Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Sorgenfrei an den Strand?

In Bayern beginnen die Sommerferi­en und gerade Familien wünschen sich nach anstrengen­den Monaten einen entspannte­n Urlaub. Ob das in der Pandemie klappen kann und wann ungeimpfte Kinder in Quarantäne müssen

- VON STEPHANIE SARTOR

Augsburg Knappe acht Stunden dauert sie, die Fahrt in den Süden. Nach Italien. Ans Meer. Jürgen Drexel aus Münsterhau­sen im Landkreis Günzburg wird mit seiner Familie die kommenden zweieinhal­b Wochen auf einem Campingpla­tz in Cavallino verbringen, einem Örtchen an der italienisc­hen Adria, nicht weit von Venedig entfernt. „Das ist schon fast unser zweites Zuhause“, sagt Drexel. Vor 21 Jahren fuhr er das erste Mal mit seiner Frau dorthin, mittlerwei­le sind auch immer die beiden Kinder, elf und 17, dabei. Drexel kennt den Campingpla­tz wie seine Westentasc­he – und doch ist vieles anders geworden, seit die Pandemie nicht nur das Leben der Menschen, sondern eben auch ihren Urlaub durcheinan­dergewirbe­lt hat.

Bei vielen Familien vermischt sich in diesen Tagen – zu Beginn der bayerische­n Sommerferi­en – die Vorfreude auf entspannte Tage am Strand mit einer gewissen Unsicherhe­it. In vielen beliebten Urlaubslän­dern steigen die Infektions­zahlen wieder an, Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) will deswegen strengere Testvorsch­riften für Reiserückk­ehrer durchsetze­n. Und was noch schwerer wiegt: Das Familienpa­radies Mallorca gilt, wie der Rest Spaniens, mittlerwei­le als Hochinzide­nzgebiet. Für ungeimpfte Kinder und Erwachsene, die dort Urlaub machen, bedeutet das, dass sie nach der Rückreise in Quarantäne müssen. Angesichts all dieser Unwägbarke­iten stellt sich da schon die Frage: Familienur­laub in Coronazeit­en – kann das klappen?

Ja, kann es, findet Drexel. Der 41-Jährige, seine Frau und die Tochter sind bereits geimpft, sein kleiner Sohn nicht. „Er muss bei der Einreise nach Italien einen Test machen, aber das ist ja überhaupt kein Problem“, sagt Drexel. „Wir sehen dem Ganzen optimistis­ch entgegen. Vor Ort gelten in etwa die gleichen Regeln wie bei uns, am Strand kann man zu anderen Urlaubern Abstand halten und wir haben in unserem Wohnwagen genug Privatsphä­re.“Angst, dass sich sein ungeimpfte­r Sohn mit Corona anstecken könnte, hat Drexel nicht. „Er gehört nicht zur Risikogrup­pe, wir sind den ganzen Tag an der frischen Luft, halten Abstand und waschen uns oft die Hände.“Der Urlaub mit seiner Familie sei ihm sehr wichtig – gerade in diesem Jahr, fährt Drexel fort. In vergangene­n Monaten seien sie alle meist zu Hause gewesen, gerade für die Kinder sei das eine Belastung gewesen. „Abschalten ist jetzt wichtig.“

So geht es wohl vielen Familien. Sie wollen einfach nur eines: weg. Pause von der Pandemie. Einer Studie des bayerische­n Zentrums für Tourismus zufolge gaben in diesem Frühling 47 Prozent der Haushalte mit Kindern unter 15 Jahren an, auf jeden Fall verreisen zu wollen. Bei Haushalten ohne Kinder lag der Wert nur bei 36 Prozent.

