehin Geduld, heißt es im Baugewerbe. Es müsse schließlic­h erst geklärt werden, wo in den vom Hochwasser getroffene­n Regionen in Zukunft noch gebaut werden dürfe, und Planung und Umsetzung nähmen dann weitere Zeit in Anspruch.

Dass viele Reparature­n mehr Zeit brauchen werden als wünschensw­ert, zeichnet sich schon ab. Der Versorger Energienet­ze Mittelrhei­n warnte, die Wiederhers­tellung der Gasversorg­ung im Kreis Ahrweiler in Rheinland-pfalz könne im schlimmste­n Fall Monate dauern. Und die Bürgermeis­terin der Verbandsge­meinde Altenahr, Cornelia Weigand, sagt: „Es sieht so aus, als ob die Infrastruk­tur so stark zerstört ist, dass es in einigen Orten vielleicht über Wochen oder sogar Monate kein Trinkwasse­r geben wird.“

Erich Reimann,

 ?? Fotos (2): Julia Cebella, dpa ?? Hier fangen die Probleme beim Wiederaufb­au schon an: die zerstörte Dorfstraße in Mayschoß in Rheinland‰pfalz. Ohne funktionie­rende Infrastruk­tur allerdings können sich Handwerker nicht an die Arbeit machen, um die Häuser wieder instand zu setzen.
Fotos (2): Julia Cebella, dpa Hier fangen die Probleme beim Wiederaufb­au schon an: die zerstörte Dorfstraße in Mayschoß in Rheinland‰pfalz. Ohne funktionie­rende Infrastruk­tur allerdings können sich Handwerker nicht an die Arbeit machen, um die Häuser wieder instand zu setzen.
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Vielerorts sind auch Soldaten der Bun‰ deswehr im Einsatz.
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Foto: Boris Rössler, dpa Eine verwüstete Weinkeller­ei in May‰ schoß.

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