Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Sorgenfrei an den Strand?
In Bayern beginnen die Sommerferien und gerade Familien wünschen sich nach anstrengenden Monaten einen entspannten Urlaub. Ob das in der Pandemie klappen kann und wann ungeimpfte Kinder in Quarantäne müssen
Augsburg Knappe acht Stunden dauert sie, die Fahrt in den Süden. Nach Italien. Ans Meer. Jürgen Drexel aus Münsterhausen im Landkreis Günzburg wird mit seiner Familie die kommenden zweieinhalb Wochen auf einem Campingplatz in Cavallino verbringen, einem Örtchen an der italienischen Adria, nicht weit von Venedig entfernt. „Das ist schon fast unser zweites Zuhause“, sagt Drexel. Vor 21 Jahren fuhr er das erste Mal mit seiner Frau dorthin, mittlerweile sind auch immer die beiden Kinder, elf und 17, dabei. Drexel kennt den Campingplatz wie seine Westentasche – und doch ist vieles anders geworden, seit die Pandemie nicht nur das Leben der Menschen, sondern eben auch ihren Urlaub durcheinandergewirbelt hat.
Bei vielen Familien vermischt sich in diesen Tagen – zu Beginn der bayerischen Sommerferien – die Vorfreude auf entspannte Tage am Strand mit einer gewissen Unsicherheit. In vielen beliebten Urlaubsländern steigen die Infektionszahlen wieder an, Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will deswegen strengere Testvorschriften für Reiserückkehrer durchsetzen. Und was noch schwerer wiegt: Das Familienparadies Mallorca gilt, wie der Rest Spaniens, mittlerweile als Hochinzidenzgebiet. Für ungeimpfte Kinder und Erwachsene, die dort Urlaub machen, bedeutet das, dass sie nach der Rückreise in Quarantäne müssen. Angesichts all dieser Unwägbarkeiten stellt sich da schon die Frage: Familienurlaub in Coronazeiten – kann das klappen?
Ja, kann es, findet Drexel. Der 41-Jährige, seine Frau und die Tochter sind bereits geimpft, sein kleiner Sohn nicht. „Er muss bei der Einreise nach Italien einen Test machen, aber das ist ja überhaupt kein Problem“, sagt Drexel. „Wir sehen dem Ganzen optimistisch entgegen. Vor Ort gelten in etwa die gleichen Regeln wie bei uns, am Strand kann man zu anderen Urlaubern Abstand halten und wir haben in unserem Wohnwagen genug Privatsphäre.“Angst, dass sich sein ungeimpfter Sohn mit Corona anstecken könnte, hat Drexel nicht. „Er gehört nicht zur Risikogruppe, wir sind den ganzen Tag an der frischen Luft, halten Abstand und waschen uns oft die Hände.“Der Urlaub mit seiner Familie sei ihm sehr wichtig – gerade in diesem Jahr, fährt Drexel fort. In vergangenen Monaten seien sie alle meist zu Hause gewesen, gerade für die Kinder sei das eine Belastung gewesen. „Abschalten ist jetzt wichtig.“
So geht es wohl vielen Familien. Sie wollen einfach nur eines: weg. Pause von der Pandemie. Einer Studie des bayerischen Zentrums für Tourismus zufolge gaben in diesem Frühling 47 Prozent der Haushalte mit Kindern unter 15 Jahren an, auf jeden Fall verreisen zu wollen. Bei Haushalten ohne Kinder lag der Wert nur bei 36 Prozent.
Dass die Sehnsucht groß ist, spürt auch Michael Seitz, Geschäftsführer von Frundsberg Reisen in Mindelheim. „Mai, Juni und Juli waren echt gut, was die Buchungen betrifft“, sagt er. Bei Familien besonders beliebt seien Ziele, die man mit dem eigenen Auto erreichen kann – etwa Österreich, Italien oder Kroatien. „Viele Familien sind verunsichert, was Flugreisen angeht.“
Auch Deutschland steht bei Familienreisen derzeit hoch im Kurs. Der Norden und der Süden sind besonders beliebt. Das Seebad Ahlbeck auf der Insel Usedom wurde eben erst zum familienfreundlichsten deutschen Reiseziel am Meer gekürt. Der bei Familien beliebteste Ort an einem See ist einer Onlineabstimmung des Portals Fewo-direkt zufolge Friedrichshafen am Bodensee. Auf Platz zwei liegt Prien am Chiemsee.
Neben der Vorliebe für die Anreise mit dem eigenen Auto zeigt sich in diesem Jahr noch etwas ganz deutlich: Familien müssen viel tiefer in die Tasche greifen als noch vor der Pandemie. „Wenn man sehr früh gebucht hat, ging es noch. Aber spätestens ab Mai sind die Preise kräftig gestiegen“, sagt Seitz. „Und wer im August noch kurzfristig verreisen will, etwa nach Italien, der muss schon großes Glück haben, dass er etwas Vernünftiges und Bezahlbares findet.“Auch in Deutschland seien die Preise für Ferienwohnungen und Hotels in diesem Somden mer extrem hoch, fährt der Reiseexperte fort.
Reisen nach Spanien – seit kurzem Hochinzidenzgebiet – würden derzeit oft storniert. „Allerdings gibt es schon auch Familien, die sagen: Wir machen ja keinen Partyurlaub, sondern sind nur am Strand. Also fliegen wir trotzdem.“Die Folge: Nach der Rückkehr müssen Ungeimpfte für zehn Tage zu Hause in Quarantäne, sie können sich aber ab dem fünften Tag freitesten. Die Quarantäne gilt auch für Kinder. Und das bedeutet: Kehrt die Familie erst kurz vor Schulbeginn zurück, verpassen die Kinder die ersten Schultage. Der Frust ist bei vielen Familien, die sich auf die Sonne Mallorcas gefreut hatten, groß.
Die Türkei – auch ein sehr beliebtes Urlaubsland für deutsche Familien – ist derzeit „nur“als einfaches Risikogebiet eingestuft, nicht als Hochinzidenzgebiet. Nina Adomeith, ihr Mann und die beiden Kinder wollen Mitte August für zwei Wochen dorthin reisen. „Wir freuen uns. Aber momentan überwiegt die Unsicherheit“, sagt die 36-jährige Augsburgerin. „Eine großartige Vorfreude stellt sich nicht ein.“Bereits im vergangenen Jahr wollte die Familie in die Türkei fliegen. Doch daraus wurde nichts. Nun also der zweite Anlauf – mit gemischten Gefühlen. Denn noch wisse man ja nicht, wie sich die Situation entwickeln wird. „Wenn die Türkei zum Hochinzidenzgebiet wird und unsere Kinder, die im Gegensatz zu uns nicht geimpft sind, in Quarantäne müssten, dann wäre ich natürlich nicht begeistert“, sagt Nina Adomeith.
Dass es im Hotel ein größeres Ansteckungsrisiko für die Kinder gibt als in Deutschland, glaubt sie nicht. „Hier sind sie ja jetzt auch in die Schule und den Kindergarten gegangen.“Mit den geltenden Hygieneregeln könne man eine Infektionsgefahr im Urlaub auch gering halten, meint Nina Adomeith. Auch wenn sie und ihr Mann noch unsicher seien – die Kinder freuten sich schon sehr auf den Urlaub. „Ich glaube einfach, dass das für uns alle wichtig ist. Die vergangenen Wochen waren anstrengend.“
Urlauben ist teurer als vor der Pandemie