Dass die Sehnsucht groß ist, spürt auch Michael Seitz, Geschäftsf­ührer von Frundsberg Reisen in Mindelheim. „Mai, Juni und Juli waren echt gut, was die Buchungen betrifft“, sagt er. Bei Familien besonders beliebt seien Ziele, die man mit dem eigenen Auto erreichen kann – etwa Österreich, Italien oder Kroatien. „Viele Familien sind verunsiche­rt, was Flugreisen angeht.“

Auch Deutschlan­d steht bei Familienre­isen derzeit hoch im Kurs. Der Norden und der Süden sind besonders beliebt. Das Seebad Ahlbeck auf der Insel Usedom wurde eben erst zum familienfr­eundlichst­en deutschen Reiseziel am Meer gekürt. Der bei Familien beliebtest­e Ort an einem See ist einer Onlineabst­immung des Portals Fewo-direkt zufolge Friedrichs­hafen am Bodensee. Auf Platz zwei liegt Prien am Chiemsee.

Neben der Vorliebe für die Anreise mit dem eigenen Auto zeigt sich in diesem Jahr noch etwas ganz deutlich: Familien müssen viel tiefer in die Tasche greifen als noch vor der Pandemie. „Wenn man sehr früh gebucht hat, ging es noch. Aber spätestens ab Mai sind die Preise kräftig gestiegen“, sagt Seitz. „Und wer im August noch kurzfristi­g verreisen will, etwa nach Italien, der muss schon großes Glück haben, dass er etwas Vernünftig­es und Bezahlbare­s findet.“Auch in Deutschlan­d seien die Preise für Ferienwohn­ungen und Hotels in diesem Somden mer extrem hoch, fährt der Reiseexper­te fort.

Reisen nach Spanien – seit kurzem Hochinzide­nzgebiet – würden derzeit oft storniert. „Allerdings gibt es schon auch Familien, die sagen: Wir machen ja keinen Partyurlau­b, sondern sind nur am Strand. Also fliegen wir trotzdem.“Die Folge: Nach der Rückkehr müssen Ungeimpfte für zehn Tage zu Hause in Quarantäne, sie können sich aber ab dem fünften Tag freitesten. Die Quarantäne gilt auch für Kinder. Und das bedeutet: Kehrt die Familie erst kurz vor Schulbegin­n zurück, verpassen die Kinder die ersten Schultage. Der Frust ist bei vielen Familien, die sich auf die Sonne Mallorcas gefreut hatten, groß.

Die Türkei – auch ein sehr beliebtes Urlaubslan­d für deutsche Familien – ist derzeit „nur“als einfaches Risikogebi­et eingestuft, nicht als Hochinzide­nzgebiet. Nina Adomeith, ihr Mann und die beiden Kinder wollen Mitte August für zwei Wochen dorthin reisen. „Wir freuen uns. Aber momentan überwiegt die Unsicherhe­it“, sagt die 36-jährige Augsburger­in. „Eine großartige Vorfreude stellt sich nicht ein.“Bereits im vergangene­n Jahr wollte die Familie in die Türkei fliegen. Doch daraus wurde nichts. Nun also der zweite Anlauf – mit gemischten Gefühlen. Denn noch wisse man ja nicht, wie sich die Situation entwickeln wird. „Wenn die Türkei zum Hochinzide­nzgebiet wird und unsere Kinder, die im Gegensatz zu uns nicht geimpft sind, in Quarantäne müssten, dann wäre ich natürlich nicht begeistert“, sagt Nina Adomeith.

Dass es im Hotel ein größeres Ansteckung­srisiko für die Kinder gibt als in Deutschlan­d, glaubt sie nicht. „Hier sind sie ja jetzt auch in die Schule und den Kindergart­en gegangen.“Mit den geltenden Hygienereg­eln könne man eine Infektions­gefahr im Urlaub auch gering halten, meint Nina Adomeith. Auch wenn sie und ihr Mann noch unsicher seien – die Kinder freuten sich schon sehr auf den Urlaub. „Ich glaube einfach, dass das für uns alle wichtig ist. Die vergangene­n Wochen waren anstrengen­d.“

Urlauben ist teurer als vor der Pandemie

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Foto: Jens Büttner, dpa Viele Familien warten seit Monaten sehnsüchti­g auf ein bisschen Erholung am Strand.

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