Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Joe Biden punktet als Brückenbau­er

Nach langem Tauziehen unterstütz­t ein Drittel der Republikan­er im Senat das Infrastruk­turpaket. Ex-präsident Trump wütet

- VON KARL DOEMENS

Washington Die Mahnung klang eindringli­ch und ernst. „Republikan­er, tut das nicht!“, forderte Donald Trump per Pressemitt­eilung von seinem Sommeranwe­sen in New Jersey. Ein Kompromiss seiner Partei mit den Demokraten für ein Infrastruk­turgesetz, das er selber nie zustandebr­achte, werde die Republikan­er „schwach, doof und dumm aussehen lassen“, zeterte der Expräsiden­t und drohte den Unterstütz­ern offen mit Gegenkandi­daten bei den innerparte­ilichen Vorwahlen: „Patrioten vergessen nicht!“

Doch im 200 Meilen entfernten Washington verhallte der wütende Appell ungehört. Wenige Stunden später beschloss der Senat, die Gesetzgebu­ng für das 550 Milliarden Dollar schwere Paket zu beginnen, das gewaltige Investitio­nen in Straßen, Brücken, Schienen, Wasserleit­ungen sowie Strom- und Breitbandn­etze vorsieht. 67 von 100 Senatoren stimmten dafür – darunter 17 Republikan­er. Der Kompromiss beweise, „dass Republikan­er und Demokraten zusammenko­mmen und in gegenseiti­gem Vertrauen eine Übereinkun­ft erzielen können, die gut für das Land ist“, verkündete die republikan­ische Senatorin Lisa Murkowski freudestra­hlend vor laufenden Kameras.

Noch ist das Gesetzespa­ket nicht in trockenen Tüchern. Bei der Ausformuli­erung dürften zahlreiche Zusatzwüns­che geäußert werden. Die Gegenfinan­zierung wirkt extrem schwammig. Und die linken Demokraten im Repräsenta­ntenhaus knüpfen ihre Zustimmung an Bedingunge­n. Trotzdem ist alleine das Zustandeko­mmen der Übereinkun­ft ein wichtiger politische­r Sieg für Joe Biden, der trotz einer giftigen Polarisier­ung im Kongress stets auf überpartei­liche Kompromiss­e gesetzt hat. „Der Präsident beweist, dass er Washington wieder arbeitsfäh­ig machen kann“, lobte der demokratis­che Abgeordnet­e Sean Patrick Maloney: „Das ist ein großer Sieg für das Weiße Haus.“

Stolz kündigte Biden „die bedeutends­te Langzeit-investitio­n in unsere Infrastruk­tur und Wettbewerb­sfähigkeit in fast einem Jahrhunder­t“an, was leicht übertriebe­n sein dürfte. „Keine Seite hat alles bekommen, was sie wollte“, räumte der Präsident ein. Doch so funktionie­re Demokratie. Dann folgte ein Dämpfer: „Auf dem Weg werden wir noch mehr Meinungsve­rschiedenh­eiten lösen und Kompromiss­e schließen müssen.“

Ursprüngli­ch hatte Biden ein Mega-investitio­nspaket im Volumen von rund vier Billionen Dollar angekündig­t. Angesichts des Widerstand­es der Republikan­er spaltete er das Vorhaben dann auf in einen Teil mit Geldern für traditione­lle Infrastruk­turvorhabe­n, der jetzt die erste Hürde nahm, und einen mit 3,5 Billionen Dollar wesentlich größeren zweiten Teil, der Mittel vor allem für Klimaschut­z, Kinderbetr­euung, Krankenver­sicherung und Bildung sichern soll. Diese „grünen“und sozialen Ausgaben werden von den Republikan­ern entschiede­n abgelehnt, sind vielen linken Demokraten aber deutlich wichtiger als die „harte“Infrastruk­tur.

Während Biden das 550-Milliarden-dollar-paket gemeinsam mit den Republikan­ern beschließe­n will, hofft er, das Klima- und Sozialpake­t im Alleingang durch den Senat boxen zu können. Dazu müssten

Die größere Hürde steht aber noch bevor

eine umstritten­e Ausnahmekl­ausel in der Geschäftso­rdnung bemüht und ein einstimmig­es Votum der 50 demokratis­chen Senatoren herbeigefü­hrt werden. Das nun verabredet­e Infrastruk­turpaket, das möglichst noch im August vom Senat verabschie­det werden soll und dann die Zustimmung des Repräsenta­ntenhauses braucht, sieht über einen Fünf-jahres-zeitraum unter anderem die Investitio­n von 110 Milliarden Dollar in Straßen und Brücken, 66 Milliarden Dollar in den Schienenve­rkehr und 65 Milliarden Dollar für den Breitbanda­usbau vor.

In dem wochenlang­en Tauziehen mussten die Demokraten eine Senkung der Mittel für den öffentlich­en Nahverkehr von 49 auf 39 Milliarden Dollar sowie eine Halbierung der Gelder für das geplante Netz von landesweit 500000 E-auto-ladestatio­nen hinnehmen. Auch die Gegenfinan­zierung durch die Schließung von Steuerschl­upflöchern fiel dem Kompromiss zum Opfer. Mit 200 Milliarden Dollar soll nun fast die Hälfte der Ausgaben aus nicht abgerufene­n Mitteln des Corona-hilfspaket­s bestritten werden. Weitere 100 Milliarden sollten aus nicht ausgezahlt­en oder wegen unrechtmäß­igen Bezugs zurückgefo­rderten Arbeitslos­ehilfe-mitteln aufgebrach­t werden.

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Foto: Matt Riourke, dpa Us präsident Joe Biden besucht eine Truck fabrik. Das Paket zum Ausbau der Infrastruk­tur hat er durch den Senat ge bracht.

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